Der Weltraum steckt auf ewig voller Rätsel und Überraschungen. Auch die Fachwelt fischt hier oft im Trüben. Unsere Wissenschaft steckt immer noch in ihren Kinderschuhen, während die Natur ständig mit neuen Phänomenen aufwartet. Wie lange kann der menschliche Geist noch »mithalten«?
Merkwürdige Quantenzustände, exotische Materieformen, neue Eigenschaften des Lichtes, unbekannte Kräfte.
Entdeckungen und Theorien überschlagen sich förmlich. Neue Fragen stehen an der Tagesordnung. Erstaunlich, dass die Forschung überhaupt so weit in die Geheimnisse des Universums vordringen konnte. Selbstverständlich hatte das seinen Preis.
Der Aufwand in Theorie und Praxis wird immer gewaltiger. Aber längst nicht alle rätselhaften Beobachtungen haben mit komplexen Vorgängen und Experimenten zu tun. Was beispielsweise die Geschichte des vermutlichen Kleinstplaneten »« betrifft, so begann alles eher ziemlich unspektakulär.
Am 6. November 1991 entdeckte der bekannte amerikanische Astronom und »Asteroidenjäger« James V. Scotti vom Steward Observatory an der Universität Arizona einen lichtschwachen Himmelskörper, der sich auffallend schnell durchs Bildfeld bewegte. Ganz offenbar ein erdnaher Asteroid.
Tatsächlich zog das Objekt damals in lediglich 450 000 Kilometer Entfernung an unserem Planeten vorbei, also nur wenig außerhalb der Mondbahn. Kosmisch gesehen ist das sehr nah. Die engste Annäherung fand damals im Dezember 1991 statt. Bei der Bahnanalyse fiel bald eine Besonderheit auf: Der Himmelskörper folgte einem sehr erdähnlichen Orbit. Außerdem fiel auf, dass jenes »neue« Objekt seine Helligkeit schnell veränderte, was auf eine entsprechend zügige Eigendrehung hinwies.
Bei einem kugelförmigen Körper würde sie sich nicht durch solche Lichtwechsel bemerkbar machen, kleine Weltraumbrocken sind allerdings fast ausnahmslos unregelmäßig geformt. Und angesichts seiner geringen Helligkeit schien 1991 VG nicht größer als etwa zehn Meter zu sein.
Trotzdem blieb dieses Ding rätselhaft – einmal wegen seiner rapiden Rotation, aber dann auch wegen seiner offensichtlichen Langlebigkeit. Denn normalerweise wäre das glatte Gegenteil zu erwarten: Bewegt sich ein Objekt entlang der Erdbahn, kommt es entweder zu einer Kollision mit unserem Planeten oder die irdische Schwerkraft schleudert den kleinen »Eindringling« auf eine veränderte Umlaufbahn.
Eine natürliche Erklärung für die erdähnliche Bahn war schwierig. Vielleicht wurde der Brocken bei einem größeren Einschlag auf dem Mond freigesetzt oder geriet durch nicht-gravitative Kräfte auf seinen ungewöhnlichen Kurs. Aber diese Erklärungen sind kaum befriedigend.
Was also mochte das Geheimnis dieses kleinen Objekts sein? Duncan Steel, ein renommierter britischer Astronom, brachte den exotischen Gedanken ins Spiel, es könne sich dabei um eine »fremde Raumsonde handeln, die in der Nachbarschaft unseres Planeten gesichtet wurde«.
Und mit fremd meinte Steel wirklich fremd – nicht irdischen Ursprungs, aber dennoch künstlich. Demnach also nicht von Menschenhand geschaffen. Damit brachte er selbstredend buchstäblich einen Stein ins Rollen. Nun war sein eigentliches Anliegen, diese Hypothese lediglich anzusprechen, um sie mit einigen wenigen Erläuterungen als unzutreffend zu widerlegen. Doch immer wieder wurde er damit zitiert, einen künstlichen außerirdischen Ursprung vorgeschlagen zu haben.
Unabhängig von Steels eigentlicher Interpretation musste diese These grundsätzlich so falsch gar nicht sein. Da geriete es eher zum fatalen Vorurteil, die prinzipielle Möglichkeit von vornherein ausklammern zu wollen. In den vergangenen Jahren haben viele ausgebildete Wissenschaftler über die Präsenz nicht-irdischer Artefakte im Sonnensystem nachgedacht.
Da wurden in Anlehnung an SETI, jener Suche nach extraterrestrischer Intelligenz, sogar neuartige Forschungsprogramme vorgeschlagen, um nach nichtmenschlichen Artefakten auf der Erde und auf anderen Welten zu fahnden (SETA), speziell auch auf dem Mond (SAAM).
Niemand kann heute ermessen, welche Zivilisationen möglicherweise noch in der Galaxis existieren, die uns um Äonen voraus sind. Viele neue Entdeckungen lassen solche Szenarien immer wahrscheinlicher werden. Nichts daran ist weit hergeholt. Die immer noch weitgehend in präkopernikanischen Denkmustern gefangene Gesellschaft muss sich lediglich daran gewöhnen. Nur, an Beweisen mangelt es eben. Und von Glaubenssätzen wird die Wissenschaft nicht klüger.
Häufig, wenn auch nicht immer, sind natürliche Ursachen wahrscheinlicher als die Annahme, es unmittelbar mit Manifestationen einer außerirdischen Intelligenz zu tun zu haben – wobei auch diese genau genommen sehr natürlichen Ursprungs sein dürften.
Jedenfalls gehen Forscher in aller Regel doch lieber erst einmal auf die Suche nach »natürlichen Ursachen«, wobei aufgeschlossene Geister wie der russische Radioastronom Alexeji Arkhipow durchaus davor warnen, dieses Prinzip könne auch überstrapaziert werden: Man will eine natürliche Ursache finden, also bastelt man selbst das unwahrscheinlichste Szenario zusammen, um diese Vorgabe zu erfüllen, während die Ursache faktisch vielleicht schon längst am besten durch eine Fremdintelligenz erklärbar wird.
Wie auch immer: im Fall von 1991 VG wurde die Idee geäußert, es könne sich zwar um ein künstliches Objekt handeln, allerdings durchaus irdischen Ursprungs. Beispielsweise ein alter Treibstofftank, der Raketenkörper eines Satellitenstarts in den 1970er-Jahren, ein Überbleibsel der Apollo-12-Mission oder das Relikt einer alten russischen Geheimmission im Weltraum.
Oder aber es ist doch nur ein kleiner, verbummelter Asteroid.
Seit der Zeit seiner Entdeckung wurden viele Mini-Asteroiden entdeckt, die sich sehr schnell um ihre eigene Achse drehen. Es sind monolithische Körper mit stabiler Struktur, die eine derart rapide Rotation überstehen.
Eine Analyse der Bahndaten lieferte Scotti den Hinweis, dass 1991 VG schon wenige Jahre zuvor einmal nahe an der Erde vorbeigezogen war – im März 1975.
2017 wird es wieder soweit sein. Vielleicht wird sich dann auch herausstellen, worum es sich bei dem rätselhaften Besucher wirklich handelt!
Literatur:
Zurück vor den Urknall: Die ganze Geschichte des Universums von Martin Bojowald
Die unglaubliche Reise ins Universum (Die „Universum“-Reihe (Kinderbücher), Band 2) vonLucy Hawking
Die Entschlüsselung des Universums: Der Schlüssel kam zur rechten Zeit von Nassim Haramein
Nachbarn im Kosmos. Leben und Lebensmöglichkeiten im Universum von Carl Sagan
Quellen: PublicDomain/info.kopp-verlag.de am 02.06.2016
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