Not macht erfinderisch: da stark belastete und häufig baufällige Straßen, Brücken und Tunnels eine Menge Geld kosten, die Kassen aber nicht wirklich gefüllt sind, lassen sich Politiker wie der Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt gern zu kreativen Ideen verleiten.
Geht es nach Dobrindt, werden demnächst alle Autobahnen und womöglich auch Bundesfernstraßen in einer privatrechtlichen Bundesgesellschaft für Bau, Betrieb und Finanzierung gebündelt. Klingt zunächst recht vernünftig, ist es aber nicht.
Mit der privatrechtlichen Deutsche Autobahn AG soll der Bund angeblich das Verkehrsnetz transparenter planen und bewirtschaften können und länderübergreifende Vorhaben besser bündeln. Vor allem die aktuellen Probleme bei der Verteilung der Steuergelder sollen behoben werden (Unaufhaltsamer Zerfall: 12.000 deutsche Brücken von akutem Verfall bedroht).
Denn anders als man zunächst annehmen möchte, mangelt es nicht etwa an Steuereinkünften, sondern vor allem an der effektiven Verteilung der Gelder in sinnvolle Planungen und notwendige Projekte.
Notwendig wären dafür umfangreiche Änderungen von Gesetzen, Haushaltsregeln und administrativen Abläufen. Rechnet man hier die später erhoffte Verschlankung der Bürokratie gegen, kommt man vielleicht auf einen Effizienzvorteil. Vielleicht aber auch nur auf ein Nullsummenspiel, so genau weiß das wahrscheinlich niemand.
Fest steht nur, wer den Spaß bezahlen soll: der Steuerzahler und die Verkehrsteilnehmer.
Denn die scheinbar abgeschmetterte PKW-Maut wird im Zuge der Verkehrsprivatisierung erneut aufs Tableau kommen. Alles in allem wird Otto-Normalverbraucher hier in etwa ähnliche Vorteile und Verbesserungen genießen wie im Falle der börsenfit gesparten Deutschen Bahn …
Wenn überhaupt, denn Dobrindt will mit dem Privatisieren schon gleich bei der Kreditaufnahme anfangen:
„Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) will Bau und Sanierung von Fernstraßen privatisieren. Eine “Autobahn-AG” soll sich bei Konzernen Geld leihen. Doch Allianz, Deutsche Bank und Co. wollen dafür statt der üblichen 0,5 Prozent bis zu 4 Prozent Zinsen kassieren. Den dicken Konzernbonus bezahlen wir – über Steuern und Lkw-Maut.“
Das Ganze riecht auch deshalb nach Klientelpolitik, weil laut der Orgaisation Campact die Rechnungsprüfer des Bundes festgestellt haben, dass diese Maßnahme ineffizient und teuer werden dürfte:
„Unterm Strich bleibt kaum Geld für Investitionen. Die Folge: mehr Schlaglöcher, mehr Staus.“ Mit dem Straßenbau schanzt Dobrindt der Finanzwirtschaft, insbesondere den Versicherungen, neue Geschäftsfelder zu.
Leider geht diese Großzügigkeit auf Kosten des Gemeinwesens, da der Staat sich seine Kredite für Verkehrsprojekte zu Zinsen von 0,5% besorgt, während die künftige Privatgesellschaft ein Mehrfaches davon an die Finanzwirtschaft berappen würde.
Nebenbei entsteht dadurch ein Schattenhaushalt, durch den die wachsende Verschuldung des Bundes verschleiert und die Schuldenbremse ausgehebelt werden kann.
Privatisierungen funktionieren manchmal, doch nicht immer und überall. Und ganz sicher nicht in diesem Fall. Nur auf dem Papier sind sie immer der einfachste und günstigste Weg, denn nur auf dem Papier existieren alle nötigen Voraussetzung wie hohe Markttransparenz und gleiche Startvoraussetzungen und Chancen für alle Wettbewerbsteilnehmer.
Vergessen wird zumeist, dass man in der Realität immer von einem Status Quo ausgehen muss, der von einer fairen Wettbewerbsgesellschaft meilenweit entfernt ist und in dem sich längst eine höchst ungleiche und meist auch unfaire Verteilung von Geld, Gütern und Informationen verfestigt hat.
Für eine umfassende Privatisierung aller gesellschaftlichen Bereiche müssten zuerst einmal die aktuellen „dicken Fische“ (die, vorsichtig ausgedrückt, ihre Positionen nicht immer zu 100% sauber und fair erreicht haben) bereit sein, die Uhren zurück zu drehen und teilweise sogar auf Null zu stellen 8Die USA proben ihre TTIP-Macht schon an VW).
Ansonsten wandern alle Effizienzvorteile von Privatisierungsmaßnahmen nur in Form von Geld in die Taschen, die auch zuvor schon am prallsten gefüllt waren (Deutschland lässt seine Schienen und Straßen verrotten).
Zum Beispiel in die Taschen von Allianz, Deutsche Bank u. Co im Falle der Privatisierung des deutschen Straßennetzes. Dies und weitere Folgen der Autobahn-AG zeigt Campact in seiner Info-Übersicht auf.
Abgesehen von all dem liegt das Grundproblem in der Herangehensweise der Regierung und der Konzernlobby darin, dass das ständige Verkehrswachstum überhaupt nicht in seiner Notwendigkeit und seinem Sinn hinterfragt wird.
Ebenso wenig spielen bei Planungen wie der Autobahn-AG die wahren Kosten des Verkehrs für Umwelt und Gesellschaft eine Rolle. Wahrscheinlich blendet die Bundesregierung solche Gedanken vor allem deshalb aus, weil sie den Wachstumszwang generell infrage stellen könnten.
Doch sollte man bei der Verkehrsplanung doch noch irgendwann damit anfangen, müsste man auch gleich beim Geldsystem weiter machen.
Literatur:
verheimlicht vertuscht vergessen: Was 2015 nicht in der Zeitung stand von Gerhard Wisnewski
Der große Ausverkauf: Wie die Ideologie des freien Handels unsere Demokratie gefährdet. – Das TTIP-Komplott von Franz Kotteder
Steueroase Deutschland: Warum bei uns viele Reiche keine Steuern zahlen von Markus Meinzer
verraten – verkauft – verloren?: Der Krieg gegen die eigene Bevölkerung von Gabriele Schuster-Haslinger
Quellen: PublicDomain/campact.de/krisenvorsorge.com am 10.03.2016
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