US-Wirtschaftsdaten wurden immer geschönt. Heute blicken selbst Ökonomen nicht mehr durch. Das hat Methode.
Der US-Wirtschaft gehe es so gut, »dass Obama bei den Kongresswahlen den Senat verloren hat«. Mit diesem und ähnlichen Sprüchen machen sich Kritiker der Regierungspropaganda über die wirtschaftliche Erholung in den USA lustig. Ihr Argument: Den Indikatoren, die über die Gesundheit der Wirtschaft Auskunft geben sollen, sei schon lange nicht mehr zu trauen. Durch vielfache »Reformen«, die meist unter dem Oberbegriff »saisonale Anpassung« laufen, hätten Kennziffern jede Aussagekraft verloren und stünden im krassen Widerspruch zur Realität. Daher habe die Masse der US-Wähler, deren reales Einkommen laut US-Wirtschaftsnachrichtendienst Bloomberg auch heute noch teils erheblich unter dem Niveau des Jahres 2007 liegt, auch nichts vom »Aufschwung« bemerkt.
Wenn etwas besser dargestellt wird, als es ist, nennt man das meist Marketing. Die Berechnung ökonomischer Indikatoren wie Arbeitslosigkeit, Inflationsrate und Wirt-schaftswachstum stehen unter diesem Diktum. Immer neue, angeblich verfeinerte Definitionen mache das Ganze dermaßen komplex und undurchsichtig, dass selbst die meisten Ökonomen nicht mehr durchblicken. Ein idealer Nährboden für Manipulationen zwecks politisch motivierter Aufhübschung wirtschaftlicher Erfolge. Vorwürfe dieser Art, früher als linke »Verschwörungstheorien« abgetan, werden inzwischen von einer wachsenden Zahl kapitalistischer Investoren erhoben, wie z.B. von dem als »Tyler Durden« auftretenden Blogger der bekannten Webseite Zero Hedge (zerohedge.com) in dieser Woche.
In Anlehnung an George Orwells Buch »1984« über eine totalitär regierte und total manipulierte Welt bezeichnete »Durden« die verschiedenen US-Behörden, die ökonomische Indikatoren produzieren (z.B. das Büro für Arbeitsstatistiken, oder das Wirtschaftsministerium), als die US-Version des Orwellschen »Ministeriums für Wahrheit«. Mit ihren »lächerlichen, saisonal angepassten Daten wollen sie uns glauben machen, dass die USA sich an der Schwelle zu einem neuen, goldenen Zeitalter befinden«.
Leider sei das alles »eine große Lüge«, die verlängert würde durch die ebenfalls »total manipulierten Börsenkurse«, die von einem Rekordstand zum nächsten springen. Dabei sei das nur den außergewöhnlich hohen Injektionen von frischem Geld der Zentralbanken zu verdanken, wodurch die »Finanzmärkte« endgültig von der realen Wirtschaft getrennt worden seien. Als Indikator des Wohlstandes der US-Bevölkerung taugten die ohnehin nicht, obwohl das Obama in den letzter Jahren immer wieder gemacht hatte, so »Durden«.
Die Börsenkurse sind total manipuliert. Jüngste Untersuchungen haben ergeben, dass 90 Prozent der Kauf- oder Verkaufsentscheidungen an den Finanzmärkten in den USA nur noch von den Erwartungen neuer Geldschwemmen der Zentralbanken bestimmt werden. So ist es in den zurückliegenden sechs Jahren zu der paradoxen Situation gekommen, dass schlechte Wirtschaftsnachrichten jedes Mal die Aktienkurse in die Höhe schnellen ließen, weil das die Aussicht auf die Fortführung der lockeren Geldpolitik bedeutete.
Profitiert davon haben nur die ganz Reichen. Das Privatvermögen der USA ist heute in so wenigen Händen konzentriert wie nie zuvor in der Geschichte. Dagegen drohen immer mehr Amerikaner, aus der sogenannten Mittelschicht auch fünf Jahre nach dem offiziellen Ende der »großen Rezession« im Jahr 2009 in die Armut abzurutschen. Unter der entsprechenden statistischen Grenze oder knapp darüber müssen derzeit mehr als die Hälfte der US-Bürger leben. Die Konzentration des Reichtum hat derart erschreckende Dimensionen angenommen, dass etliche Multimilliardäre wie Warren Buffet sich inzwischen Sorgen um die soziale Stabilität und ihre eigene Zukunft im Lande machen.
Ein Alarmruf an ihre »Artgenossen«, mehr Mäßigung zu zeigen und Teile ihres Reichtums für gemeinnützige Zwecke öffentlichkeitswirksam zu verwenden, verhallte ungehört. Beim Streben nach Profitmaximierung gibt es keine Grenzen.
Die Politik könnte diese Entwicklung stoppen. Doch deren Exponenten verdanken ihre Positionen den Wahlspenden jener Leute, deren Reichtum sie per Gesetz beschneiden und umverteilen müssten. Und weil diesen auch die Medien gehören, ist jeder politische Versuch, für größere soziale Gerechtigkeit zu sorgen, von vorn herein zum Scheitern verurteilt. Auch Wahlen bringen nichts. Die Bevölkerung darf nur Leute aus der Gruppe wählen, die dank der Spenden des Großkapitals bereits die entsprechenden Vorwahlen gewonnen haben. In diesem Einparteiensystem des Kapitals gibt es keinen Mechanismus zur Autokorrektur. Und die Masse der zunehmend unzufriedenen Bevölkerung? Kann nichts tun. Anti-Terrorgesetze, Massenüberwachungssysteme und eine beängstigende Aufrüstung der Polizei mit schwerem militärischen Gerät dienen letztlich nur dazu, die Superreichen zu schützen.
Quellen: Reuters/jungewelt.de vom 14.11.2014
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