Kind sein, Erwachsen sein; da trennen wir ganz klar, das sind für uns zwei Welten. Mit süßlicher, beschwichtigender Stimme begegnen wir unseren Mitmenschen in dieser Zeit, wenn sie heranwachsen und noch alles wissen wollen. Wir grinsen sie an, als hielten wir sie für blöd. Doch das hört auf.
In Reih‘ und Glied marschieren sie ins Erwachsenenleben und vergessen oft kindliche Tugenden, wie Neugier, Empathie und grenzenlose Liebe, stellen langsam keine naiven Fragen mehr.
Eine Weisheit sagt: „Ein großer Mensch ist derjenige, der sein Kinderherz nicht verliert.“ Ich behaupte, dass wir es fast alle verloren, zumindest vergessen haben. Wir können es wiederfinden, wenn wir Kinder als Vorbilder wählen.
Die Leidensgeschichte vom perfekten Kind
Eltern, Lehrer, Gesellschaft, alle bringen Kindern schnell bei, was sie dürfen und nicht dürfen. Was sie sollen und nicht sollen. Und vor allem: Wie sie sein sollen, und wie sie nicht sein sollen. Brav, strebsam, durchsetzungsfähig und vieles mehr. Der Jammer dabei ist, dass uns Kinder nur den Spiegel vorhalten, wer wir selbst sind, wenn sie ihre uner-wünschten Seiten an den Tag legen.
Ungeduld, Dinge mit anderen nicht teilen wollen, laut, frech, wütend, ängstlich, traurig sein. Wir wollen nicht, dass unsere Kinder so werden, wie wir. Also putzen wir den Spiegel, anstatt uns selbst das Gesicht zu waschen. Nach erfolgter Erziehung kommt raus, was wir fast alle kennen: Man ist mit sich selbst nur selten wirklich zufrieden. Im Kopf führen wir Selbstgespräche, mit einer kritischen, scharfen Stimme. Eltern sind mit sich selbst sogar viel kritischer, als ihre Kinder.
Große Teile unseres Lebens suchen wir nach etwas oder jemandem zum Festhalten, nach Zuständen, wie wir gerne wären, wie wir eigentlich sein sollten und wollen. Ich gelobe Besserung! Nicht nur an Neujahr.
Lob wird wichtiger als Leistung
Wenn ich in meinem Beitrag Kalter Krieg im Kopf beschreibe, dass wir unbewusst ständig Krieg führen, kommt dabei schnell ein „so sollten wir aber nicht sein“ oder ein „das ist falsch“ heraus.
Ein Gefühl von „schlecht“ und „verkehrt“. Wenn wir nicht für etwas sind, sind wir eben dagegen. Wie unsere Eltern. Sie haben uns beigebracht, dass vieles an uns nicht ok ist, wie es ist. Dieses wertlose Wissen tragen wir als Betriebssystem in uns, geben wir unbewusst unseren Kindern weiter. Und die werden es unbewusst ihren Kindern weitergeben.
Als logische Reaktion auf frühzeitige fundamentale Kritik haben die meisten von uns mit der Zeit auch ihre kindlichen Tugenden beiseite gelegt und konzentrieren sich nun darauf, Anerkennung zu gewinnen und sich bestätigen zu lassen, dass sie so schon ok sind.
Ich habe Arbeitskollegen (und mich selbst) beobachtet, die sich mehr über Anerkennung vom Chef gefreut haben als über das, was sie eigentlich geleistet haben, und dafür Über-stunden bis zum Heulkrampf hingenommen haben. Und ich selbst freue mir auch heute noch ein Loch in den Bauch, wenn andere das gut finden, was ich sage oder mache. Bestätigung! Egal, ob es im Nachhinein betrachtet vielleicht der größte Mist war, den ich hätte zustande bringen können.
Wir hören auf, echte Fragen zu stellen
Es gibt reine Wissensfragen, die auf eine einzige, klare Antwort zielen. Nehmen wir die hier: „Was sind Menschenrechte?“ Vereinfachte Antwort: „Rechte, die jeder Mensch hat.“ Von diesen großen, wichtigen Fragen gibt es genug auf der Welt. Die Fragen von Kindern können dabei wirklich begeistern, denn sie stellen Selbstverständliches auf den Prüfstand. „Warum heißt es AA machen und nicht BB?“, fragt zum Beispiel der Sohn von swen8805 im Frage-Portal gutefrage.net.
Die Antwort, dass „AA“ für Kinder in der Duzi-duzi-Phase einfach leichter auszusprechen ist, trifft nicht den Punkt. Es ist das unverfälschte und kreative Wissenwollen, das Kinder antreibt und nicht dazu dient, ein bereits festgefahrenes Bild der Welt zu komplettieren. Was Menschenrechte sind, klingt für mich im Vergleich nach einer ziemlich dämlichen, unempathischen Frage.
Manche Fragen sollten Kinder nicht stellen müssen
Kinder halten uns auch mit ihren Fragen den Spiegel vor: auf einer Seite der Frage-Community wurde eine Reihe „ausgezeichneter Fragen“ von Kindern zusammengestellt und beantwortet. Hier hat mich neben vielen entzückenden Fragen wie „Bekommen Eisbären eine Gänsehaut?“ oder „Warum regnet es in einem Ameisenhaufen nicht rein?“ die Frage einer 10-Jährigen erschreckt: „Was ist eigentlich Liebe?“
In den vielen gleichermaßen gut gemeinten wie völlig unterschiedlichen Antworten wird eines klar: Wir selbst sorgen dafür, dass sich ein junges Mädchen diese Frage überhaupt stellen muss. Klar wird dabei auch, dass manche Fragen von Kindern ein Leben lang unbeantwortet bleiben und deshalb immer wieder auftauchen. Die Frage nach der Liebe zum Beispiel ist aber später gar nicht mehr als Frage zu verstehen, sondern als Geständnis. Dass Liebe eben nur definiert wurde, anstatt sie zu kennen, während wir uns Catch the Millionaire ansehen.
Ein weiterer Spiegel: Die nervige „Wann-sind-wir-da-Frage“ heißt, in die Sprache der Erwachsenen übersetzt „Wann ist endlich Feierabend?“, „Wann finde ich endlich meinen Partner fürs Leben?“ oder „Wann kann ich in Rente gehen?“ Wer seinem Kind Ungeduld und Quengelei vorwirft, möge einen Blick in den eigenen Koffer der niemals endenden Ungeduld und der Hoffnung auf den nächsten, vermeintlich besseren Moment werfen.
Weil wir auf die wirklich wichtigen Fragen keine Antworten bekommen haben, geben wir uns mit Definitionen zufrieden, die unsere Sachfragen beantworten. Die echten Fragen enden aber irgendwann im Alter. Aus manchen wird dann vielleicht ein „hätte ich doch bloß“ oder ein „Warum??“, das nach keiner wirklichen Antwort sucht, sondern sich beklagen will.
Wieder zum Kind werden: Fragen, lachen, mit dem Leben spielen
Beneidenswert ist die anfängliche Leichtigkeit, mit der Kinder durchs Leben gehen. Derzeit kommt sie oft wohl erst im Alter wieder auf, wie im Film (und im Buch) „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“, bei dem es um ein sorgloses Stehaufmännchen geht. Allan Karlsson, der es an seinem 100-jährigen Geburtstag noch einmal wissen will und vor seiner eigenen Geburtstagsfeier aus dem Altersheim flieht, neue Freunde findet und aus versehen Millionär wird.
Die phantasievolle Geschichte hat bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen: die Sorglosigkeit des Hundertjährigen, der ein absoluter Pragmatiker ist. Genauso pragmatisch gehen Kinder ans Werk, in einer Welt, in der es noch keine selbstgemachten Probleme gibt.
Wer sich Kinder (oder manch älteren Menschen) zum Vorbild nimmt, stellt wieder Fragen über Selbstverständliches und lernt sich selbst besser kennen. Wenn wir Antworten auf den Prüfstand stellen, hinter die andere längst einen Haken gemacht haben, entdecken wir vielleicht wieder die kindlichen Tugenden. Ehrlichkeit, Verzeihen können, Ausgelassen-heit, Neugier oder die Fähigkeit, Grenzen überschreiten zu können, die andere vorgegeben haben, ohne uns zu fragen.
Quelle: huffingtonpost.de vom 22.09.2014
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Hat dies auf Matthiass Space rebloggt.
Tut mir leid,
ich halte diese Slogan für kompletten Blödsinn.
Das einzige was man von ihnen lernen kann steht schon in der Bibel,
dass der Mensch nicht alleine (einzeln) nur für sich leben kann,
nicht nur wegen der „Arbeitsteilung“, sondern aus „emotionalen“ Gründen.
Aristoteles: zoon politikon, ein gesellschaftliches Wesen.
Genau das hat sich in unserer „amerikanisierten“ Gesellschaft gründlich geändert.
Egoismus und „Individualisierung“ als Lebensziel.
Das macht in der Tat nicht glücklich.
Und (kleine) Kinder brauchen mehr als Gleichaltrige (Dummköpfe) OBLIGAT den (emotionalen) engen Kontakt zum Erwachsenen. Das kann auch gerne mal der Papa sein.
Die Kitapädagogin reicht dafür hinten und vorne nicht.
Kinder sind keine Engel, sie beißen und schlagen und quälen Tiere und Schwächere.