Die Agentur Associated Press (AP) hat in den 1930er Jahren offiziell mit den Nazis kooperiert und US-Zeitungen mit Material versorgt, das vom Propagandaministerium in Berlin verfasst bzw. ausgewählt wurde.
Zu diesem Schluss gelangte die deutsche Historikerin Harriet Scharnberg nach Studium von Archivmaterial, berichtete „The Guardian“ am Mittwoch.
In einem in der Zeitschrift Studies in Contemporary History veröffentlichten Beitrag schrieb Scharnberg, dass sich AP dank dieser gegenseitig vorteilhaften bilateralen Kooperation mit dem Nazi-Regime Zugriff zu Informationen sichern konnte.
Die AP, die sich als „Korps der Marineinfanterie der Journalistik“ bezeichnet („immer als erste kommen und als letzte gehen“), war die einzige westliche Nachrichtenagentur, die in Hitler-Deutschland nicht geschlossen wurde. Sie war im Land aktiv, bis die USA 1941 in den Krieg eintraten, hieß es in dem Beitrag (Geschäft mit Hitler: 11 deutsche Unternehmen und ihre dunkle Nazi-Vergangenheit).
Den Angaben zufolge hatte die Agentur mit Sitz in New York das so genannte redaktionelle Gesetz unterschrieben. Demnach versprach die AP, weder im In- noch im Ausland Material zu veröffentlichen, das die Stärke des Reichs beeinträchtigen könnte.
Dieses Gesetz verpflichtete die AP, Journalisten einzustellen, die für die Propagandaabteilung der Nazi-Partei tätig waren. Ein in den 1930er Jahren von AP engagierter Bildreporter – Franz Roth — war Mitglied der Propagandaabteilung der Schutzstaffel SS, dessen Bilder Hitler persönlich (zur Publikation) freigab.
Die AP entfernte Roths Bilder von ihrer Website, als Scharnberg das von ihr entdeckte Archivmaterial publik gemacht hatte. Die Agentur genehmigte dem Nazi-Regime ferner, ihre Bildarchive für die antisemitische Propaganda zu nutzen, darunter für die SS-Broschüre „Der Untermensch“ und für die Broschüre „Die Juden in USA“, schrieb „The Guardian“.
„Statt Bildern von tagelangen Pogromen in Lwow (Lemberg), denen tausende Juden zum Opfer fielen, erhielt die US-Presse ausschließlich Fotos von Opfern der Sowjets und ‚gnadenloser‘ Kriegsverbrecher der Roten Armee“, sagte Scharnberg dem Blatt. Einem offiziellen AP-Vertreter zufolge weist die Agentur Erklärungen zurück, wonach sie freiwillig mit dem Nazi-Regime kooperiert hat.
Beispiele für die „Fratze des Bolschewismus“
Scharnberg kann in ihrer Untersuchung zur Rolle von AP im Dritten Reich („Das A und P der Propaganda“, Zeithistorische Forschungen 13, 2016, Heft 1) das erstaunliche, bis zum US- Kriegseintritt 1942 reibungslose geschäftliche Wechselspiel zwischen der deutschen Diktatur und der New Yorker Nachrichtenfirma nachzeichnen.
Besagter Roth lieferte nicht nur Fotos von Leichen, sondern auch verhärmte Porträts sowjetischer Kriegsgefangener, die als Beispiele für die „Fratze des Bolschewismus“ tausendfach reproduziert wurden.
Einige von ihnen schafften es auch auf die von heiteren Konsumanzeigen gepflasterten Seiten amerikanischer Illustrierter. Dort erhielten sie zwar distanzierende Unterschriften („russische Menschen, für die es laut deutscher Propaganda nicht zu kämpfen lohnt“), doch welche Wirkungen diese Text-Bild-Kombinationen wirklich hatten, lässt sich kaum ermitteln (Internationale Allianz mit Hitler – Teil 4: Die Sowjet-Connection (Video)).
Die deutsche Bildabteilung von AP war die einzige nichtdeutsche Agentur, die sich 1935 dem „Reichschriftleitergesetz“ unterwarf, das Bildredakteure und Fotografen wie Textjournalisten verpflichtete, aus den Zeitungen fernzuhalten, „was geeignet ist, die Kraft des Deutschen Reiches nach außen oder im Innern, den Gemeinschaftswillen des deutschen Volkes, die deutsche Wehrhaftigkeit, Kultur oder Wirtschaft zu schwächen“. Juden wurden entlassen oder versetzt. Die Loyalität galt fortan nicht nur der Firma, auch dem Reich.
Der Deal zwischen der AP-Tochter und dem Regime war, wie Scharnberg zeigen kann, für beide Seiten vorteilhaft: AP konnte als einzige internationale Agentur (vorzensiertes) Bildmaterial aus Deutschland liefern; die deutsche Presse wiederum konnte sich am amerikanischen Fundus bedienen und bekam so einen Anstrich von Internationalität und Objektivität.
Schmallippiges Statement von AP
Das führte zu der bizarren Tatsache, dass einige der weitverbreitetsten antisemitischen Hetzschriften der Nazis zu großen Teilen mit AP-Materialien illustriert wurden. So zeigte „Die Juden in USA“ 1939 ein AP-Foto des jüdischen New Yorker Bürgermeisters Fiorello LaGuardia, und zwar beim Essen mit den Fingern.
Zur gleichen Zeit war es verboten, „Mitglieder der Reichsregierung an gedeckten Tischen, vor Flaschenbatterien u.ä. zu zeigen“, denn „die Minister nehmen aus internationaler Höflichkeit oder aus streng dienstlichem Anlass an gesellschaftlichen Veranstaltungen teil, die sie lediglich als Pflicht, nicht als Genuss auffassen“, wie es in der Verordnung des Propagandaministeriums hieß (»Hexen-Bibliothek« von Nazi-Führer Himmler in Prag entdeckt).
Scharnbergs Studie hat nicht nur ein Echo in Guardian, New York Times und anderen Medien gefunden, sondern am Mittwoch auch AP zu einer kurzen Stellungnahme veranlasst: Scharnbergs Forschung beschreibe „Einzelpersonen und deren Handlungen vor und während des Kriegs, die AP nicht bekannt waren, mit dem Ergebnis, dass AP Dokumente und anderes Material in und außerhalb der Firmenarchive von AP in den Vereinigten Staaten und außerhalb prüft, um zu einem besseren Verständnis dieser Periode zu gelangen“. (Internationale Allianz mit Hitler und Nazi-Deutschland – Teil 1: Die USA Connection)
Diese Schmallippigkeit hat ihren Grund: Seit 2012 unterhält Associated Press als erste westliche Agentur ein Büro in Nordkorea. Der Guardian vermutet dahinter Absprachen, die dazu führten, dass AP aus Pjöngjang weder über die nordkoreanische Hungerkrise von 2012 noch über das Verschwinden von Staatschef Kim Jong-un aus der Öffentlichkeit 2014 berichtete. Nachrichten aus und über Diktaturen bleiben heiße Ware.
„Die neuen Angaben könnten nicht nur für Historiker vom Interesse sein… Aber die Beziehungen der AP zu totalitären Regimes werden seit kurzem wieder unter die Lupe genommen… Es erhebt sich die Frage, ob AP-Publikationen aus Nordkorea tatsächlich unparteiisch sind“, schrieb „The Guardian“.
Literatur:
Die Rothschilds: Eine Familie beherrscht die Welt. von Tilman Knechtel
Hitlers Flucht Geheime Reichssache von Sven Peters
Hitlers amerikanische Lehrer: Die Eliten der USA als Geburtshelfer der Nazi-BewegungvonHermann Ploppa
Verschwiegene Schuld: Die alliierte Besatzungspolitik in Deutschland nach 1945 von James Bacque
Quellen: PublicDomain/de.sputniknews.com/SZ/zeithistorische-forschungen.de am 30.03.2016
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