Es sind viele Kinder, die Rat suchen bei den telefonischen Krisenberatungen. Der Grund: Ihr mit Schule und aktiver Freizeit durchgeplanter Kalender lässt keine Luft mehr zum Atmen. Das eigentliche Problem liegt aber woanders.
Anna ist neun Jahre alt und hat keine Freunde. Als sie beim Sorgentelefon für Kinder anruft, ist sie sehr traurig. «Frag doch mal das Mädchen, das mit dir am Pult sitzt, ob ihr nach der Schule zusammen spielen könnt», empfiehlt die Beraterin. «Das habe ich schon, aber sie will nicht», sagt Anna. «Sie meint, ich hätte sowieso nie Zeit.»
Im Verlauf des Gesprächs zeigt sich, dass Anna in den Flötenunterricht geht und ins Handballtraining. Am Samstag ist sie bei den Pfadfindern, und jeweils am Sonntag besucht die Familie die Grosseltern. «Vielleicht könnt ihr ja mal vor dem Training abmachen», sagt die Beraterin (Die Wörtermörder wollen den lieben alten »Kindergarten« umbringen).
Das gehe nicht, meint Anna. Dann müsse sie Aufgaben machen – und Flöte üben.
Tanzen für die Mutter
Anna, die eigentlich anders heisst, ist nur eines von 7600 Kindern, die in den Jahren 2014 und 2015 beim Sorgentelefon für Kinder Rat gesucht haben. Im neusten Jahresbericht legt die Organisation den Schwerpunkt auf den alltäglichen Stress der Kinder. Zuhauf berichten diese von Erschöpfung durch unzählige Kurse, die sie in ihrer Freizeit absolvieren.
So tanzt ein Mädchen regelmässig Ballett, ihrer Mutter zuliebe, weil diese die Lehrerin gut kennt und darauf besteht, dass die Tochter das durchziehe. Die Motive solcher Eltern sind im Grundsatz löblich: Sie wollen ihrem Nachwuchs die besten Voraussetzungen bieten für die Zukunft.
Meist geht es auch nicht lange, bis ein vielbenutzter Begriff fällt: «Kindswohl». Ein grosses Wort. Begründung für (fast) alles, Berechtigung und Legitimation für das eigene Verhalten als Erziehungsberechtigter (Eure Kinder sind nicht Eure Kinder! Wonach sich Kinderseelen sehnen (Videos)).
Nicht selten aber werden viel eher die eigenen Ansprüche und Erwartungen der Erwachsenen auf die Kinder übertragen. Der dänische Familientherapeut Jesper Juul stellt in seinem neuen Buch «Leitwölfe sein» fest:
«Statistisch gesehen geschehen nur etwa dreissig Prozent dessen, was wir als Eltern sagen und tun, in der Absicht, dem Kindeswohl zu dienen. Die restlichen siebzig Prozent bedienen unser Image, unser Ego und unser Selbstbild.» (Ohne Moral: Religion macht Kinder unsozialer)
Beziehen Eltern ihr Selbstwertgefühl aus den Leistungen ihrer Kinder, hat das Folgen. So stellt die Jugendorganisation Pro Juventute einen hohen Druck auf die Kinder fest. Der zuständige Kinderpsychologe Urs Kiener sagt: «Bei unserer Telefonberatung beobachten wir eine Zunahme von Gesprächen über tiefe Krisen.»
Die Kinder und Jugendlichen sprächen von Angstzuständen und persönlichen Problemen. Das zeigen die noch unveröffentlichten Jahreszahlen 2015 der Beratungsnummer 147, welche in einigen Wochen erscheinen (Ein schwedischer Pädagoge hat eine Botschaft an alle überfürsorglichen Eltern).
Angst vor dem Stillstand
Frage man die Kinder, fühlten sie sich selten unbeschwert, sagt Kiener. Sie empfänden grossen Stress. In der Schule durch den Leistungsdruck, daneben durch das Überangebot an Aktivitäten: Judo, Fussball, Reiten, Instrumente spielen. Heute wird selbst in der Freizeit andauernd konsumiert, eine Folge des gestiegenen Wohlstands.
Die permanente Erreichbarkeit hat durch die Verbreitung von iPods und Smartphones schon die meisten Grundschüler erreicht. Und das Hamsterrad dreht sich schneller, immer schneller. Dadurch wächst die Angst vor der Ruhe. Stillstand ist negativ besetzt (Kinder verbringen heute weniger Zeit an der frischen Luft als Häftlinge).
Nicht selten äussert sich die Belastung dann in Problemen mit dem eigenen Erscheinungsbild.
Körperliche Symptome sind bei kleineren Kindern Bauchschmerzen, bei älteren Kopfschmerzen und Schlafprobleme, manchmal auch Magersucht oder Übergewicht. Beim Sorgentelefon rät man Eltern, Pausen zu schaffen.
Und sich folgende Fragen zu stellen: Was bedeutet für mich Luxus? Die Anerkennung, die man erfährt, wenn man überall dabei ist? Wenn man gelobt wird, weil das Kind in Vereinen dabei ist und mehrere Instrumente spielt?
Luxus könne doch auch bedeuten, sich hin und wieder einen Tag freizuhalten für das Nichtstun. Dies sei zwar eine Herausforderung und nicht einfach zu planen. Die Kinder würden es danken. Denn sie ahmen ihre Vorbilder nach, und das sind in erster Linie die Eltern (Gesellschaft: Narzissmus ist Erziehungssache).
Strategien für mehr Gelassenheit
Dauerhafte Rastlosigkeit ist gefährlich. Kinderpsychiater und Berater des Sorgentelefons empfehlen Eltern folgende Hilfen für ihre Kinder:
■ Zuhören ist besonders wichtig, weil Kinder ihre Probleme selten sofort benennen können.
■ Wiederholungen geben dem Nachwuchs Sicherheit und verjagen das schlechte Gewissen, wenn wir uns nicht immer dem Neuen widmen.
■ Leere Seiten im Kalender sind schwer zu planen, aber unerlässlich.
■ Weniger Auswahl bieten, denn je mehr Optionen vorhanden sind, desto stärker steigen der Druck und das Gefühl, etwas Falsches ausgesucht zu haben.
■ Wider das Multitasking: Dieses führt zu Überforderung und legt die Konzentrationsfähigkeit längerfristig lahm – bei Gross und Klein.
■ Ruhe zum Teilen: Je jünger ein Kind, umso stärker nimmt es die Befindlichkeit der Erwachsenen auf. Versuchen Sie, intuitiv zu handeln und sich nur einer Sache aufs Mal zu widmen.
Literatur:
Kinder! Kinder!. Wonach sich Kinderseelen sehnen von Robert T. Betz
Gib deinen Kindern Flügel: Liebevolle Weisheiten für Eltern von Khalil Gibran
Befreie und heile das Kind in dir: Geführte Meditation zur Verwandlung deines inneren Kindes von Robert Th Betz
Unsere Kinder: Spiegel, Lehrer und Führer – Vortrag Doppel-CD: Wie wir Kinder besser verstehen und ihnen gute Wegbegleiter sein können von Robert Theodor Betz
Quellen: PublicDomain/nzz.ch am 16.05.2016
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