Zwei Journalisten beschreiben Verschwendung und Misswirtschaft im Vatikan – und müssen sich nun wegen der Veröffentlichung vertraulicher Dokumente vor der Justiz des Kirchenstaats verantworten. Ihnen drohen Haftstrafen, die sie aber wohl nie antreten werden.
Die vatikanische Justiz scheint sich ihrer Sache sicher zu sein: Drei Wochen nach dem Erscheinen der Bücher macht sie den Autoren den Prozess. Emiliano Fittipaldi und Gianluigi Nuzzi haben vertrauliches Material aus dem Vatikan zugespielt bekommen und dieses in Buchform veröffentlicht. Es geht um Miss- und Günstlingswirtschaft im Vatikan, um Verschwendung.
In Monsignor Angel Lucio Vallejo Balda will die vatikanische Gendarmerie den Informanten der beiden Journalisten ausgemacht haben. Er und eine italienische PR-Agentin wurden verhaftet, noch bevor das Buch „Alles muss ans Licht“ von Gianluigi Nuzzi in die Geschäfte kam. Der Autor sagt: „Die Verhaftungen gleichzeitig mit der Buchveröffentlichung erscheinen mir ein ungeschickter Versuch von den Problemen, die das Buch dokumentiert, abzulenken.“
Ein Kampf gegen Besitzstandwahrer
Nur ein Problem aus dem Buch Nuzzis: Der Vatikan verfügt über ein gigantisches Immobilienvermögen, das aber kaum im Sinne des Papstes genutzt wird. Kardinäle und Freunde von Kardinälen wohnen in riesigen Apartments und zahlen kaum Miete. Außerdem wird deutlich, wie groß der Widerstand der Besitzstandswahrer innerhalb der Kurie gegen das Reformwerk des Papstes ist. Deshalb werden vor allem außerhalb des Vatikan kritische Fragen gestellt. Weniger, was den Geheimnisverrat betrifft, sondern in Bezug auf die damit dokumentierten Missstände.
Natürlich sei es schlimm, wenn Vertrauen missbraucht werde, sagt der Münchner Kardinal Reinhard Marx: „Aber der zweite Punkt ist: Es muss deutlich werden, die Reformen gehen weiter. Es darf kein Zurück geben. Man muss die Reformen weiter voran treiben, das ist ein längerer Prozess. Und der dritte Punkt: Man muss all den Vorwürfen gut nachgehen und sie aufarbeiten.“
Ein Prozess mit symbolischem Charakter
Der spanische Geistliche Vallejo Balda kann sich als Angestellter der Kurie dem heute beginnenden Prozess nicht entziehen. Die Anklage gegen die Journalisten hat dagegen eher symbolischen Charakter: Dem Vatikan stehen keine Rechtsmittel zur Verfügung, um gegen die beiden italienischen Staatsbürger vorzugehen. Fittipaldi spricht von einem Angriff auf die Pressefreiheit: „Sie haben mir erklärt, dass ich wegen Verbreitung geheimer Dokumente, angeklagt bin, was mit vier bis acht Jahren Gefängnis bestraft werden kann. Natürlich halte ich das für Wahnsinn. Ich lebe in einem Land, in Italien, in dem es die Pressefreiheit gibt. Im Vatikan gibt es sie offenbar nicht.“
Vatikan müsste um Amtshilfe bitten
Der kleine Vatikanstaat will mit diesem beispiellosen Verfahren seine Autonomie unter Beweis stellen. Sollten Nuzzi und Fittipaldi tatsächlich zu Gefängnisstrafen verurteilt werden, müsste der Vatikan Italien um Amtshilfe und Auslieferung bitten. Papst-Sprecher Federico Lombardi verteidigt diesen Prozess: „Wenn ein Franzose gegen das Gesetz in Italien verstößt, kann die italienische Justiz ja auch Anklage erheben. Sie muss die französische Justiz nicht um Erlaubnis bitten.“
Realistischerweise müssen nur Balda und sein mitangeklagter Sekretär Nicola Maio bei einem Schuldspruch mit Haft rechnen. Einziger Lichtblick: das Schicksal des ehemaligen päpstlichen Kammerdieners Paolo Gabriele. Auch der wurde wegen Geheimnisverrats verurteilt, wenig später aber von Papst Benedikt begnadigt und vom Vatikan mit Wohnung und Arbeitsstelle versorgt.
Spendenfinanzierter Luxus
Gianluigi Nuzzis „Via Crucis“ beschäftigt sich detailliert mit den Aufräumarbeiten, denen sich der neue Papst gegenübersieht: So finden sich Mitschnitte von Gesprächen des Papstes mit engen Mitarbeitern, in denen es um das von Franziskus angestrebte Großreinemachen bei den Vatikanfinanzen und um die Herstellung von Transparenz auf diesem Feld geht. Nuzzi legt auch dar, in welch geringem Maße die dem Vatikan aus aller Welt zufließenden Zuwendungen der Gläubigen – der „Peterspfennig“ – karitativen Zwecken zugutekommen (Blutgeld: Die gesegnete Geldvermehrung des Vatikans (Videos)).
Emiliano Fittipaldi wiederum rekonstruierte in „Avarizia“ („Geiz“) detailliert das Wirtschaftsimperium des Vatikans. Er deckte bisher unbekannte Fakten über den immensen Immobilienbesitz auf, dessen Wert sich allein in Rom auf 4 Milliarden Euro beläuft. Dabei konnte er auch nachweisen, wie die an eine Kinderklinik des Vatikans gerichteten Spenden für die Renovierung der Luxuswohnung eines Kardinals zweckentfremdet werden (Alles muss ans Licht – das geheime Dossier des Vatikans: Die Händler im Tempel (Video)).
Offenkundig waren die beiden gut mit Informationen aus dem innersten Kreis der Kurie versorgt – und hier kommen die drei Mitangeklagten ins Spiel. Monsignore Lucio Ángel Vallejo Balda ebenso wie die früher bei Ernst & Young beschäftigte Francesca Chaouqui gehörten der von Franziskus eingesetzten Kommission an, die Licht in den Dschungel der Vatikanfinanzen bringen sollte, rein intern natürlich. Zusammen mit einem Mitarbeiter Baldas aber sollen sie den beiden Enthüllungsjournalisten das brisante Material geliefert haben.
Unmittelbar nach Erscheinen der Bücher hatte Franziskus selbst auf dem Petersplatz geschimpft, hier liege eindeutig „Diebstahl von Dokumenten“ vor, „und das ist ein Verbrechen“.
Dass den fünf Angeklagten jetzt der Prozess gemacht wird, dürfte auf Anordnung von ganz oben geschehen. Doch der Vorwurf lautet nicht auf Diebstahl, sondern auf Verbreitung von Dokumenten, die „fundamentale Interessen des Vatikanstaats“ berühren. Zugleich wird den Journalisten vorgeworfen, die Unterlagen „unter Ausübung von Druck“ beschafft zu haben.
Nuzzi findet das lachhaft. „Welche Interessen des Staates sind berührt, wenn von der Luxuswohnung eines Kardinals die Rede ist?“, fragte er am Dienstagnachmittag auf einer Pressekonferenz. „Einfach kafkaesk“ sei dieser Prozess, der einen Frontalangriff auf die Pressefreiheit darstelle. Ihm wie den anderen vier Mitangeklagten wurde zudem die Benennung von italienischen Vertrauensanwälten verweigert. Stattdessen wurden Pflichtverteidiger benannt, die beim Vatikangericht eine Zulassung haben. Die Angeklagten lernten ihre Verteidiger erst eine Stunde vor Prozessbeginn kennen, Kopien der Anklage erhielten sie nicht.
Literatur:
Scheinheilige Geschäfte: Die Finanzen des Vatikans von Curzio Maltese
Nazis auf der Flucht: Wie Kriegsverbrecher über Italien nach Übersee entkamen von Gerald Steinacher
Vatikan AG: Ein Geheimarchiv enthüllt die Wahrheit über die Finanz- und Politskandale der Kirche von Gianluigi Nuzzi
Persilscheine und falsche Pässe. Wie die Kirchen den Nazis halfen. von Ernst Klee
Alles muss ans Licht: Das geheime Dossier über den Kreuzweg des Papstes von Gianluigi Nuzzi
Quellen: PublicDomain/taz.de/tagesschau.de vom 24.11.2015
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