Es ist lange her. Ich bin noch keine 30 Jahre alt und stehe vor meinem ersten Karrieresprung in einem Chemiekonzern, dessen Namen viele Menschen kennen. Abteilungsleiter soll ich werden. Mein Vorgänger, ein Diplom-Ingenieur, steht vor dem Ruhestand. Nach dem Studium ist er im Alter von 25 Jahren in das Unternehmen eingetreten und hat dort 40 Jahre lang an verschiedenen Standorten gearbeitet.
Jetzt, kurz nach seinem 65. Geburtstag, ist ein Abschiedsempfang für ihn geplant. Der Personalchef informiert mich, dass der zuständige Ressortvorstand meinen Vorgänger verabschieden wird und ich als sein
Nachfolger auch ein paar Worte sagen soll. Von Wolfgang Berger.
Ich habe eine solche Situation noch nie erlebt und bin aufgeregt. Wer einmal in einem großen Konzern gearbeitet hat weiß, dass Vorstände so etwas wie Halbgötter sind. Ich denke lange nach, was ich sagen kann, und komme zu dem Schluss, dass es kurz sein muss und dass die Leute etwas zu lachen haben sollen. Wenn mir das gelingt, ist die Situation für mich gerettet.
Der leer geräumte Saal der Kantine ist für die Abschiedsfeier schön hergerichtet. Ich bin einer der Ersten, und in kurzer Zeit füllt sich der Raum mit vielleicht zweihundert Menschen. Die meisten von ihnen kenne ich. Alle plaudern locker und gut gelaunt miteinander, nur ich bin verkrampft. In Gedanken bin ich bei meiner kurzen Ansprache und kann mit niemandem reden.
Die entspannte Atmosphäre ändert sich schlagartig, als die Tür aufgeht, der Herr vom Vorstand hereinkommt und alle Blicke auf sich zieht. Er geht auf den Jubilar zu, ergreift dessen Hand und hält sie lange, so dass der Fotograf der Werkzeitschrift genug Zeit hat, das Bild festzuhalten. Anschließend beginnt er mit seiner Lobrede:
„Selten ist es mir vergönnt, einen so außergewöhnlichen Menschen und Mitarbeiter in den Ruhestand zu verabschieden. Es ist auch eine seltene Ehre für unser Unternehmen, dass jemand sein gesamtes Arbeitsleben – bei Ihnen ganze vier Jahrzehnte – nicht der Versuchung erliegt, es einmal woanders zu probieren. Wir kennen uns schon seit mehr als dreißig Jahren – Zeit genug, damit Vertrauen wachsen kann und Sie sich bei immer wieder neuen Herausforderungen haben bewähren können.
Immer sind Sie mit totalem Engagement Ihren wechselnden Aufgaben verpflichtet gewesen. Immer ist auf Sie Verlass gewesen. Immer haben Sie persönliche Interessen zurückgestellt. Immer sind Sie verfügbar gewesen, wenn wir Sie gebraucht haben.
Nur zwei Mal in vier Jahrzehnten sind Sie krank geworden. In dem Zweigwerk, in dem Sie vor vierzig Jahren begonnen haben, haben Sie Aufbauarbeit geleistet. Seit Sie Vorgesetzter sind, sind Sie für Ihre Mitarbeiter ein Vorbild, dem diese nacheifern.
Ich wünsche mir, dass viele unserer jungen Mitarbeiter Ihnen an Pflichterfüllung, an Disziplin und an Einsatz nacheifern. Sie sind ein außergewöhnlicher Mitarbeiter gewesen, ein außergewöhnlicher Vorgesetzter, und wir alle wissen: Sie werden eine
große Lücke hinterlassen, die schwer zu schließen ist. Sie werden uns allen sehr fehlen. Vielen, vielen Dank für alles und alle guten Wünsche für Ihre Zukunft in der Lebensphase, die Sie jetzt vor sich haben.“
Dann spricht der Personalchef kurz, und schon bin ich an der Reihe. Ich kann mir nicht vorstellen, vierzig Jahre bei derselben Firma zu bleiben. Ich bin noch nicht verheiratet und frage den Jubilar: „Haben Sie in diesen vierzig Jahren eigentlich nie an Scheidung (von der Firma) gedacht?“
Die Frage soll eine launische Bemerkung sein, und ich erwarte, dass darüber herzlich gelacht wird. Aber die Reaktion ist betreten. Einige schmunzeln verlegen, viele richten ihren Blick auf den Fußboden. Die Sache ist für mich danebengegangen. Ich trete verunsichert zur Seite und gebe das Wort weiter an meinen Vorgänger.
„Mein lieber junger Kollege Doktor Berger“, sagt er, „das ist eine interessante Frage.“ Und während sein Blick aus dem Fenster schweift, fährt er fort: „Wenn Sie mir diese Frage vor einigen Jahren – vielleicht auch noch vor einigen Monaten – gestellt hätten, hätte ich Ihnen wohl kaum ehrlich geantwortet. Heute ist mein letzter Arbeitstag, und wenn ich nachher hier herausgehe, bin ich ein freier Mann. Zum ersten Mal seit vierzig Jahren kann ich Ihnen also jetzt das sagen, was ich denke. Zum ersten Mal seit vierzig Jahren brauche ich keine Rücksicht mehr zu nehmen. Ich kann Ihnen deshalb Ihre Frage offen und ehrlich beantworten –und das ist für mich eine wunderschöne, neue Erfahrung: Wissen Sie, an Scheidung habe ich in diesen vierzig Jahren nie gedacht, aber an Mord.“
Der Jubilar entzieht sich den weiteren Gesprächen und verlässt die Feier mit einem stolzen Siegerlächeln. Die Wahrheit zu sagen befreit. Diese Befreiung ist ihm in diesem Augenblick ins Gesicht geschrieben.
Ich habe ihn seitdem noch zwei Mal in seinem Ferienhaus besucht. Dies war wohl der größte Augenblick in seinem Leben. Es scheint mir fast so, als habe er vier Jahrzehnte nur für diesen Augenblick gearbeitet und gelebt. Es war sein Befreiungsschlag, den ich ihm mit meiner im Grunde nicht ernst gemeinten Bemerkung ermöglichte.
Textprobe aus Wolfgang Berger`s Buch: „Anleitung zur Artgerechten Menschenhaltung“
ISBN 978-3-89901-641-3, € 12,95 [D], € 13,40 [A]
Bestellmöglichkeit: http://www.business-reframing.de/veroffentlichungen/buecher
Quellen: PublicDomain/Wolfgang Berger am 10.01.2017
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