Auch wenn stets das Gegenteil behauptet wird: Die totale Mobilisierung beider Geschlechter für das Arbeitsleben lässt nicht genug Zeit für Kinder. Die Vollzeit arbeitende Gesellschaft zehrt von der Substanz.
Die Vereinbarkeit ist allgegenwärtig. Sie fehlt in kaum einer Pressekonferenz von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles oder Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig. Und in Personalabteilungen redet man ohnehin von fast nichts anderem mehr.
Arbeit und der Rest des Lebens sollen miteinander vereinbar sein. Das finden alle gut und richtig, ob Staat, NGO oder Unternehmen. Und die arbeitenden Männer und Frauen sowieso.
Roland Berger hat vor kurzem eine Studie präsentiert, mit deren Hilfe man eine „neue Vereinbarkeit“, also einen „Qualitätssprung bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ fordert. Das klingt natürlich besonders fortschrittlich.
Drei Dinge stellen die Autoren heraus: Unternehmen nehmen wahr, dass auch Väter ein Familienleben haben möchten; Berufseinsteiger erwarten, dass der Job sich nach der Lebensplanung richtet; Eltern wünschen sich, beide „vollzeitnah“ zu arbeiten und Familienarbeit fair zu teilen.
Der letztgenannte Wunsch, so die Berger-Autoren, gehe bisher zu selten in Erfüllung. Die Antwort darauf könne „nur in noch mehr Flexibilisierung“ liegen.
So verstehen das auch die meisten Unternehmen. Und in diesem Sinne bieten sie eigene Kindergärten an und erlauben Heimarbeit. Doch dass diese Angebote zur Vereinbarkeit nicht auf Kosten der Nettoarbeitsleistung gehen dürfen, versteht sich für Arbeitgeber von selbst. Wo dann durch Flexibilisierung unterm Strich mehr Zeit für die Familie herkommen soll, versteht sich aber nicht von selbst.
Enttäuschte Erwartungen
Wer gibt schon gerne zu, dass er den gesellschaftlichen Erwartungen nicht oder nur unter Leiden entsprechen kann? Die Journalisten Marc Brost und Heinrich Wefing tun es. Demnächst erscheint ihr Buch „Geht alles gar nicht“, in dem sie anhand von Selbstbekenntnissen und – bezeichnenderweise meist anonymen – Interviews mit ganz normalen Eltern die Illusion der Vereinbarkeit aufzeigen.
Die offenkundige Wahrheit bleibt sonst leider meist unausgesprochen, obwohl sie von Millionen Menschen am eigenen Leib erfahren wird: Wenn Mann und Frau beide in Vollzeit oder „vollzeitnah“ arbeiten, bleibt dem Paar unterm Strich weniger Zeit für die Familie als wenn es nur ein Elternteil tut. Das „bisschen Haushalt“ macht sich eben nicht von allein und Kinder sind keine Gegenstände für Betreuungsmanagement.
Eltern hören und lesen allerorten die Botschaft der Vereinbarkeit. Doch sie erfahren in ihrem eigenen Leben, dass es zwar irgendwie funktioniert – aber nur um den Preis der Vernachlässigung der wichtigsten Menschen in ihrem Leben: der Kinder und des Partners.
Dieser Gegensatz zwischen einem allgegenwärtigem gesellschaftlichem Anspruch und dem Erleben des Scheiterns in der eigenen Realität ist der ideale Nährboden für Stress. Das Ergebnis ist eine erschöpfte Gesellschaft aus Männern und Frauen, die verzweifelt versuchen, zwei oder drei Leben in einem einzigen zu führen.
Eine wachsende Zahl junger Frauen und Männer löst die Vereinbarkeitsillusion auf einfache Weise auf: Sie verzichten auf die Gründung einer Familie. Sie nehmen Roland Berger beim Wort und flexibilisieren ihr Leben ganz und gar: keine Kinder, kein Betreuungsproblem, kein schlechtes Gewissen, kein Stress.
Am besten nicht einmal ein fester Partner, der die berufliche Mobilität einschränken könnte. Berger und Konsorten würden das natürlich nie offen aussprechen, aber eine flexiblere Welt ist eine Welt mit weniger festen Liebesbeziehungen und vor allem weniger Kindern.
Die illusionäre Behauptung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie hat nicht nur den vordergründigen Zweck, Menschen, die unter keinen Umständen auf die Gründung einer Familie verzichten wollen, dennoch als Vollzeitarbeitskräfte zu motivieren. Sie vernebelt auch einen unbequemen Zusammenhang in modernen Industriegesellschaften, nämlich den zwischen der Produktivität und der Reproduktivität.
Das Paradoxon moderner Gesellschaften
Der Demograf Herwig Birg, ehemaliger Leiter des Instituts für Bevölkerungsforschung und Sozialpolitik in Bielefeld, ist einer der wenigen, die dieses „demografisch-ökonomische Paradoxon“ offenlegen („Die alternde Republik und das Versagen der Politik“, 2015). Das durch Kindererziehung entgangene Einkommen, so Birg, ist der entscheidende Anreiz zum Verzicht auf Kinder. Und der wird von einer Wirtschafts- und Sozialordnung, die Eltern gegenüber Kinderlosen benachteiligt, noch verstärkt.
Das komplexe Zusammenspiel zwischen Familien, Demografie und politischer Ökonomie erforscht auch Wolfgang Streeck, emeritierter Direktor des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung. Beide schreiben, Streeck aus eher linker, Birg aus eher konservativer Denktradition kommend, was man in der Politik seit Jahrzehnten lieber verschweigt: Dass die rapide Zunahme der Frauenerwerbstätigkeit seit den Sechszigerjahren der Hauptgrund für den starken Rückgang der Geburtenraten ist.
Für Streeck ist die Flexibilisierung der Arbeits- und Familienverhältnisse der Grund der demografischen Krise: „Ein eigenes Einkommen macht Frauen unabhängiger und hat gelockerte Partnerbeziehungen zur Folge. Letztere drücken, wenn alles andere gleich bleibt, auf die Geburtenrate, vor allem wenn prekäre Partnerschaften mit prekären oder auch besonders anspruchsvollen Beschäftigungsverhältnissen zusammentreffen.“
Der Rückgang der Geburten betrifft also vor allem die Mittelschicht. Denn: Wirtschaftliche Unsicherheit oder beruflicher Ehrgeiz verlangen von potenziellen Müttern Beweglichkeit. Kinder aber machen unbeweglich. Außerdem fehlt oft der verlässliche Partner – denn Männer müssen auch flexibel sein.
Die Geschichte vom „Ende der Normalfamilie“, in der der Vater die Erwerbs- und die Mutter die unentgeltliche Familienarbeit jeweils allein leisteten, wird meist als Geschichte der Befreiung der Frauen erzählt. Diese Erzählung beruht auf Biografien gebildeter Frauen, für die die Ehe ein goldener Käfig der Langeweile war. Ihre Heldinnen sind Frauen wie die Schriftstellerin Virginia Woolf, die in ihrem Aufsatz „Ein Zimmer für sich allein“ eine Alternative zu dem Kaffeekränzchen-Leben einforderte, das die bürgerliche Gesellschaft für sie vorgesehen hatte.
Diese Freiheitsgeschichte ist nicht falsch. Aber man kann sie auch ganz anders erzählen. Denn das Ende der Hausfrauenehe war nicht nur ein Projekt von freiheitshungrigen Frauen, sondern auch von arbeitskräftehungrigen Unternehmen. Die Arbeitgeber haben die Frauen nicht eingestellt, um sie von ihren Ehemännern unabhängig zu machen – sondern weil sie dadurch das Arbeitskräfteangebot fast verdoppeln konnten. Und weil sie dadurch nicht mehr gezwungen waren Löhne zu zahlen, die ausreichten, um eine Mittelschichtfamilie allein zu unterhalten.
Der Zusammenhang zwischen weiblicher Erwerbsbeteiligung, lockereren Familienstrukturen und abnehmenden Geburtenzahlen ist, wie Streeck schreibt, „längst nicht zureichend erforscht“. Ganz zu schweigen von politischen Konsequenzen, die eine ernsthafte Demografiepolitik daraus ziehen könnte. Sich über die Ursachen der demografischen Entwicklung Gedanken zu machen, sie nicht nur zum Gegenstand wissenschaftlicher Forschung, sondern der Politik zu machen, bleibt in Deutschland mehr noch als in anderen Ländern tabu.
Demografie wird von der Bundeskanzlerin zwar in Sonntagsreden immer wieder als großes Zukunftsthema angesprochen. Doch dabei bleibt es dann auch. Die Demografiestrategie der Bundesregierung ist nur formal eine große Strategie. Tatsächlich ist sie ein Sammelsurium an Kümmerprogrammen, in dem die Vereinbarkeit von Beruf und Familie eine Hauptrolle spielt. Eine politische Beruhigungspille, die die drohende Bevölkerungskatastrophe zu einer „Chance“ zu erklären versucht.
Die Kosten der totalen Arbeitsmobilisierung
Das demografische Problem und seine Ursache – das demografisch-ökonomische Paradoxon – grundlegend anzugehen, haben alle Regierungen der vergangenen Jahrzehnte versäumt, wie Herwig Birg in seinem Buch eindrucksvoll zeigt: Man hat auf verhängnisvolle Weise die Prioritäten verdreht. Die Bedürfnisse der Wirtschaft stehen seither unangefochten an erster Stelle.
Nun versucht man sich im Verschweigen dieses Versagens. Das Predigen der Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist insofern nichts anderes als der Versuch, zu verschleiern, was ganz offenkundig ist: Die totale Mobilisierung aller Arbeitsfähigen für die Wirtschaft zehrt an der Substanz. Sie wird bezahlt durch psychische Erschöpfung und vor allem: durch ungeborene Kinder. Eine bittere Erkenntnis, die große Sorgen bereitet. Kein Wunder, dass man in Wirtschaft und Politik lieber nicht davon redet.
Solange dabei weiterhin die Prioritäten verdreht bleiben, solange also das Bedürfnis der Wirtschaft nach menschlicher Arbeitskraft immer Vorrang hat, wird das illusionäre Versprechen der Vereinbarkeit eine Quelle dauernder Enttäuschung sein.
Wenn Männer und Frauen sich von der Illusion befreien und erkennen, dass sie nicht zwei Leben in einem führen wollen, dann werden sie dies sowohl der Wirtschaft als auch der Politik deutlich machen. Und dann müssen diese auch die Prioritäten wieder geraderücken: Die Wirtschaft hat dem Menschen zu dienen, nicht umgekehrt.
Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie kann in einer emanzipierten geschlechtergerechten Gesellschaft dann nur bedeuten, dass zwei in Vollzeit arbeitende Elternteile nicht die Regel sein können. Wer von beiden weniger oder vielleicht auch gar nicht arbeitet, oder ob beide in Teilzeit arbeiten, ist deren Privatangelegenheit. Es zu ermöglichen wäre Angelegenheit des Staates und der Unternehmen.
Quellen: hartgeld.com/wiwo.de vom 06.02.2015
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