Eine japanische Firma arbeitet mit Hochdruck an der Realisierung einer autarken Unterwasserstadt für 5000 Menschen – Ein Modell für die Zukunft?
Es klingt wie eine Idee aus Christopher Nolans Science-Fiction-Streifen „Interstellar“: eine Unterwasserstadt, die fast völlig autark wirtschaftet. Dieses utopische Projekt könnte schon bald Realität werden. Die japanische Baufirma Shimizu jedenfalls hat kürzlich einen Vorschlag für eine solche Unterwassersiedlung präsentiert.
(Bild: In der Kugel am oberen Ende der „Ocean Spiral“ sollen in nicht allzu ferner Zukunft bis zu 5000 Menschen nahezu autark leben können)
Das Projekt nennt sich Ocean Spiral und besteht vor allem aus einer mit Acrylglas ummantelten Kapsel, die Platz für 5000 Bewohner bieten soll. Ein gigantischer konkaver Pfeiler bildet das Herzstück der Kugel. In ihr sollen Geschäfte, Hotels und Wohnungen untergebracht werden. Auf ersten Renderings ist zu sehen, wie Menschen durch eine großzügig gestaltete Einkaufspassage spazieren und an Sitzgruppen Kaffee trinken. Die Kapsel ist an einem Sockel befestigt, dessen Spirale sich durch die Tiefen des Ozeans windet. „Es ist an der Zeit, eine neue Schnittstelle mit der Tiefsee zu schaffen, der letzten Grenze der Welt“, heißt es in der Unternehmensbroschüre.
(Im Inneren der Unterwasserstadt gibt es Hotels und Wohnungen für 5000 Bewohner)
Bauland in Japan ist knapp
Die Idee, eine unterseeische Stadt zu erbauen, klingt zunächst etwas abwegig. Doch Japan gehört zu den am dichtest besiedelten Regionen der Erde. Das Bauland in den Metropolen ist knapp, und die Landgewinnung stößt längst an ihre Grenzen. Ocean Spiral soll „sicherer und komfortabler“ sein als die Städte an Land, heißt es. Sicherer, weil die Unterseekapsel keinen Erdbeben und Taifunen ausgesetzt sei, komfortabler, weil es konstanter temperiert und mit höheren Sauerstoffkonzentrationen versorgt werden könne.
Die Bewohner werden mit Zubringerbooten („Ship Shuttles“) befördert, die von einem Kreuzfahrtschiff starten und an die über dem Wasser schwimmende Spitze andocken. Vom „Schiffsterminal“ führt ein Aufzug ins Innere der Kapsel. Auf diesem Weg erfolgt auch die Versorgung mit Lebensmitteln. „Sie werden mit Schiffen transportiert und in einem speziellen Tunnelsystem in die Kapsel verfrachtet“, sagt der verantwortliche Architekt Takeushi Masaki auf Anfrage.
Das Projekt stützt sich auf die Expertise eines Forschungsteams der Universität Tokio und genießt breite politische Unterstützung. 30 Billionen Yen (umgerechnet 20 Milliarden Euro) soll das Vorhaben kosten, die Bauzeit beträgt 15 Jahre. Das ist kein Pappenstiel, vor allem wenn man bedenkt, wie wenig Bewohner in die Kapsel passen.
Um eine Stadt mittlerer Größe im Ozean anzusiedeln, müsste man Billionen Euro investieren – Geld, das der hochverschuldete japanische Staat nicht hat. Hinzu kommt, dass Japan eine rapid alternde Gesellschaft hat und die Städte – mit Ausnahmen von einigen Wachstumskernen in Tokio – mit Schrumpfung konfrontiert sind – und nicht mit Wachstum.
Der deutsche Städteforscher Christian Dimmer, der an der Uni Tokio lehrt, sagt im Gespräch mit dem Standard: „Prinzipiell ist jedes stadtplanerische Gedankenspiel zu begrüßen, das sich mit dem steigenden Meeresspiegel im Zuge des Klimawandels auseinandersetzt und das darauf abzielt, resilientere Städte zu bauen.“ Auf der anderen Seite bezweifelt Dimmer, ob diese Auslotungen des technisch Machbaren die richtigen Antworten für die komplexen Herausforderungen der Zukunft liefern können.
(Für die japanischen Visionäre ist die Zeit gekommen, eine neue Schnittstelle mit der Tiefsee zu schaffen – in Form einer Spirale)
Meterdicke Acrylglasscheiben
Eine bauliche Herausforderung besteht in den Materialien. Um dem Druck des Wassers standzuhalten, benötigt man drei Meter dicke Acrylglasscheiben, die zusätzlich mit glasfaserverstärktem Kunststoff verkleidet werden. Die Versorgung mit sauberem Wasser und Sauerstoff ist eine logistische Herausforderung. Gewiss, die Japaner sind für ihren Ehrgeiz und Präzisionswillen bekannt. Doch Zweifel bleiben.
„Die langfristige Unterhaltung einer solchen Unterwasserstruktur erscheint mir fragwürdig sowie deren Verletzlichkeit gegen Terrorangriffe, Unterwasserbeben oder andere unvorhersehbare Störfälle“, erklärt der Stadtplaner Dimmer. Es stelle sich generell die Frage, ob ein dermaßen komplexes, kostspieliges und zentral gesteuertes Projekt die richtigen Antworten für die Herausforderungen der Zukunft bereithält.
Denn wer wird sich leisten können, in solchen Städten zu leben? Wer entscheidet, wer dort einziehen darf und wer draußen bleiben muss?
Video:
https://www.youtube.com/watch?v=E6ezeHC2uAM
Bisher gibt es noch keinen konkreten Zeitplan für den Bau der Ocean Spiral, allerdings sollen die laufenden Forschungs-arbeiten dem Unternehmen zunehmend neue Technologien für die Verwirklichung liefern. In 15 Jahren könnte es dann soweit sein. Wie Shimizu bestätigt, wird das Projekt in der geschilderten Form schätzungsweise 26 Milliarden US-Dollar kosten. Die Bauzeit soll rund fünf Jahre betragen, sobald das ausreichende Know-how vorhanden ist.
Quellen: shimizu corporation/ingenieur.de/derstandard.at vom 31.12.2014
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…“großzügig gestaltete Einkaufspassage spazieren und an Sitzgruppen Kaffee trinken.“
Ach, so etwas habe ich schon gesehen.
Aber hier das ist das Konzept von kompletter Kunstwelt in kompletter Kunstwelt. Für Menschen? – und ein selbstbestimmtes Leben, weil es auf der Erde nicht genug Platz gibt, alles schon überbevölkert ist? Das ist eine Variante des Venus-Projekts, „zu dem Menschen hingeleitet“ werden „sollen“, wie ich anderswo las. Und dann die totale industrielle Lebensmittelversorgung? Und auch sonst viel Auswahlgeschehen, Vollregulierung des Lebens durch Vermieter.