Gesellschaft: Warum? Ein Mensch. Ein Schicksal. Wenn Leistungsdruck und Schulden in die Obdachlosigkeit führen

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Es ist die immer wiederkehrende Frage, die Menschen beschäftigt, die vom Schicksal hart getroffen wurden. Warum? Warum wurde ich so hart bestraft? Warum hilft mir keiner? Jede einzelne dieser Fragen beginnt immer mit einem „Warum“. Vor drei Jahren habe ich mich auf den Weg gemacht und Menschen gesucht, die vom Schicksal hart getroffen wurden.

Menschen, die einmal mit ihren Füßen mitten im Leben standen und plötzlich über Nacht aus ihren gewohnten Alltag gerissen wurden. Jedes dieser Schicksale ist eine kleine Blaupause unserer Gesellschaft. Denn so gut wie hinter jedem Gesicht, das uns täglich auf der Straße begegnet, steckt ein Schicksal. Oft verheilen die Wunden. Eine Narbe bleibt fast immer. Ein Report von Frank Schwede.

Ich habe im Laufe der drei Jahre Menschen kennengelernt, die in eine Notlage geraten sind. Menschen, die in den Augen der Leistungsgesellschaft zu Verlierern geworden sind. Aber sind sie das auch wirklich? Sind sie wirklich die Verlierer, für die sie von der Politik und einem Großteil unserer Wohlstandsgesellschaft gehalten werden?

Nein, diese Menschen sind keine Verlierer. Schließlich wird man nicht als Verlierer geboren. Man wird auch nicht über Nacht zu einem Verlierer. Vielmehr entscheiden multiple Faktoren darüber, ob Menschen auf der Gewinner- oder Verliererseite stehen.

Menschen in Not sind nicht immer allein verantwortlich für ihr Schicksal. Notlagen sind wie Rost. Sie entstehen über einen langen Zeitraum aufgrund bestimmter äußerer Einflüsse. Wenn Eisen und Stahl durchgerostet sind, brechen sie. So ist das auch bei Menschen in Not. Irgendwann zerbricht seine Seele.

Wer in eine Notlage steckt, befindet sich in der Regel schon ganz weit unten und ist verzweifelt. Und Verzweiflung macht bekanntlich blind. Zuletzt tut man alles, um aus dieser Notlage wieder herauszukommen. Da schließt man auch schon mal schnell den berühmten Pakt mit dem Teufel. Wer noch niemals in seinem Leben in einer wirklichen Notlage war, wird das nicht verstehen können.

Menschen in Not sind Opfer. Und sie müssen diese Opferrolle weiterspielen. Wie eine Marionette hängen sie am Ende als Sklaven am Faden. Die Puppenspieler finden sich meistens an der Spitze von Politik und Wirtschaft. Billiglöhne und die wachsende Globalisierung führen immer mehr Menschen in Armut und Not.

In Deutschland hat sich die Zahl der Menschen, die trotz Arbeit arm sind, seit 2004 laut einer Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans Böckler Stiftung verdoppelt. Mittlerweile gelten zehn Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland als arm, so das Ergebnis der Studie. Der Grund hierfür ist der enorm hohe Druck auf Arbeitslose, jede angebotene Stelle anzunehmen. Auch wenn sie schlecht bezahlt ist.

So einen Druck wie in Deutschland gibt es übrigens in keinem anderen Land Europas. Ein menschenverachtendes System, das hier durch die Rot-Grün-Regierung unter Gerhard Schröder geschaffen wurde und welches bis heute nicht reformiert wurde. Trotz zahlreicher Mahnung führender Sozialwissenschaftler. Mainstreammedien schauen bewusst weg. Schließlich muss der Schein ja gewahrt werden, dass Deutschland ein Sozialstaat ist. Ein Staat, in dem es schließlich gerecht zugeht. Doch das ist nur Fassade. Eine Fassade, die mehr und mehr bröckelt.

Ich habe Menschen auf der Straße kennen gelernt, die das erlebt haben. Sie haben dem Schicksal in die Augen geblickt. Ein tiefer Abgrund. Schwarz wie die Nacht. Ohne erkennbares Licht am Ende des Tunnels. Ein nimmer enden wollender Tunnel. Für diese Menschen ist das ein Transit in die Hölle ohne Rückfahrticket.

Ich habe Menschen aus den unterschiedlichsten sozialen Schichten kennengelernt. Am Straßenrand, in der Kneipe, im Schnellrestaurant, auf der Zugfahrt, manchmal zum dritten Job. Übermüdet, ausgelaugt, gesundheitlich ruiniert. Diese Menschen waren froh darüber, mit jemanden sprechen zu können. Sie waren froh, dass sie endlich jemanden gefunden haben, der ihnen einmal zuhört und nicht gleich sein Blick in Richtung Smartphone lenkt, um deutlich zu machen: ich bin an deine Geschichte nicht interessiert. Lass mich in Ruhe, ich habe schließlich selbst genug Probleme.

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Probleme haben wir alle. Das stimmt. Doch mal Hand aufs Herz: sind wir nicht auch froh darüber, wenn uns jemand zuhört. Zuhören ist nämlich zu einem echten Problem unserer Zeit geworden. Niemand nimmt sich offenbar mehr die Zeit, einem anderen zuzuhören. Die Eltern hören ihren Kindern nicht mehr zu. Die Schüler hören den Lehrern nicht mehr zu, die Chefs hören ihren Angestellten nicht mehr zu und zu guter letzt: die Politiker hören dem Volk nicht mehr zu, weil das Volk sie nicht mehr interessiert.

Taub und stumm, so könnte man es auf den Punkt bringen, wenn man die neue Gesellschaft und ihre Politik in einem einzigen Satz umschreiben will. Wer niemanden mehr hat, der ihm zuhört, wer nicht mehr mitreden kann, wird schnell unfreiwillig zu einem Einsiedler. Und Einsiedler gibt es in Deutschland mittlerweile mehr als genug. Menschen, die an den äußersten Rand der Gesellschaft gedrängt worden sind. Ausgeschlossen aus der Gemeinschaft.

Arbeitslosigkeit, politische Gesinnung usw. Mittlerweile führt nahezu jede Unangepasstheit dazu, aus der Gemeinschaft ausgeschlossen zu werden. Wirtschaft und Politik schreiben mittlerweile das Drehbuch für unser tägliches Leben. Wie der moderne Mensch zu leben, zu sprechen und zu denken hat und vor allem: wie viel er täglich konsumieren muss, dass die Wirtschaft brummt, wird uns täglich in populären Fernsehserien und Spielfilmen vorgelebt. Die erodierende Gesellschaft ist dabei sich selbst zu zerstören. Sie reißt alles mit in den Abgrund, was sich ihnen in den Weg stellt. Und die Politik klatscht dazu Applaus.

Dass sich diese Gesellschaft aber auf einem ganzen Schmalen Grad befindet, scheint indes niemanden richtig klar zu sein. Wer aus der Gemeinschaft ausgeschlossen wird, reagiert oft mit Verzweiflung und nicht zuletzt auch mit Wut. Und Wut kann sehr schnell in unkontrollierten Gewaltausbrüchen enden. Im Alltag begegnen uns nahezu tagtäglich immer wieder Szenen der Gewalt, des Hasses.

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Mittlerweile gewinnt man den Eindruck, dass Deutschland immer rücksichtsloser wird. Auch Psychologen, wie etwa Dr. Dieter Frey, Professor für Psychologie an der LMU in München, warnen mittlerweile vor eine stetig wachsenden Verrohung unserer Gesellschaft. In einem Interview mit der Münchner Abendzeitung sagte er kürzlich:

„Deutschland kann in vielerlei Hinsicht als rücksichtslos gesehen werden. Nehmen Sie den Straßenverkehr: Da würde man nicht sagen, dass die Leute rücksichtsvoll miteinander umgehen. Genauso wird sehr oft gemobbt, wenn die Leute sich nicht so verhalten, wie es die entsprechende Norm vorschreibt.“

In meinen zahlreichen Gesprächen mit betroffenen Menschen habe ich hinter die Fassade blicken können. In diesem Fall trifft das Wort Fassade tatsächlich zu. Jeder Mensch von uns hat sich im Laufe seines Lebens eine Fassade nach außen errichtet. Erbaut wie ein Haus. In diesem Fall ist die äußere, ich nenne sie Lebens-Fassade, das Haus der Seele, dass sie vor den äußeren Einflüssen schützen soll. Und jeder Mensch versucht diese Lebens-Fassade solange wie es nur geht intakt zu halten. Selbst in schwierigsten Lebensphasen wird dieser Schein aufrecht erhalten.

Da ist zum Beispiel der Familienvater, der seit einem halben Jahr ohne Arbeit ist, aber jeden Morgen pünktlich mit der Tasche das Haus verlässt. Selbst die Ehefrau und seine Kinder wissen nicht, wie es wirklich in ihm aussieht. Die Fassade hält vielleicht noch eine Zeit, obwohl es gerade für diese Menschen so wichtig wäre, diese Fassade endlich zum Einsturz zu bringen. In diesem Fall nämlich wäre die Wahrheit Medizin für die Seele. Doch auch in diesem Fall siegt die Angst, am Ende alles zu verlieren, vor der Vernunft. Weil es die Norm so verlangt.

Dass die meisten Menschen mittlerweile so sehr in dieser Norm-Welt gefangen sind, dass sie vor lauter Gitterstäben die Wirklichkeit nicht mehr sehen, scheint indes noch niemandem so richtig bewusst zu sein. Das Bewusstsein kommt meistens mit dem Totalverlust. Dem Verlust der Wohnung, der Familie, Freunden und Bekannten. Dann, wenn alles kaputt ist (Lohnarbeit schlimmer als Sklaverei: Über Herrenmenschen und Untermenschen).

Raus aus dem Hamsterrad der Norm-Welt

In meiner neuen Reihe „Warum: Ein Mensch, ein Schicksal“ habe ich mich auch mit Aussteigern unterhalten. Es sind Menschen, die aus der Norm-Welt geflohen sind, weil sie sich in ihrer Rolle nicht mehr ertragen konnten. Weil sie sich am Ende nur noch wie funktionierende Zombies gefühlt haben. Programmiert und fremdgesteuert.

Weil sie ein Leben geführt haben, das mit ihrem Selbst nichts mehr zutun hatte. Heiko L., der seit einem halben Jahr als Aussteiger lebt, sagte mir in unserem Interview:

„Ich habe in der Werbebranche gearbeitet. Mehr als zwanzig Stunden am Tag, manchmal auch noch in der Nacht. Am Ende habe ich mich wie ein Bioroboter gefühlt. Ein Roboter, den man am Morgen programmiert und der sein Programm mechanisch abspielt. Bis man ihn wieder neu programmiert.“

Erst eine Bournout-Krise brachte für Heiko die Erkenntnis, dass es so nicht weitergehen kann. Auch Heiko stellte sich von diesem Tag an täglich die Frage: Warum? Warum war ich so blöd und habe diesen ganzen Mist solange mitgemacht. Für Zehntausend Euro Gehalt im Monat, einen teuren Sportwagen und eine Villa am Stadtrand in Hamburgs Nobelviertel Blankenese? War es das wert? Heute lebt Heiko auf Fuerteventura und betreibt dort ein kleines Straßencafé.

Die Menschen arbeiten heute länger, härter und rücksichtsloser als noch vor zwanzig Jahren. Oft gerieben von einem falschen Ehrgeiz. Doch sind diese Menschen wirklich glücklicher als ihre Vorfahren? Nicht wirklich. Nicht einmal ansatzweise. Denn zum Glück gehört mehr als Reichtum, Erfolg und Karriere. Heiko sagte mir in unserem Gespräch auch:

Seit ich diesem Wahnsinn entflohen bin, fühle ich mich zum ersten Mal wieder richtig frei. Ich bin ein völlig anderer Mensch geworden. Seither sehe ich wieder Dinge, die ich früher, in meinem ersten Leben, nicht gesehen habe. Insekten, die Schönheit der Natur, die Farben der Blumen, das Lächeln einer schönen Frau.“

„Warum? Ein Mensch, ein Schicksal.“ Hier möchte ich Ihnen, liebe Leser, in unregelmäßigen Abständen Menschen vorstellen, die durch eine Lebenskrise gegangen sind. Menschen, die dem Schicksal in die Augen gesehen haben, Menschen, die plötzlich einen neuen, einen anderen Blick für das Leben, für ihr wahres Leben bekommen haben. Es sind harte, oft schonungslose Sätze aus dem Mund von Menschen, die die andere Seite der mittlerweile größtenteils wohlstandsverwahrlosten Gesellschaft kennengelernt haben.

Den Anfang macht der Schicksalsreport von Bernd M. Der heute 45jährige aus Berlin lebte zwei lange Jahre auf der Straße. Er war obdachlos. Ein Verstoßener der Gesellschaft. Einer, den niemand mehr haben wollte. Sein Arbeitgeber nicht, seine frühere Familie nicht. Warum? Ein Mensch, ein Schicksal.

Es gibt da ein Wort, das kriegt Bernd nicht mehr aus dem Kopf. So sehr er sich auch bemüht, er kann es nicht löschen von der Festplatte seines Hirns. Das Wort besteht aus nur ganzen fünf Buchstaben und endet mit einem dicken großen Fragezeichen. Warum? Das Wort ist für Bernd zu eine Art Hirn-Tinitus geworden, weil es unter der Schädeldecke hämmert wie ein Presslufthammer, weil es sich wie eine Endlosschleife Sekunde um Sekunde, Tag um Tag, Woche um Woche, Jahr um Jahr wiederholt.

Man muss dazu wissen, Bernd war einer von mittlerweile mehr als 335.000 Obdachlosen in Deutschland. Das sind aber nur die offiziellen Zahlen der Bundesregierung. Die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen. Obdachlosigkeit: Ein Schicksal, ein Mensch. Hinter jedem dieser Obdachlosen steckt auch ein Mensch. Aber so ein Schicksal fällt nicht über Nacht vom Himmel wie ein Regentropfen auf den Asphalt.

Meistens führt sie aufgrund einer Verkettung unglücklicher Umstände in diese Notlage: Krankheit oder Jobverlust. Bei Bernd schlich sich das Schicksal vor drei Jahre, quasi über Nacht in ein vorher völlig intaktes Leben. Bernd hatte einmal eine Familie. Eine Frau und zwei Kinder. Und er hatte eine schmucke Vierzimmerwohnung im Herzen von Berlin.

Bernd arbeitete in seinem ersten Leben als Leiter eines Supermarktes. Ein Job mit Verantwortung und ein Job, bei dem man nicht nach acht Stunden die Hände in den Schoß legt und sagt: Feierabend. Bernd arbeitete oft mehr als zwölf Stunden. Fortbildung, Managementtraining, Seminare eingeschlossen. Am Ende aber war Bernd dem ständigen Druck aus der Konzernzentrale nicht mehr gewachsen. Seine Seele zeigte erste deutliche Risse. Schlafstörungen, Gereiztheit, chronische Müdigkeit.

„Manchmal habe ich zwei Tage am Stück nicht geschlafen, habe Aufputschmittel genommen, zuletzt Ecstasy und LSD, schließlich musste ich ja funktionieren, wenn man es von mir verlangt hat. Die erste Zeit hat das super funktioniert. Ich war leistungsfähig und gut drauf. Doch dann schlug das irgendwann ins Gegenteil um. Ich habe dann Stimmen gehört, Wahnvorstellungen und Panikattacken bekommen.“

Drogen und Schulden waren das Ende

Die ersten Eheprobleme kamen, wenn Bernd mal wieder auf einem Trip war. Erst schlug er seine Frau, dann auch die Kinder. Das hat schließlich dazu geführt, dass sich seine Frau von ihm getrennt hat. Sie erhielt auch vom Gericht das Sorgerecht für die Kinder. Bernd in unserem Gespräch:

„Ich war schließlich eine Gefahr für die Kinder. Meine Frau fühlte sich bedroht. Dieses verdammte Zeug hat in kurzer Zeit einen anderen Menschen aus mir gemacht. Ich hatte anfangs noch das Gefühl, dass ich das mit dem Zeug im Griff habe, aber das war eine Täuschung. Das Zeug hatte schließlich mich im Griff und ich begriff mehr und mehr, dass ich nicht mehr der alte war.“

Am Ende verlor Bernd nicht nur seine über alles geliebte Familie, sondern auch seine Arbeit. Bernd hatte sich und seine Familie mit einem teuren Sportwagen in die Schulden getrieben, hinzu kamen dann bald auch die teuren Drogen, von denen er immer mehr benötigte. Am Ende blieb ihm keine andere Wahl mehr:

„Ich zweigte am Anfang immer nur kleine Beträge von den Tageseinahmen ab, habe versucht sie geschickt für irgendwelche Sonderausgabe zu verbuchen. Am Ende habe ich sogar heimlich Kassiererinnen Geld aus der Kasse genommen und ihnen unterstellt, dass sie nicht richtig herausgegeben haben. Denen habe ich das dann vom Lohn abgezogen. Heute weiß ich, dass ich damals ein Schwein war und dass ich die Zeit auf der Straße vielleicht sogar verdient habe. Eine Leuterung sozusagen. Ich hätte früher aussteigen, neu anfangen können. Aber ich war zu feige und ich wusste nicht, wie ich das meiner Familie hätte erklären sollte.“

Als die Sache mit dem Geld aufflog, erhielt Bernd umgehend die Kündigung, ein Strafverfahren und eine zweijährige Bewährungsstrafe. Bernd machte einen Therapie, einen Drogenentzug, doch der Kontakt zu seiner Familie war zerstört. Bis heute

„Ich weiß, dass ich großen Mist gebaut habe, dass ich an allem selbst schuld bin. Ich hätte auf meine Frau hören sollen, die schon früh gemerkt hat, dass mit mir etwas nicht stimmt, dass ich mich verändert hatte. Doch diese verdammten Drogen haben mich die Dinge eben anders sehen lassen. Die rosarote Brille. Du hältst dich am Ende für unverwundbar. Du denkst, du bist Superman und schaffst das.“

Bernd blieb am Ende nichts mehr. Weder Wohnung noch Familie und Geld hatte er. Auch keine Freunde mehr, die ihm hätten helfen können. Endstation Straße also. Mal lebte der 45jährige in einem verlassenen Bauwagen, in Obdachlosenunterkünften und im Sommer häufig in Parks in einem kleinen Zelt. Das, was Bernd sein Eigentum nennen konnte, trug er in einem schweren Travel-Rucksack auf seinen Schultern.

 

„Das war nicht viel. Das notwendigste, was man eben so zum Leben benötigt. Kleidung zum wechseln, ein paar alte Erinnerungsstücke, die ich nicht wegwerfen wollte. Die schlimmste Erfahrung aber war die Verachtung der Gesellschaft. Wenn du da am Tag in einer Einkaufspassage am Straßenrand sitzt. Die Leute, die an dir vorbei gehen, dich mit verachtenden Blicken anschauen, dann liest du in deren Gesichtern, dass du keiner mehr von denen bist. Sicher trage ich auch eine Mitschuld, aber es sind eben die Umstände, die einem im Leben oft keine andere Wahl lassen, wenn man die Komfortzone nicht verlassen will, um einen Neuanfang zu wagen. Wenn man das nicht will, schubst einem am Ende das Schicksal in diese Richtung und zieht die Notbremse“

Vom alten Leben ist Bernd nichts geblieben. Heute ist er froh, dass von dem nichts mehr übrig geblieben ist. Seine Frau und seine Kinder vermisst er natürlich, wie er mir vor einem halben Jahr schrieb. Bernd hat mittlerweile wieder Arbeit gefunden. Unter der Woche arbeitet er in einer Wäscherei, an den Wochenenden in einer Tankstelle. Von seinen Schulden ist er noch immer nicht runter. Aber es geht langsam wieder aufwärts. Ob er aber je wieder glücklich wird, das bezweifelt Bernd. Als nächstes will er versuchen, dass das mit seiner Familie wieder ins Lot kommt. Die Hoffnung jedenfalls hat er noch nicht aufgegeben.

Über eins aber ist sich der 45jährige heute im Klaren. Über sein Limit will er nie wieder gehen. Und Bernd weiß auch, dass der enorme Leistungsdruck am Ende den Mensch als Wrack zurück lässt. Ohne Rücksicht auf Verluste. Leistungsdruck fördert nicht, er vernichtet. Und eine Gesellschaft, die sich selbst nicht mehr im Griff hat, hat die Chance auf eine glückliche Zukunft ihrer Kinder und Enkel bereits verspielt.

Bleiben Sie aufmerksam!    

Literatur:

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Literatur:

Armut in Deutschland: Wer ist arm? Was läuft schief? Wie können wir handeln? von Georg Cremer

Beuteland von Bruno Bandulet

Wem gehört Deutschland?: Die wahren Machthaber und das Märchen vom Volksvermögen von Jens Berger

Geheimsache Staatsangehörigkeit: Freiheit für die Deutschen von Max von Frei

Quellen: PublicDomain/Frank Schwede am 20.08.2017

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