Die Einfuhr und Züchtung von genetisch veränderten Organismen ist ab 2017 in Russland unter Strafe verboten. Wird das Land nun zum globalen Trendsetter für Bioprodukte?
Ende Juni verabschiedete die russische Staatsduma ein Gesetz, das die Züchtung und Verbreitung von genetisch veränderten Pflanzen und Tieren im gesamten Hoheitsgebiet verbietet.
Die Regierung kann zudem die Einfuhr von genmanipulierten Erzeugnissen nach Russland untersagen, sollte deren negativer Einfluss auf die Gesundheit und die Umwelt nachgewiesen werden.
Ab dem 1. Januar 2017 ist der Einsatz von Gentechnik nur noch im Rahmen von Expertengutachten und wissenschaftlichen Studien erlaubt. Bei Gesetzesverstößen drohen Amtspersonen Geldbußen in Höhe von 135 bis 680 Euro und juristischen Personen von 1 400 bis 6 800 Euro.
In Russland galt bereits ein Moratorium auf gentechnisch veränderte Organismen (GVO), eine Strafe war bisher jedoch nicht vorgesehen (Gentechnik-Verschwörung: E-Mails belasten Monsanto und Bayer).
Gut für die Bauern, schlecht für die Biologen
Russische Bio-Bauern begrüßten das neue Gesetz. Sie hoffen, ihren Marktanteil weiter steigern zu können. Dieser hat im Laufe des vergangenen Jahrzehnts deutlich zugenommen, liegt nach Angaben der Internationalen Vereinigung der ökologischen Landbaubewegungen (Ifoam) aber immer noch bei nur 0,1 Prozent.
Zum Vergleich: In den USA machen Produkte mit einem Biosiegel etwa 4,2 Prozent des gesamten Marktvolumens aus.
„Genmanipulierte Lebensmittel sind hervorragend geeignet, um den Welternährungsmarkt unter die Kontrolle von Großkonzernen zu bringen“, meint Boris Akimow, Gründer der Bauerngenossenschaft LavkaLavka. „Der US-Biochemieriese Monsanto zum Beispiel stellt 50 Prozent aller genetisch veränderten Samen her.“
Den Bauern, die glauben, dass Russland zu einem der weltweit größten Hersteller von Bio-Lebensmitteln aufsteigen kann, stehen russische Wissenschaftlerverbände entgegen (Russland kann Hauptlieferant reiner Bio-Lebensmittel weltweit werden).
Sie befürchten, dass mit dem Verbot der Genmodifikation in der Landwirtschaft nun die Erforschung der Genetik nutzlos werde. „Alle guten Genetiker werden einfach in den Westen auswandern“, warnt der Molekulargenetiker Stanislaw Polosow.
Pessimisten wie Polosow befürchten, dass Russland im Bereich der Biotechnologien hinter den weltweiten Spitzenreitern zurückbleiben könnte.
Die Trends vom Acker: Bio, Online, Regional
Den Großteil landwirtschaftlicher Erzeugnisse stellen in Russland Großbetriebe her. Doch sie bekommen Konkurrenz von Kleinunternehmern, die auf echte Biostandards setzen (Russland: Ab sofort ein Hektar Land gratis für Bürger im Fernen Osten).
Bauernkooperative LavkaLavka
Die eigenen Produkte an den Kunden zu bringen ist für russische Landwirte das größte Problem. Denn für Werbung fehlen Bauern häufig Mittel und Zeit. Also verkaufen sie ihre Ware an einen Zwischenhändler und nehmen die Preisabschläge in Kauf. Dabei gibt es inzwischen Alternativen.
Das Internetportal „LavkaLavka“ zum Beispiel. Hier können Landwirte ihre Erzeugnisse persönlich anbieten, die dem Kunden nach Bestellung bis zur Haustür geliefert werden. Das Angebot ist vielfältig: Gemüse der Saison, Fleisch, Milchprodukte, frischgebackenes Brot, hausgemachte Süßigkeiten.
„Eigentlich ist es weniger ein Shop denn ein soziales Netzwerk. Hier kommen Produzenten und Verbraucher in Kontakt“, erklärt Projektgründer Boris Akimow, der mit dem Portal kein geringes Ziel anstrebt: „So soll in Russland und in der Welt eine neue landwirtschaftliche und gastronomische Kultur entstehen.“
Vor sechs Jahren hatte der Journalist die Idee, einen kleinen Onlineshop für Bio-Lebensmittel zu eröffnen. Freunde und Verwandte waren seine ersteZielgruppe. Passende Produzenten zu finden, war anfangs aber gar nicht so einfach: „Bauern ausfindig zu machen war wirklich schwierig. Selbst auf den Straßenmärkten verkauften überwiegend Zwischenhändler. Und die wenigen Landwirte, die wir fanden, begegneten unserer Idee mit einer gehörigen Portion Skepsis.“
Sie verstanden zunächst nicht, wie das System funktioniert. „Auf unserer Webseite erhält jeder Landwirt einen persönlichen Account mit einer Shop-Funktion, über die Besucher Lebensmittel bestellen und nach Hause liefern lassen können“, erklärt Akimow. Mit der Zeit wuchs das Vertrauen. Inzwischen gehören 120 Landwirte zu Lavka, das inzwischen auch sechs stationäre Lädeneröffnet hat.
Russischer Parmesan
Käseimporte nach Russland sanken 2015 im Vergleich zum Vorjahr um mehr als das Neunfache – von 385 auf 41 Tonnen –, die Produktion in Russland stieg um ein Viertel an. Nach der Verhängung des Importverbots im August 2014 kommen nun Mozzarella aus der Region Moskau und andere Käsesorten in die Supermarktregale.
Doch zwischen den traditionellen Käsesorten aus dem Ausland und dem Käse russischer Massenhersteller stellen Verbraucher geschmackliche Unterschiede fest. „Es fehlt an hochwertigen Zutaten, an guter Milch. Manche Hersteller verwenden sogar Palmöl“, kritisiert der Vorsitzende des Milchproduzentenverbands Andrej Danilenko.
Käse herzustellen, der europäischen Sorten hinsichtlich Zutaten und Produktionstechnologie in nichts nachsteht, war das Ziel von Oleg Sirota. Dafür verzichtete er auf seine IT-Karriere, verkaufte seine Moskauer Wohnung und gründete mit dem Erlös die Käserei Russkij parmesan bei Moskau.
Der erste hergestellte Käse war ein Mozzarella, demnächst startet der Verkauf von Parmesan. Zudem stellt der Landwirt Joghurt her. Beim Aufbau seines Geschäfts half der Käsemacher Sergej Nedoresow, der über zehn Jahre Berufserfahrung in Europa verfügt.
Die Milchknappheit sei in der Tat ein Problem: „Die Viehzucht ist in Russland seit 200 Jahren auf den Fettgehalt ausgelegt. Die Butterherstellung hattePriorität. Probleme gibt es mit dem Eiweiß und der Hygiene. Russische Normen sind lockerer, als es die Herstellung von Qualitätskäse verlangt“, erklärt der Landwirt. Ein Bauer mit der richtigen Milch konnte schließlich dennoch gefunden werden. Nur machen es die schlechten Dorfstraßen schwer, ihn mit dem Milchtransporter zu erreichen. Um Milchlieferungen zu beschleunigen, sucht Oleg Sirota jetzt nach einem neuen Fahrzeug.
Die Bio-Gemüsefarm von Iwan Nowitschichin
Der ökologische Anbau ist für viele russische Bauern ein neuer Trend, der beim Pflanzenschutz modernere Technologien erfordert. Iwan Nowitschichin aus der Region Krasnodar erhielt als erster russischer Gemüsebauer ein Bio-Siegel der Europäischen Union und gilt daher als Russlands Bio-Pionier.
Von Beruf ist er Bauingenieur. In einem Dorf geboren, zog er für das Studium in die Großstadt. Doch er wollte zurück, obwohl Freunde und Bekannte kein Verständnis dafür zeigten – viele verbinden mit einem Umzug aufs Land eine Verschlechterung ihrer Lebensqualität. Das war Iwan Nowitschichin egal – 2013 begann er mit seinem eigenen Gemüseanbau.
Am Ackerbau verdienen in der Region Krasnodar viele – Agrarholdings wie Kleinbauern. Am beliebtesten ist der Kartoffelanbau nach bewährter Methode: Reichlich mineralischer Dünger sorgt für höhere Erträge.
Iwan hingegen folgt den Grundsätzen der biodynamischen Landwirtschaft: Schädlinge werden nicht durch Chemie, sondern von anderen Insekten vernichtet, die Böden werden schonend aufbereitet.
Unterstützung erhielt er keine: „Diese Anbaumethode ist arbeitsintensiver, bei geringerem Ertrag. Viele zeigten mir einen Vogel und sagten: So gehst du bald vor die Hunde.“ Mit seiner Familie und den Angestellten bewirtschaftet er heute 30 Hektar Land und baut 16 Gemüsearten an.
Das Bio-Siegel habe geholfen, seine Produkte als eine Besonderheit zu positionieren: „Wie willst du sonst zeigen, dass deine teuren Kartoffeln besser sind als die billigeren des Nachbarn?“
Literatur:
Schwarzbuch Markenfirmen: Die Welt im Griff der Konzerne von Hans Weiss
Unser tägliches Gift: Wie wir uns langsam aber sicher vergiften von Dr. Elena Krieger
Tödliche Ernte: Wie uns das Agrar- und Lebensmittelkartell vergiftet von Richard Rickelmann
Quellen: PublicDomain/de.rbth.com am 13.07.2016
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