Sonnenstürme, elektromagnetische Impulse und die Atomkatastrophe

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Ein offenkundiges, aber weithin missachtetes Risiko von weltweiter Größenordnung besteht in einem flächendeckenden Ausfall der Elektrizität. Die Auswirkungen auf die Sicherheit von Atomkraftwerken wäre verheerend. Dabei wäre es relativ leicht, zumindest die schlimmsten Folgen zu verhüten.

Fast 450 Kernreaktoren gibt es weltweit, dazu kommen hunderte, die sich noch im Bau oder in der Planungsphase befinden. In den Vereinigten Staaten stehen 104 Reaktoren, 195 in Europa. Stellen Sie sich vor, was mit unserer Zivilisation und dem Ökosystem der Erde geschehen würde, wenn es in allen Kernkraftwerken gleichzeitig zur Kernschmelze käme. Was für eine Katastrophe sollte aber über die Welt hereinbrechen und Störfälle bei hunderten Reaktoren gleichzeitig verursachen? Ist das nicht sehr unwahrscheinlich? Ich wage zu behaupten: Wenn wir nicht umfassende Vorsorgemaßnahmen in die Wege leiten, ist so ein apokalyptisches Szenario nicht nur möglich – es ist sogar ausgesprochen wahrscheinlich.

Führen Sie sich noch einmal die Explosionen im Kernkraftwerk Fukushima vor Augen. Dabei wurden die Sicherheitsbehälter der Reaktoren zerstört, was immense Umweltschäden und gesundheitliche Probleme bei der Bevölkerung nach sich zog. Ein Ende der Notlage ist nicht abzusehen. Denken Sie auch an die Opfer der Reaktorexplosion und des nuklearen Fallouts in Tschernobyl, deren Zahl in die Millionen geht. Noch heute leiden die Menschen dort unter furchtbaren Krankheiten, die durch die Strahlung verursacht wurden: „Tschernobyl-AIDS“, Krebs-Epidemien und chronische Erschöpfungszustände. Unzählige Menschen sind daran gestorben. Das waren nur zwei Atomkatastrophen, die dazu 25 Jahre auseinander liegen. Wie können wir je hoffen, uns von hunderten Störfällen dieser Art zu erholen, die gleichzeitig den gesamten Planeten heimsuchen?

In den vergangenen 152 Jahren wurde die Erde von zwei solaren Superstürmen getroffen. Genau diese Naturereignisse sind das Problem. Sie können in fast allen Kernkraftwerken der Welt katastrophale Störfälle auslösen. Bei einem koronalen Massenauswurf schleudert die Sonne große Mengen stark geladenen Plasmas ins All. Bei der Kollision mit der Magnetosphäre der Erde verursacht das Plasma massive Störungen im Erdmagnetfeld.

Der letzte Sonnensturm mit so großem Zerstörungspotential ereignete sich im Jahr 1921, lange vor der Zeit elektronischer Geräte und moderner Kernkraftwerke. Deshalb sorgen wir uns heute wenig um solche Dinge. Das Ausmaß der Gefahr ist uns nicht bewusst, und wir sind auf so ein Naturereignis und seine Folgen nicht einmal ansatzweise vorbereitet. Glücklicherweise gibt es eine Reihe bezahlbarer Maßnahmen, die uns vor dem „Ende der Welt, wie wir sie bisher kannten“ bewahren können. Die schlechte Nachricht: Zwar haben die Vereinigten Staaten Ausschüsse und Gremien eingerichtet, die sich mit dem Problem befassen, und der US-Kongress hat mehrfach über Gesetze abgestimmt, die im Zusammenhang mit elektromagnetischen Impulsen stehen. Leider haben unsere Politiker aber bis heute keinerlei Schutzmaßnahmen beschlossen oder umgesetzt.

Viele Menschen können sich nicht vorstellen, dass so eine Katastrophe je eintreten wird. Und wenn doch, dann würden „die Behörden“ sicher alles in ihrer Macht Stehende tun, um die drohende Apokalypse zu verhindern. Leider ist das Gegenteil der Fall. Wenn Sie sich auch gerade fragen: Wie soll so etwas schon passieren? – dann lesen und weinen Sie, denn bald werden Sie die Antwort kennen.

Atomkraftwerke sind vom Stromnetz abhängig

Unser modernes Leben hängt bis ins kleinste Detail von elektrischer Energie ab: Die Lebensmittelproduktion, die Telekommunikation, das Internet und die medizinische Versorgung kommen ohne elektrischen Strom nicht aus. Ebenso die Landesverteidigung, die Staatsregierungen, das Transportwesen, die Wasseraufbereitung, Abwasser- und Müllentsorgung, Kühlhäuser, Ölraffinerien und Erdgaspumpen sowie sämtliche Formen des Warenhandels. Das Netz aus Stromleitungen und Stromtrassen ist in seiner heutigen Form sehr anfällig für die Auswirkungen von schweren geomagnetischen Stürmen, wie sie durchschnittlich alle 70 Jahre auftreten.

Leider benötigen auch Kernkraftwerke eine Anbindung an ein funktionierendes Stromnetz. Schon ein etwas längerer Stromausfall bringt die Kühlung der Reaktoren in Gefahr. Das kann katastrophale Folgen haben – von Bränden in den Lagern für verbrauchte Brennstäbe bis hin zur Kernschmelze. Wenn das Stromnetz nach einer Störung im Erdmagnetfeld großflächig zusammenbricht und die Notstromgeneratoren ihren Treibstoff verbraucht haben (oder gar nicht erst anspringen), setzt bereits ein bis zwei Stunden später die Kernschmelze ein. Steht der Kühlkreislauf einige Tage lang still, verdampft durch die Nachzerfallswärme der verbrauchten Brennstäbe das Wasser in den Abklingbecken. Ohne Kühlwasser schmelzen auch die Stäbe und beginnen zu brennen.(1)

Kernkraftwerke müssen lediglich genügend Diesel vor Ort haben, um ihre Notstromaggregate sieben Tage lang laufen lassen zu können. Das schreibt die US-Atomaufsichtsbehörde NRC vor. Nachdem uns der nächste solare Supersturm eine spektakuläre Lichtshow ans nächtliche Firmament gezaubert hat, werden wir demnach eine Woche Zeit haben, um uns auf die Katastrophe vorzubereiten. Keine Vorsorge zu treffen hieße, den Kopf in den Sand zu stecken. Sicher können wir darauf vertrauen, dass schon alles gut gehen wird. Sonnenstürme treten aber von Natur aus immer wieder auf und verursachen unausweichlich extreme Störungen im Erdmagnetfeld. Innerhalb kurzer Zeit wird die industrialisierte Welt in ihrer jetzigen Form nicht mehr existieren. Unermessliches Leid wird über uns kommen, wie es die Erde seit dem Aussterben der Dinosaurier vor 65 Millionen Jahren nicht mehr gesehen hat.

Das Ende des Stromnetzes

Seit den 1850er Jahren liegen uns Aufzeichnungen über ca. 100 größere geomagnetische Stürme vor. Davon waren in den letzten 25 Jahren zwei stark genug, um Millionenschäden an wichtigen Teilen des Stromnetzes anzurichten. Im März 1989 verursachte ein Sonnensturm hohe Induktionsspannungen in den Stromleitungen des kanadischen Energieversorgers Hydro-Québec, wodurch ein Haupttransformator zerstört wurde. Der Stromausfall breitete sich aus – am Ende waren sechs Millionen Menschen betroffen. Auch in New Jersey / USA und Großbritannien wurden Transformatoren ähnlicher Bauart durch den Sturm beschädigt. Im Oktober 2003 verursachte ein weniger intensives, dafür länger anhaltendes Ereignis einen Stromausfall in Schweden. Im südafrikanischen Stromnetz kam es dabei zu so hohen Induktionsspannungen, dass 14 Transformatoren schwer beschädigt oder zerstört wurden. Der Handel und die Lebensqualität waren in großen Teilen des Landes monatelang eingeschränkt, weil die Versorgungsunternehmen zu Lastabwürfen (Notabschaltungen) gezwungen waren.(2)

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Am 14. und 15. Mai 1921 kam es zu einer massiven Störung im Erdmagnetfeld, die etwa zehnmal so stark war wie der Quebec-Vorfall von 1989. Die nördliche Hemisphäre war bis nach Mexiko und Puerto Rico betroffen, die südliche bis in die Breiten von Samoa.(3) Die schwerste bislang verzeichnete Störung ist jedoch der Sonnensturm von 1859, der sogenannte Carrington-Vorfall. Während des Ereignisses, das sich vom 28. August bis zum 4. September hinzog, waren selbst auf Kuba und Hawaii Nordlichter zu beobachten. Telegraphenleitungen und -stationen an vielen Orten der Welt gerieten durch die Überspannung in Brand. Der Carrington-Vorfall war um schätzungsweise 50 Prozent stärker als der Sturm von 1921.(4)

(Anm. d. Red.: Am 23. Juli 2012 wurde ein solarer Supersturm der »Carrington-Klasse« beobachtet, dessen Plasmafront glücklicherweise an der Erde vorbeirauschte. Es dauerte lange, bis die Öffentlichkeit von diesem Ereignis erfuhr: Die NASA publizierte ihre Daten erst am 28. April 2014)

Für eine Studie analysierte die Firma Metatech im Auftrag der EMP-Kommission [Kommission des US-Kongresses zur Bewertung der Gefahren eines EMP-Angriffs auf die USA, Anm. d. Übers.] und der US-Katastrophenhilfe FEMA die Auswirkungen von Sonnenstürmen auf das Stromnetz der USA. Das Oak Ridge National Laboratory und die US-Akademie der Wissenschaften überprüften die Ergebnisse eingehend. Für die Modellrechnungen wurde ein Sturm der Stärke des Ereignisses von 1921 zugrunde gelegt.(5) Die Studie zeigte, dass eine Störung dieser Größenordnung enorme Überspannungen in den tausende Kilometer langen, wie Antennen wirkenden Trassen des US-Stromnetzes verursachen würde. Dazu kämen Störungen durch induzierte harmonische Schwingungen. Laut Metatech würden in den Vereinigten Staaten mehr als 350 Höchstspannungstransformatoren schwer beschädigt oder zerstört, weltweit wahrscheinlich über 2.000.

Höchstspannungstransformatoren sind Spezialanfertigungen, die für jede Netzinstallation einzeln gebaut werden. Sie wiegen bis zu 300 Tonnen und kosten mehr als eine Million US-Dollar pro Stück. Für die Funktion der Stromnetze sind diese Transformatoren unentbehrlich. Die Wartezeit bei Bestellungen hat sich wegen der großen Nachfrage aus China und Indien inzwischen von einem auf drei Jahre verlängert. Die weltweite Produktionskapazität beträgt nur etwa 100 Stück pro Jahr – vorausgesetzt, die Herstellerfabriken funktionieren reibungslos. Jetzt wird Ihnen der Ernst der Lage sicher klar.

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Der Verlust tausender Transformatoren würde zu einem weltweiten Zusammenbruch der Stromnetze führen. Große Teile der industrialisierten Welt wären lahmgelegt. Es könnte Jahre dauern, bis sich die Industrieländer von solch einem Ereignis erholen, weil die meisten Produktionsfirmen für Elektrotechnik selber mit dem Netzausfall zu kämpfen hätten. Das Magnetfeld der Erde schützt die tropischen Regionen vor den schlimmsten Auswirkungen der Sonnenstürme. Selbst wenn die Infrastruktur in Ländern wie Mexiko, Malaysia, Indien und Singapur intakt bliebe: Auch diese Länder sind von importierten Bauteilen und Dienstleistungen aus anderen Teilen der Welt abhängig.

Die Metatech-Analyse ergab, dass ein Netzzusammenbruch in den USA schätzungsweise 130 Millionen Menschen betreffen würde. In einem persönlichen Gespräch gab John Kappenman, einer der Autoren der Studie, aber kürzlich zu, dass die Einschätzung wohl zu optimistisch ausgefallen ist. Es verwies auf sogenannte Killer-Bäume und andere scheinbar unbedeutende Ereignisse, die Kettenreaktionen bis hin zum mehrere US-Staaten betreffenden Stromausfall in Gang setzen können.

Ein Zwischenfall im Westen der Vereinigten Staaten am 10. August 1996 belegt das: Bei einer Hitzewelle dehnten sich Überlandleitungen im Staat Oregon aus und hingen so weit durch, dass sie einen schlecht ausgelichteten Baum berührten und einen Kurzschluss verursachten. Wegen der Belastung durch unzählige Klimaanlagen hatte das Netz ohnehin an seiner Leistungsgrenze gearbeitet. Die Kapazität der ausgefallenen Leitung war nicht zu kompensieren; der Netzausfall verbreitete sich kaskadenartig. In sieben US-Staaten fiel der Strom aus, dazu in Teilen von Baja / Mexiko und zwei kanadischen Provinzen.

Millionen Stromkunden waren betroffen.(7) Am 14. August 2003 waren erneut schlecht ausgelichtete Bäume die Hauptursache für den großen Blackout im Nordosten der USA, der 50 Millionen Menschen betraf.(8) Kappenman erwähnte auch das Ereignis vom 8. September 2011. Damals wollte ein Versorgungstechniker einen offenbar defekten Kondensator in einer Transformatorstation in Yuma, Arizona / USA überbrücken. Aus Gründen, die noch nicht vollständig geklärt sind, verursachte das eine Kettenreaktion, die zu großflächigen Netzausfällen in Arizona, Kalifornien und Mexiko führte und Millionen Menschen im Dunkeln ließ. Durch den Stromausfall fuhren auch die beiden Reaktoren des Kernkraftwerks San Onofre herunter und trennten sich vom Netz – sie sind aus Sicherheitsgründen so konstruiert. Das verschärfte aber die Situation, weil es die lokale Erzeugerleistung verringerte, während die Techniker mit Hochdruck daran arbeiteten, die Stromversorgung für San Diego und andere Gebiete wiederherzustellen.(9)

Die nukleare Achillesferse

Kernkraftwerke sind so konstruiert, dass sie sich bei einem Stromausfall automatisch vom Netz trennen. Sobald die Verbindung unterbrochen ist, wird damit begonnen, den Reaktor herunterzufahren. Wenn der Kühlkreislauf eines aktiven Reaktorkerns ausfällt, kommt es innerhalb weniger Stunden zur Kernschmelze. Bei einer starken Störung des Erdmagnetfelds wäre beinahe jeder Reaktor der Welt betroffen. Die partielle Kernschmelze im Kernkraftwerk Three Mile Island (Harrisburg, Pennsylvania / USA) im März 1979 wurde durch einen kurzzeitigen Ausfall des Kühlkreislaufs verursacht. Auch in Fukushima kam es nach offiziellen Angaben nicht durch Erdbebenschäden zur Havarie – die Pumpen des Kühlkreislaufs bekamen vielmehr keinen Strom mehr, nachdem die Tsunamiwelle die Notstromaggregate der Anlage zerstört hatte. In den Stunden und Tagen nach der Flutwelle war die Kernschmelze in den Reaktorblöcken Nr. 1, 2 und 3 in vollem Gange. Das dabei freigesetzte Wasserstoffgas führte zu Explosionen, die mehrere Sicherheitsbehälter beschädigten (Fukushima und die Erdbeben-Lüge: Das japanische 9/11 heißt 3/11).

Eine noch größere Gefahr geht von den verbrauchten Brennstäben aus. In fast allen Kernkraftwerken lagern große Mengen verbrauchten Brennmaterials (zehn oder mehr Reaktor-Befüllungen) in Abklingbecken direkt auf dem Kraftwerksgelände. Die Becken stehen meist in herkömmlichen Industriegebäuden mit Betonwänden und Wellblechdächern. [In Deutschland befinden sie sich aber innerhalb des Reaktor-Sicherheitsbehälters, Anm. d. Übers.] Im Gegensatz zu den massiven „Sicherheitsbehältern“ der Reaktoren sind diese Gebäude praktisch nicht in der Lage, radioaktive Stoffe zurückzuhalten. Bei einer Katastrophe würden ganze Landstriche für hunderte Jahre verseucht. In einer Studie ermittelte die US-Atomaufsichtsbehörde NRC die „Verkochungszeit“ des Kühlwassers in Abklingbecken. Je nach Reaktortyp und Alter der Brennstäbe bleiben zwischen vier und 22 Tagen, wenn das Pumpensystem (bzw. seine Stromversorgung) ausgefallen ist. Dann kommt es zu einer Situation ähnlich der in Fukushima.(10)

Wenige Tage nachdem der Tsunami die Dieselgeneratoren in Fukushima zerstört hatte, war das Wasser in den Abklingbecken des Reaktorblocks Nr. 4 verkocht, wodurch die Brennstäbe teilweise der Luft ausgesetzt waren. Ohne den heldenhaften Einsatz der japanischen Angestellten des Kraftwerks, die kontinuierlich Wasser nachfüllten, wären die Brennstäbe geschmolzen, und ihre Zirkonium-Hüllrohre hätten sich entzündet. Dadurch wäre wahrscheinlich noch viel mehr radioaktives Material in die Umwelt gelangt, als es durch die Kernschmelze schon geschehen ist (Erste Bilder aus geschmolzenem Fukushima-Reaktor: Roboter übersteht Erkundungsfahrt nicht (Video)). Die japanischen Behörden schätzen, dass bei dem Unglück bis heute mehr als die Hälfte der Radioaktivität des Tschernobyl-Unglücks freigesetzt wurde. Andere Quellen sprechen aber von deutlich größeren Strahlungsmengen. Nehmen wir an, dass ein solarer Supersturm einen lang anhaltenden und weltweiten Zusammenbruch der Stromnetze verursacht. Wenn nur in der Hälfte der Abklingbecken das Wasser verkocht und in den Kernkraftwerken radioaktive Zirkonium-Infernos ausbrechen, wäre die Strahlenverseuchung höher als bei 400 Tschernobyl-Katastrophen.

Die meisten Mensch glauben, dass man einen Kernreaktor einfach abschalten oder zumindest in ein bis zwei Tagen herunterfahren kann. Obwohl ich am Massachusetts Institute of Technology 1978 meinen Bachelor in Maschinenbautechnik gemacht habe, dachte ich das bis vor Kurzem noch selbst. Nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein. Die Billionen Kettenreaktionen im Reaktorkern setzen unvorstellbare Energiemengen frei. Ein einziges Kernkraftwerk erzeugt mehr Elektrizität, als nötig ist, um eine Großstadt zu versorgen. Genau diese Reaktionen sind nicht per Knopfdruck von „jetzt auf gleich“ zu stoppen. Es dauert fünf bis sieben Tage, um sie so weit zu drosseln, dass die Brennstäbe aus dem Reaktor entfernt werden können. Nach der Entnahme sind die Stäbe ziemlich „heiß“, sowohl was die Temperatur betrifft als auch ihre Radioaktivität.

Arnie Gundersen ist Kernenergie-Insider und ehemaliger Vizepräsident der Nuclear Engineering Services Corporation. Seiner Einschätzung nach würden in Fukushima selbst acht Monate nach dem Abklingen der Kettenreaktion die Brennstäbe wieder zu schmelzen beginnen, falls der Kühlkreislauf nur 38 Stunden lang unterbrochen wäre. Gundersen erläutert, dass im Prinzip alle modernen Reaktoren mit gruppiert angeordneten Brennstäben gebaut werden. In den Hüllrohren der Brennstäbe befinden sich die hochradioaktiven Stoffe. Dazu kommen ebenso gruppierte Steuerstäbe, die in die Brennstäbe hineingreifen wie die Finger gefalteter Hände. Über das Ein- und Ausfahren der Steuerstäbe wird die Stärke der Kettenreaktion reguliert.

Die Steuerstäbe tragen auch zur „Störsicherheit“ bei. Sollte der Reaktor außer Kontrolle geraten, so Gundersen weiter, würden die Steuerstäbe automatisch in ganzer Länge zwischen die Brennstäbe fallen, wodurch die Kernreaktion maximal gebremst und der Abschaltprozess des Reaktors eingeleitet wird.(11) Dadurch reduziert sich die erzeugte Energie sehr schnell auf ca. fünf Prozent der vollen Leistung. Es bleiben jedoch mehrere Megawatt an sogenannter Nachzerfallswärme, die abgeführt werden müssen, damit sich der Reaktor nicht überhitzt. Nach einem Tag mit voll eingefahrenen Steuerstäben ist die Kettenreaktion auf ein Prozent zurückgegangen, nach einer Woche auf ca. 0,1 Prozent. Wenn sich die Reaktion so weit abgeschwächt hat, dass die Brennstäbe entnommen werden können, müssen sie drei bis fünf Jahre in Abklingbecken gelagert werden, bevor sie in Zwischenlagern an der Luft weiter abkühlen können.

Wie schon erwähnt, müssen Kernkraftwerke lediglich genügend Diesel vorhalten, um ihre Notstromgeneratoren eine Woche lang betreiben zu können. Die US-Behörden gehen davon aus, dass großflächige Netzausfälle nicht länger als einige Tage andauern, und die Regierung sichert zu, bei einer größeren Katastrophe die Versorgung mit Diesel-Tankwagen aufrechtzuerhalten.

Sie sollen die betroffenen Kernkraftwerke zuverlässig beliefern, bis die Stromversorgung wiederhergestellt ist. Unglücklicherweise kann sich niemand vorstellen, dass der nächste von Mutter Natur losgelassene Supersturm mit ziemlicher Sicherheit die Stromnetze der Industrieländer nicht nur wenige Tage, sondern ein paar Jahre lang außer Gefecht setzen wird. Dass unter so chaotischen Umständen alle Kernkraftwerke wöchentliche Diesel-Lieferungen bekommen, halte ich für sehr unwahrscheinlich.

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EMP-Angriffe

Elektromagnetische Impulse (EMP) und solare Superstürme sind verschiedene, aber miteinander zusammenhängende Ereignisse. Sonnenstürme erzeugen im Erdmagnetfeld natürliche elektromagnetische Impulse. Sie treten selten auf, betreffen aber potentiell viele Millionen Menschen [engl. HILF: high-impact, lowfrequency]. Stellen Sie sich einen EMP als eine äußerst starke Funkwelle vor, die großflächig Überspannungen in elektrischen Leitungen und elektronischen Geräten verursachen kann.

Als EMP-Angriff wird dagegen die Wirkung einer in großer Höhe explodierenden Atombombe bezeichnet, wobei „große Höhe“ grob als 40-385 km über der Erdoberfläche definiert wird. Betroffen wäre dabei das von der Detonationsstelle aus überblickbare Areal – eine kreisförmige Fläche mit einem Durchmesser von ca. 2.400 km. Das entspräche einem Gebiet, das sich von Quebec bis nach Texas erstreckt. Problematisch wäre es, wenn ein Staat oder eine Terrororganisation eine Atombombe bauen oder illegal erwerben würde. Mit einer auf dem Schwarzmarkt beschafften Scud-Rakete könnte man den Sprengkörper vor der US-Küste von einem großen Fischerboot oder Frachtschiff aus abschießen.

Ein EMP-Angriff läuft in mehreren Phasen ab: Bei der Detonation wird zunächst ein kurzer Impuls erzeugt, der sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreitet – der sogenannte E1-Effekt. Danach kommt der mittellange E2-Impuls, gefolgt von einer als E3-Effekt bezeichneten, länger anhaltenden Störung. Der E1-Effekt verursacht schwere Schäden an elektronischen Geräten, besonders anfällig ist digitale Mikroelektronik. Der E2-Effekt hat dieselbe Wirkung wie mehrere tausend Blitze, die in einem großen Gebiet gleichzeitig einschlagen. Nach etwa einer halben Sekunde setzt der E3-Effekt ein, der mehrere Minuten anhalten kann. In seiner Wirkung ähnelt er einer starken Störung im Erdmagnetfeld, nur dass das natürliche Ereignis mehrere Stunden oder gar Tage dauern kann.(12)

Ein „geglückter“ EMP-Angriff auf die USA würde mit hoher Wahrscheinlichkeit zum sofortigen Kollaps des Stromnetzes in weiten Teilen des Landes führen. Zudem würde in den betroffenen Gebieten die Steuerungselektronik von Kernkraftwerken, Chemiefabriken, Telekommunikationssystemen und sonstigen Industrieanlagen zerstört. Ein Börsencrash wäre sicher die Folge. Moderne Digitaltechnik ist gegen EMP äußerst empfindlich. Dazu zählen speicherprogrammierbare Steuerungen für Fabrikmaschinen, ebenso Betriebsleitsysteme und computergestützte Überwachungs- und Steuerungssysteme.

Bill Kaewert ist Vorsitzender und technischer Direktor der Stored Energy Systems Kapitalgesellschaft. Seine Firma vertreibt Notstromaggregate und Komponenten für Systeme mit besonderen Anforderungen an die Ausfallsicherheit. Dazu gehören auch die Abschussvorrichtungen der US-Interkontinentalrakete Minuteman III. Vor kurzem nahm Kaewert an einer EMP-Simulation der militärischen Bildungseinrichtung der USA (National Defense University) teil. Mehrere Dutzend Vertreter von Ersthelfer-Organisationen, Experten für öffentliche Sicherheit und Militärangehörige simulierten in einem Planspiel einen großflächigen Netzausfall. Laut Kaewert hatte selbst diese Gruppe hochrangiger Spezialisten große Schwierigkeiten, eine Katastrophe der fünfzigfachen Größe des Hurrikans Katrina in den Griff zu bekommen. Schnell wurde auch klar, dass bei einem Netzzusammenbruch viele Nothelfer, Militärs und Regierungsangehörige ihre Posten verlassen würden, um Familie und Freunde vor dem hereinbrechenden Chaos zu schützen.(13)

Das einzig „Gute“ an einem EMP-Angriff: Die Auswirkungen würden eine bedeutend kleinere Fläche treffen als ein schwerer geomagnetischer Sturm. Große Teile der USA, und natürlich der Rest der Welt, blieben intakt und könnten beim Wiederaufbau helfen. Stellen Sie sich aber den fast vollständigen Verlust der Infrastruktur auf mehr als zweieinhalb Millionen Quadratkilometern vor, dann bekommen Sie eine Ahnung davon, was ein EMP-Angriff mit einer einzigen suborbital gezündeten Atombombe anrichten kann (ELF-Wellen und „neue Waffen“ für Geheimdienste und Militär).

Die Katastrophe verhindern

Nach einer Analyse empfahl die EMP-Kommission dem US-Kongress eine Reihe von Maßnahmen zur Sicherung der Stromnetze und weiterer kritischer Teile der Infrastruktur. John Kappenman schätzt, dass der Einbau von Schutzschaltungen in das US-Netz (inkl. eines Vorrats wichtiger Ersatzteile) etwa eine Milliarde US-Dollar kosten würde. Deutlich günstiger wäre es seiner Ansicht nach, einen Jahresvorrat an Dieselkraftstoff für die Notstromgeneratoren der Kernkraftwerke anzulegen, und wichtige Teile und Geräte in elektromagnetisch abgeschirmten Stahlbehältern zu lagern. Sie wären dann zeitnah vor Ort verfügbar, falls ein Generator durch einen EMP-Angriff beschädigt würde und nicht anspränge.(14)

Ich müsste hier nicht lange überlegen. Zum Preis eines einzigen B-2-Bombers oder eines Bruchteils der Kosten für das 2008 aufgelegte US-Bankenrettungsprogramm wären wir gegen eine Katastrophe gewappnet, die das Ende unserer bekannten Zivilisation bedeuten könnte. Ein kompletter Schutz gegen alle Auswirkungen eines solaren Supersturms oder eines EMP-Angriffs ist unmöglich. Zweifellos können wir uns aber gegen die schlimmsten Folgen absichern. Im Jahr 2008 hat die Umsetzung der Empfehlungen der EMP-Kommission die Kongressmehrheit knapp verfehlt.15 Bis wir die Welt EMP-sicher gemacht haben, liegt noch ein weiter Weg vor uns. Jeder Bürger kann sein Teil dazu beitragen und die entsprechende Gesetzgebung einfordern. Wir alle müssen daran arbeiten, mehr Widerstandsfähigkeit und Eigenverantwortung in unserem Lebensumfeld aufzubauen, um im Fall eines längerfristigen Netzausfalls das Beste aus der Situation machen zu können.

Literatur:

Energie ohne Ende: Erfindungen – Konzepte – Lösungen von Andreas von Rétyi

Löcher im Himmel. Der geheime Ökokrieg mit dem Ionosphärenheizer HAARP von Jeane Manning und Nick Begich

Überleben in Krisen- und Katastrophenfällen: Ein Handbuch für jedermann. Das Survival-Wissen der Spezialeinheiten von Lars Konarek

Die launische Sonne: Widerlegt Klimatheorien von Nigel Calder

Handbuch für das Überleben in Krisenzeiten von Herbert Rhein

Verweise:

  1. Cappiello, D.: „Long Blackouts Pose Risk to US Nuclear Reactors“, Associated Press, 29.3.11
  2. Joseph, L. E.: „The Sun Also Surprises“ in New York Times, 15.08.10;http://tinyurl.com/czuk22k
  3. Silverman, S. M. und Cliver, E. E.: „Low-latitude auroras: the magnetic storm of 14–15 May 1921“ in J. Atmospheric and Solar-Terrestrial Physics, 2001, 63:523-535; außerdem: NERC: „High-Impact, Low-Frequency Event Risk to the North American Bulk Power System: A Jointly Commissioned Summary Report of the North American Electric Reliability Corporation and the US Department of Energy’s November 2009 Workshop“, Juni 2010, S. 68
  4. Komitee für gesellschaftliche und ökonomische Auswirkungen des Weltraum-Wetters: „Severe Space Weather Events: Understanding Societal and Economic Impacts“, Nationaler Forschungsrat der Akademie der Wissenschaften der USA, 2008, S. 7-13, 100; außerdem: Cliver, E. W. und Svalgaard, L.: „The 1859 Solar–Terrestrial Disturbance and the Current Limits of Extreme Space Weather Activity“ in Solar Physics, 2004, 224:407-422
  5. Kappenman, J.: „Geomagnetic Storms and Their Impacts on the US Power Grid“, Metatech Corporation, Meta-R-319, Januar 2010
  6. Ebd., S. 1-3
  7. CNN News: „Sagging Power Lines, Hot Weather Blamed for Blackout“, 11.08.96
  8. Walsh, B.: „Can We Prevent Another Blackout?“ in Time, 11.08.08;http://tinyurl.com/67wvag
  9. Effron, L. et al.: „One Electrical Worker Blamed for Leaving Millions Without Power in California, Arizona and Mexico“, ABC News, 08.09.11;http://tinyurl.com/czam64w
  10. NUREG-1738: „Technical Study of Spent Fuel Pool Accident Risk at Decommissioning Nuclear Power Plants“, Februar 2001, wie gemeldet in „Docket No. PRM-50-96: Petition for Rulemaking“, Stiftung für überlebensfähige Gesellschaften für die NRC, S. 3-9, 49-50; http://tinyurl.com/c5vvd84
  11. Arnold Gundersen, Interview mit dem Autor, November 2011
  12. „Report of the Commission to Assess the Threat to the United States from Electromagnetic Pulse (EMP) Attack: Critical National Infrastructures“, April 2008 (Abschn. über EMP-Auswirkungen)
  13. Bill Kaewert, Interview mit dem Autor, Dezember 2011
  14. John Kappenman, Interview mit dem Autor, Dezember 2011
  15. Pry, P. V.: „Statement Before The Congressional Caucus On EMP“, EMP act America, 15.02.11

Quellen: PublicDomain/nexus-magazin.de

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