Die klassischen Wintergemüsearten kennt jeder, aber Hand aufs Herz: Wie viel wächst in deutschen Gärten in der kalten Jahreszeit? In der Regel nichts oder nicht allzu viel. Landläufig wird die Gartensaison im März eröffnet und im Herbst beendet – dabei hat der Winteranbau von Gemüse in Europa eine lange Tradition.
Wurde die ganzjährige Versorgung der Bevölkerung früher in erster Linie mit regionalen Produkten bewerkstelligt, was den Anbau von Wintergemüse unentbehrlich machte, scheint dies in der heutigen globalisierten Welt, zumindest auf den ersten Blick, nicht mehr notwendig.
Selbst im tiefsten Winter herrscht kein Mangel an Gemüse. Über den Handel wird importiert, was das Herz begehrt. Macht es wirklich Sinn, den Garten in der kalten Jahreszeit zu nutzen? Von Claudia Peters.
Keine Frage: Selbst angebautes Gemüse ist an Frische und Geschmack kaum zu überbieten. Handelsübliches Gemüse hingegen hat meist schon mehrere Tage Transport oder Lagerung hinter sich und lässt, gerade im Winter, geschmacklich oft zu wünschen übrig.
Insbesondere im Hinblick auf einen hohen Grad an Selbstversorgung oder eine, in letzter Zeit immer mehr Menschen notwendig erscheinende Krisenvorsorge, ist der Winteranbau von Gemüse im eigenen Garten mehr als lohnenswert. Und dabei übrigens längst nicht so aufwändig, wie oft vermutet.
Wenngleich sich Ernteerträge mithilfe von Gewächshäusern und Folientunneln zwar optimieren lassen – eine Grundvoraussetzung für erfolgreiche Wintergärtnerei sind sie nicht. Die folgenden fünf Gemüsearten lassen sich beispielsweise ohne Schutzvorkehrungen sehr leicht anbauen.
Sie können im Winter nach und nach, je nach Bedarf direkt vom Beet weg geerntet werden – knackig, frisch und vitaminreich. Aufwändiges Konservieren entfällt damit ebenso wie das, nicht jedem Haushalt mögliche Einlagern von Gemüse (Lokaler Gartenanbau: Kanadischer Supermarkt baut eigenes Gemüse auf dem Dach an (Video)).
Postelein
Postelein oder Winterportulak stammt ursprünglich aus Asien, bevor er sich über die gesamte Nordhalbkugel der Erde verbreitete. Viele Indianervölker schätzten ihn wie auch die alten Griechen und Ägypter als Nahrungsmittel.
Im heutigen Mitteleuropa ist dieser weit gereiste Salat hingegen ein vergleichsweise junges Gemüse. Essbar sind alle Teile der rosettenförmig wachsenden Pflanze: die saftigen tellerförmigen Blätter, die zarten Stiele und auch die kleinen weißen Blüten.
Roh in Salaten oder Smoothies kommt Postelein am besten zur Geltung, kann jedoch auch gedünstet wie Spinat zubereitet werden.
Die Aussaat von Postelein findet im Freiland zwischen Ende August und Ende September statt ‒ die Samen benötigen niedrige Temperaturen unter 12 °C zum Keimen. Der Schwachzehrer gibt sich mit nährstoffarmen Böden zufrieden und ist auch sonst recht anspruchslos.
So gedeiht er auch in halbschattiger Lage und während längerer Trockenperioden. Die winterharten Pflanzen wachsen selbst bei niedrigen Temperaturen und überstehen Fröste mit bis zu -20 °C. Geerntet wird Postelein von November bis April, dabei werden jeweils einzelne Blätter abgeschnitten oder abgezupft.
Grünkohl
Grünkohl gilt besonders in Norddeutschland als das Wintergemüse schlechthin. Dort kommt er überwiegend gekocht auf den Tisch, macht aber auch roh in Salaten oder Smoothies eine gute Figur. Im Garten angebaut, ist Grünkohl eine robuste und eher anspruchslose Kultur.
Wie alle Kohlarten schätzt er nährstoffreichen Boden. Gesät wird er im Mai oder Juni ins Freiland oder in Saatschalen ‒ die vorgezogenen Pflanzen werden dann spätestens im August ins Beet gesetzt. Die Erntezeit von Grünkohl beginnt im Oktober, idealerweise nach dem ersten Nachtfrost ‒ dann schmeckt er besser.
Beim Ernten werden am besten die äußeren Blätter entfernt, das fügt der Pflanze den geringsten Schaden zu und sorgt dafür, dass sie immer wieder neue Blätter nachtreibt, zumindest wenn keine anhaltenden Frostperioden vorherrschen. Wer Grünkohl roh essen möchte, sollte hingegen jüngere, mittig wachsende Blätter bevorzugen.
Grünkohlpflanzen können den ganzen Winter über im Beet verbleiben und sorgen somit ständig für frisches Grün auf den Tellern. Wichtig ist lediglich eine regelmäßige Ernte. Verbleiben reife, ausgewachsene Blätter zu lange an der Pflanze, werden sie bitter.
Häufig erstreckt sich der Erntezeitraum bis weit über den Winter hinaus in den Juni hinein. Die Blätter sind dann recht groß und nicht mehr ganz so zart. Da sie, aufgrund der Jahreszeit, keinen Frost abbekommen, enthalten sie außerdem mehr Bitterstoffe, sind gekocht in der Regel aber dennoch gut zu verwenden.
Kohlrübe
Die häufig auch als Steckrübe bezeichnete Kohlrübe ist, wie viele andere winterharte Kulturen auch, ein recht altes Gemüse, welches heutzutage eher selten den Weg auf die Teller findet. Das mag an ihrem Ruf liegen, ein Arme-Leute-Gemüse zu sein ‒ etwas auf das nur in Notzeiten zurückgegriffen wird, wenn andere Nahrungsmittel rar sind.
Dabei sind Kohlrüben nicht nur extrem nahrhaft, sondern auch vielseitig einsetzbar. Sie schmecken hervorragend in Suppen, Eintöpfen und Schmorgerichten oder gebacken als Gemüsebeilage. Auch roh, beispielsweise geraspelt und mit Äpfeln als Salat angemacht, machen sie etwas her.
Mit ihrem schwachen Eigengeschmack nehmen Kohlrüben den Geschmack der Dinge an, mit denen sie zubereitet werden.
Im Anbau sind Kohlrüben äußerst anspruchslos. Als Mittelzehrer benötigen sie lediglich einen mäßig mit Nährstoffen versorgten Boden. In der ersten Wachstumsphase empfiehlt es sich, die jungen Pflanzen hin und wieder zu gießen, später ist auch das nicht mehr nötig. Im Juni gesäte Kohlrüben können bereits ab September geerntet werden.
Ihre Winterhärte erlaubt es, dass sie den ganzen Winter über, bis in den März hinein, im Boden bleiben und nach und nach frisch geerntet werden können. Um auch bei Frost ernten zu können, wird der Boden mit Laub oder Reisig bedeckt, um ein Gefrieren der Erde zu verhindern. Wie viele andere Wintergemüsearten werden Kohlrüben im Geschmack milder, nachdem sie Frost abbekommen haben.
Pastinake
Pastinaken, äußerlich an Meerrettich erinnernde cremeweiße Wurzelrüben, waren bis ins 18. Jahrhundert hinein ein weitverbreitetes Grundnahrungsmittel in Mitteleuropa, wurden später jedoch zunehmend von Möhren und Kartoffeln verdrängt ‒ dabei haben sie einen wesentlich höheren Nährwert als diese.
Ihr geringer Nitratgehalt macht sie zudem zur perfekten Kleinkindernahrung. Sie schmecken süßlich-aromatisch, ein wenig nach Sellerie und können sowohl roh als auch gekocht, gebraten oder gebacken verzehrt werden.
Besonders lecker schmecken sie als Püree oder Suppe. Auch die grünen Blätter der Pflanze finden als Würzkraut in der Küche Verwendung.
Die reguläre Aussaatsaison der Pastinaken, die eine sehr lange Kulturdauer von ca. einem halben Jahr haben, beginnt im März. Wer sie als Wintergemüse ernten möchte, sollte jedoch nicht vor Mai oder Juni säen. Pastinaken sind sehr pflegeleicht.
Der Boden sollte vor der Aussaat lediglich tiefgründig gelockert und mit Komposterde versehen werden. Während der Wachstumsphase empfiehlt es sich, die Pflanzen hin und wieder zu gießen, die Wurzeln brauchen viel Wasser.
Ab November beginnt die Erntezeit. Dabei werden immer nur so viele Pastinaken entnommen, wie gerade benötigt, da diese den ganzen Winter über, bis etwa Ende März, in der Erde bleiben können (Pflanzen selbst vermehren, alte Sorten pflegen und sich dadurch von der Saatgutindustrie unabhängig machen).
Topinambur
Topinambur ist botanisch mit der Sonnenblume verwandt und hat ebenso schöne, wenn auch wesentlich kleinere Blüten, an bis zu 3 m hohen Stängeln. Seine kartoffelähnlichen Rhizomknollen sind es, die unseren Speiseplan bereichern. Roh schmecken sie mild nussig ‒ gekocht, geschmort oder gebraten entwickeln sie einen leicht süßlichen, würzigen, bisweilen rauchigen Geschmack und peppen Eintöpfe, Aufläufe oder Gemüsebeilagen ordentlich auf.
Im Anbau ist Topinambur pflegeleicht: Zwischen Februar und April werden ganze Knollen oder Teile von die- sen, 10-15 cm tief in nährstoffreiche Erde gesteckt. Kein Gießen, kein Düngen, keine besondere Pflege. Im Spätherbst werden lediglich seine welk gewordenen Stängel bodennah abgeschnitten und die Erde wird mit Laub und Reisig bedeckt.
Ab November kann Topinambur geerntet werden. Idealerweise stets nach Bedarf, denn einmal ausgehobene Knollen sind selbst im Kühlschrank nicht lange haltbar. Bleiben sie den Winter über jedoch in der Erde, halten sie auch stärkstem Frost stand und bleiben knackig frisch.
Topinambur kann bis in den März oder April des nächsten Jahres hinein geerntet werden, dann beginnen die verbliebenen Knollen, wie auch die kleinsten hinterlassenen Rhizomstücke, neu auszutreiben. Wer Topinambur anbauen möchte, sollte ihm also einen festen Platz zuweisen. Da er sich gern räumlich ausbreitet, ist es ratsam, die Pflanzstelle mit einer Rhizomsperre zu begrenzen.
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Literatur:
Frisches Gemüse im Winter ernten: Die besten Sorten und einfachsten Methoden für Garten und Balkon. Poster mit praktischem Anbau- und Erntekalender. 77 verschiedene Gemüse von Wolfgang Palme
Der Selbstversorger: Mein Gartenjahr: Säen, pflanzen, ernten. Inkl. DVD und App zur Gartenpraxis: Storl zeigt, wie’s geht! (GU Garten Extra) von Wolf-Dieter Storl
Meine kleine Farm: Anleitung für Selbstversorger von Miriam Wohlleben
Quellen: PublicDomain/Claudia Peters am 06.09.2017
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