Über die Wiederentdeckung eines bronzezeitlichen »katastrophischen Quartetts«: „Es haben schon viele und vielerlei Untergänge der Menschen stattgefunden und werden auch fernerhin noch stattfinden, die umfänglichsten durch Feuer und Wasser, andere, geringere aber durch unzählige andere Ursachen.
Denn was auch bei euch erzählt wird, dass einst Phaethon, der Sohn des Helios, den Wagen seines Vaters bestieg und, weil er es nicht verstand auf dem Wege seines Vaters zu fahren, alles auf der Erde verbrannte und selber vom Blitze erschlagen ward, das klingt zwar wie eine Fabel, doch ist das Wahre daran die veränderte Bewegung der die Erde umkreisenden Himmelskörper und die Vernichtung von allem, was auf der Erde befindlich ist, durch vieles Feuer…“ (Platon. Timaios, 22c)
Für die meisten modernen Atlantisforscher mit ihrer mehr oder weniger ausgeprägten Affinität zum Neo-Katastrophismus stellt obiges Zitat aus Platons Dialog ‚Timaios‘ schon lange einen Hinweis auf kosmische Ursachen kataklysmischer Ereignisse dar, die nicht nur die zur Debatte stehende Atlantis-Katastrophe, sondern tatsächlich, wie die Neith-Priester in Sais einst Solon berichtet haben sollen, „vielerlei Untergänge der Menschen“ hervorriefen.
Seitens des wissenschaftlichen Mainstreams – also in einem Milieu, das seit fast 150 Jahren größtenteils in aktualistischen Betrachtungsweisen zur Erd- und Menschheitsgeschichte verhaftet ist – galten derartige Überlegungen lange Zeit als Unfug und Spinnerei.
So bemerkte z.B. Jürgen Spanuth noch 1953: „Den größten Anstoß haben die Kritiker des Atlantisberichtes immer wieder an den Angaben Platons über die umfangreichen Naturkatastrophen genommen, die in den Tagen von Atlantis die ganze Welt heimgesucht […] haben sollen. Diese Berichte seien, so wurde behauptet, »reine Erfindungen« Platons, der seine »kosmologischen Spekulationen« damit glaubhaft machen wollte.
Es ist leicht erklärlich, daß dieser Verdacht aufkommen konnte. Platon erzählt uns in seinen Dialogen ja wirklich von Katastrophen, die so einmalig sind, daß der Vorwurf, dies alles seien »reine Erfindungen«, nur zu gerechtfertigt erscheint.“ (Weltzeitalter: Untergang der Inselreiche Atlantis, Lemurien und Rapa-nui durch den Mondeinfang)
Dass die hinter besagtem akademischem Verdikt stehende aktualistische Grundhaltung heute längst nicht mehr bei allen Wissenschaftlern vorzufinden ist, hängt nicht zuletzt mit einem Ereignis in unserem Sonnensystem zusammen, dass 1994 für einigen Wirbel in der Wissenschaft sorgte. Gemeint ist das spektakuläre Ende des Kometen Shoemaker- Levi 9, dessen Fragmente im Juli jenes Jahres auf dem Planeten Jupiter einschlugen.
Der amerikanische Alternativ-Historiker Frank Joseph, der die von Platon erwähnte Atlantis-Katastrophe – ebenso wie Spanuth – am Ende der Bronzezeit vermutet, dieses Ereignis aber keineswegs für „einmalig“ hält, bemerkt zur Auswirkung des Shoemaker-Levy-Events auf nicht geringe Teile der Academia plakativ: Das „…gelassene Vertrauen darin, die Erde besitze eine Art spezielle Immunität gegen Bedrohungen aus dem All, wurde dramatisch durch eine nüchternere Wahrnehmung unserer prekären Position im Sonnenystem ersetzt.“
Damit kam auch die Frage nach den Ursachen rätselhafter Diskontinuitäten und Umbrüche in der Zivilisations-Geschichte der Menschheit wieder auf die Tagesordnung der Forschung.
Dazu führt Frank Joseph weiter aus: „Während Mitte der 1990er Jahre überdachten universitär ausgebildete Wissenschaftler diese Frage im Licht der verheerenden Auswirkungen von Shoemaker Levi auf den Jupiter neu. Sie begannen, ernsthaft die Vorstellung in Erwägung zu ziehen, dass ähnliche Kataklysmen grundlegend den Verlauf der frühen Entwicklung von Zivilisationen hier auf der Erde bestimmt haben könnten.
In Europa, Asien und den Vereinigten Staaten überprüften Archäologen ihre Forschungsergebnisse und waren überrascht, zu einigen gemeinsamen Schlussfolgerungen zu gelangen, welche verhießen, lange vertretene Auffassungen zur Vergangenheit radikal umzustürzen, so wie auch die Astronomen gezwungen gewesen waren, als Resultat der überraschenden Auftauchens von Shoemaker Levi ihren vorgefassten Glauben an ein friedliches Sonnensystem zu revidieren.“
Um hier gleich möglichen Missverständnissen vorzubeugen, sollte betont werden, dass sich Frank Josephs obige Äußerungen keineswegs auf die universitäre Astronomie und Archäologie insgesamt beziehen, sondern vielmehr auf eine ganze Reihe fortschrittlicher und ergebnisoffen arbeitender, oder ohnehin katastrophistischen Vorstellungen zuneigender Fachwissenschaftler. In diesem Sinne ist es auch zu verstehen, wenn es bei Joseph weiter heißt:
„Drei Jahre nach der Begegnung des Kometen mit Jupiter versammelten sich viele der weltweit führenden Autoritäten in [den Bereichen] Archäologie, Archäoastronomie, Geologie, Paläobotanik, Klimaforschung und verwandter Wissenschaften auf einer speziellen Konferenz, die darauf abzielte, ihre neuen verstörenden Daten zusammenzulegen. Sie nannten ihr Symposion »Natural Catastrophes During Bronze Age Civilizations: Archaeological, Geological, Astronomical, and Cultural Perspectives«.
Vom 11. bis 13. Juli 1997 hatte die Society for Interdisciplinary Studies im englischen Fitzwilliam College (Abb. 3) in Cambridge Wissenschaftler aus Schweden, Japan, Australien und vielen anderen Ländern zu Gast. Zu den Präsentatoren gehörten akademische Koryphäen, wie Mike Baillie, Professor am Zentrum für Paläoökologie der Queens University in Belfast, Nordirland, wo er der führende Experte für Dendrochronologie ist. Zu seinen Sprecher-Kollegen zählten Duncan Steel, der am Pioneer Venus Orbiter Program der NASA mitarbeitete, sowie Amos Nur, Professor für Geophysik an der Stanford University. Insgesamt nahmen etwa einhundert ihrer Kollegen an der Konferenz teil.“
Zu den allgemein bekanntesten Referenten dieses Symposions gehörten die beiden Astronomen Victor Clube und Bill Napier, deren Modell des ‚Kohärenten Katastrophismus‘ der US-amerikanische Atlantisforscher Kenneth Caroli folgendermaßen umreißt:
„Ihre Theorie ist, dass ein gigantischer Komet zu einem Zeitpunkt vor zwischen 70.000 und 30.000 Jahren in einen sub-jovianischen Orbit abgelenkt wurde. Seither zerfiel er nach und nach in kleinere, sekundäre Kometen oder Asteroiden. Diese neuen Kometen erzeugten Trümmerfelder, die noch immer als jährliche Meteorschauer zu sehen sind. Doch als sie noch jünger waren, waren sie auch noch dichter und konnten auf unserem Planeten Verwüstungen anrichten, wenn die Erde ihren dichtesten Bereich passierte.
Diese meteorischen Felder drehten sich im über mehrere Jahrtausende hinweg präzessionell, sodass ihre Perioden mit höchstem Gefahren-Potential ungefähr 2500 Jahre auseinander liegen. Für den Zeitraum ab etwa 3150 v.Chr. postulieren Clube und Napier einen geringeren Subzyklus von etwa 600 Jahren.“
Dazu führt Frank Joseph weiter aus:
„Clubes und Napiers Theorie fand auch bei anderen Wissenschaftlern positive Beachtung, die allgemein darin übereinstimmten, dass durch diese Nahbegegnungen [mit den Überresten des vermuteten großen kometaren Körpers, d.h. die postulierten Passagen der Erde durch besagte Trümmerfelder; d.Ü.] und / oder durch unmittelbare Impakte von vier verschiedenen Kometen eine primäre Gruppe bronzezeitlicher Kataklysmen herbeigeführt wurde.
Diese kosmischen Konfrontationen beeinflussten und traumatisierten die Zivilisation um 3100, 2200, 1628 und 1198 v.Chr. Die Referenten aus Cambridge lieferten eine Fülle materieller Evidenzen für eine überzeugende Argumentation, dass diese Katastrophen der Bronzezeit in der Tat stattgefunden haben, womit sie erst kürzlich mittels voneinander unabhängiger wissenschaftlicher Hilfsmittel etwas neu herausgefunden haben, was Menschen bereits vor 3000 Jahren und mehr wussten, und was in den Erinnerungen von [späteren] Völkern rund um die Welt erhalten blieb.
An selbiges Quartett von Desastern erinnerten sich Griechen, Iren, Ägypter, Nordeuropäer, Afrikaner und nativ-amerikanische Völker Mesoamerikas sowie der Anden.“
Literatur:
Von Atlantis zur Welt der Riesen – Die Enträtselung des Mythos I von Ferdinand Speidel
Atlantis: Alter Mythos – Neue Beweise von Roland M. Horn
Die Säulen von Atlantis. Malta. von Hubert Zeitlmair
Atlantis – gefunden. Kritik und Lösung des Atlantis-Problems von Otto H. Muck
Videos:
Quellen: PublicDomain/atlantisforschung.de am 15.08.2017
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