In den Feuchtgebieten Südamerikas erscheinen einige Landstriche wie von Menschenhand geformt: Große Erdaufschüttungen, einige bis zu fünf Meter breit und zwei Meter hoch, verteilen sich in überraschender Regelmäßigkeit oft dicht an dicht über weite Flächen der wasserreichen Llanos Kolumbiens und Venezuelas.
Die eindrucksvollen Hügel wurden erstmals in den 1940er-Jahren gesichtet. Doch viel mehr, als dass sie ein natürliches Phänomen sind, hat man in den zurückliegenden fast 80 Jahren nicht über sie herausgefunden.
Das mag zum Teil auch daran liegen, dass sich das wissenschaftliche Interesse an den im Spanischen „Surales“ genannten Erdhügeln bisher in Grenzen hielt (Bild: Oft zeigen sich die Buckel dicht bewachsen und eng beieinander stehend, wie auf Luftaufnahmen (unten) der Wissenschafter zu sehen ist).
Um diese Lücke zumindest zu verkleinern und dem mysteriösen Urheber der Formationen auf die Schliche zu kommen, hat nun ein internationales Team von Geoökologen, Biologen und Chemikern ein ganzes Arsenal an Forschungsmethoden aufgefahren: Die Wissenschafter setzten auf Satellitenbilder und Luftaufnahmen ebenso wie auf chemische und physikalische Laboranalysen und nicht zuletzt auf harte Feldarbeit in den unwirtlichen Sümpfen.
Haufenweise Wurmdreck
Und die Mühe dürfte sich gelohnt haben. Den Forschern um Anne Zangerlé von der Technischen Universität Braunschweig ist es gelungen, die Baumeister der Surales zu identifizieren: Es handelt sich um simple Regenwürmer – und sie errichten die Hügel zum Großteil aus ihren Exkrementen.
Die Hauptarbeit leistet dabei ein Wurm der Gattung Andiorrhinus. Über 90 Prozent der Wurmbiomasse in der Umgebung der Surales gehen auf sein Konto. Die Würmer finden in den saisonal überfluteten Feuchtsavannen einen reich gedeckten Tisch, denn ihre Hauptnahrungsquelle besteht aus verrottenden Pflanzenresten. Anstatt den dabei am anderen Wurmende anfallenden Humus an Ort und Stelle auszuscheiden, bringen ihn die Tiere immer zum selben Ort – eine Art gemeinschaftliche Wurmtoilette also.
Die Forscher konnten beobachten, wie diese anfänglich kleinen Haufen zu regelrechten Türmen heranwuchsen. Aus diesen wiederum wurden schließlich die charakteristischen Hügel. Doch selbst an diesem Punkt ist das Wachstum einiger Surales noch nicht zu Ende (Naturphänomen: Dieser Wasserfall ist des Teufels (Video)).
Liegen zwei der Hügel eng beieinander, können sie zu noch größeren Exemplaren verschmelzen. Der Anteil an Wurmausscheidungen beträgt selbst bei diesen alten, ausgewachsenen Surales bis zu 50 Prozent. „Mit unseren Ergebnisse können wir nun erstmals nachvollziehen, wie diese einzigartigen Landschaften entstanden sind“, sagt José Iriarte von der University of Exeter, der an der im Fachjournal „Plos One“ präsentierten Studie beteiligt war.
(Die mysteriösen meterhohen Aufschüttungen in den südamerikanischen Feuchtsavannen sind nichts anderes als vielbenutzte Wurmtoiletten)
Bedrohtes Ökosystem
Das Wissen um die ökologische Bedeutung der Surales sei auch dringend nötig, betonen die Forscher. Die gesammelten Daten würden wesentlich dabei helfen, die vielschichtige Welt der Llanos und ihre Hügel aus Wurmexkrementen besser zu schützen. Iriarte befürchtet allerdings, dass es dafür bereits zu spät sein könnte:
Die rasante Ausbreitung der industriellen Landwirtschaft in Südamerika zerstört das empfindliche Ökosystem der wasserreichen Ebenen schneller, als man es erforschen kann (Heilige Geometrie: Die Sprache der Natur (Videos)).
Literatur:
Katastrophenalarm!: Was tun gegen die mutwillige Zerstörung der Einheit von Mensch und Natur? von Stefan Engel
Die Blume des Lebens in dir von Andreas Beutel
Aus kontrolliertem Raubbau: Wie Politik und Wirtschaft das Klima anheizen, Natur vernichten und Armut produzieren von Kathrin Hartmann
Quellen: PublicDomain/derstandard.at am 12.05.2016
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