Brutto verdienen die Bundesbürger zwar gut. Netto landen sie aber nur im internationalen Mittelfeld. Kaum irgendwo anders kassiert der Staat so viel. Vor allem eine Bevölkerungsgruppe muss bluten.
Amerikaner dürfen sich schon am 21. April frei fühlen, Briten immerhin am 2. Juni. Die Bundesbürger hingegen müssen bis zum 8. Juli warten. Erst ab diesem Tag arbeiten die Deutschen für die eigene Tasche. Bis dahin haben sie – rein rechnerisch – nur dafür gewirtschaftet, um die Ansprüche von Staat und Gesellschaft zu befriedigen. In der Bundesrepublik ist dieser „Steuerzahlergedenktag“ so spät wie in kaum einem anderen Industrieland.
Der Bund der Steuerzahler Deutschland (BdSt) ermittelt diesen Steuerzahlergedenktag jedes Jahr aufgrund der Belastungen, die ein durchschnittlicher Steuer- und Beitrags-zahler schultern muss. Nach Angaben des Bunds belasten Steuern und Abgaben einen Durchschnittsverdiener mit 51,5 Prozent des Einkommens. Nicht einmal die Hälfte des selbst erwirtschafteten Geldes steht also zur freien Verfügung des Bürgers.
„Das gesamte Einkommen, das die Steuerzahler vor dem 8. Juli erwirtschaftet haben, wird rein rechnerisch an den Staat abgeführt“, sagte BdSt-Präsident Reiner Holznagel. Sogar die Uhrzeit lässt sich exakt berechnen: Bis 1.09 Uhr in der Nacht arbeitet der deutsche Michel für das Gemeinwesen.
1960 war die Einkommensbelastung noch geringer
Die Deutschen rackern nicht nur 36 Tage länger für Staat und Gesellschaft als zum Beispiel die Briten, der deutsche Steuerzahlergedenktag (international als „Tax Freedom Day“ bekannt) ist im Lauf der Geschichte deutlich weiter nach hinten gerückt.
Im Jahr 1960 fiel das Datum, das Arbeiten für die Gemeinschaft von Arbeiten fürs eigene Portemonnaie trennt, hierzulande noch auf den 1. Juni. Damals lag die Einkommens-belastungsquote bei gerade mal 40,3 Prozent. Doch schon in den Siebzigerjahren stiegen die staatlichen Ansprüche stark an.
Bis in die frühen Neunzigerjahre stieg die Quote nie deutlich über 50 Prozent oder nur knapp darüber. Seither wird jedoch immer mehr des individuellen Einkommens be-ansprucht. Das Maximum wurde im Jahr 2000 mit fast 55 Prozent erreicht. Danach setzte ein Umdenken ein. Allen Reformversprechen der Politik zum Trotz ist die prozentuale Belastung jedoch bis heute nur leicht zurückgegangen.
Kalte Progression erschwert Rückgang der Staatsquote
Das liegt nicht zuletzt an der kalten Progression in Deutschland, bei der Erwerbstätige selbst dann in höhere Steuersätze rutschen, wenn die Kaufkraft ihres Einkommens abzüglich der Inflation gar nicht zugenommen hat. „Diese Gerechtigkeitslücke muss geschlossen werden“, forderte Holznagel.
So wie das deutsche Steuerrecht konstruiert sei, nehme das reale Nettoeinkommen nach Abzug der Steuern ab. Eine regelmäßige Korrektur des Einkommenssteuertarifs sei geboten, um diese Ungerechtigkeit zu beseitigen.
Nach Angaben des Steuerzahlerbundes passen bereits 18 von 30 Industrieländern ihren Einkommensteuertarif an die Preisentwicklung an, um die schleichende Steuererhöhung zu stoppen, darunter Belgien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, die Schweiz, Spanien und die USA. Deutschland gehört mit Griechenland, Österreich und Italien zu den Ländern, die keinen Stopp der kalten Progression kennen.
Heimlichen Steuererhöhungen Riegel vorschieben
Holznagel will den Bundestagsparteien einen Gesetzesvorschlag mit einer konkreten Formel machen, um den heimlichen Steuererhöhungen über die Inflation einen Riegel vorzuschieben.
Als zweite Maßnahme wirbt der Bund der Steuerzahler dafür, den Solidaritätszuschlag abzubauen. Dieser sei verfassungsrechtlich fragwürdig, weil ein immer geringerer Teil der so erzielten Mehreinnahmen in Form von Bundeszuweisungen in die neuen Länder fließt.
Den Angaben des Steuerzahlerbunds zufolge spült der Soli dem Finanzminister zwischen 2005 und 2019 rund 211 Milliarden Euro in die Kassen, denen lediglich rund 157 Milliarden Euro Solidarpakt-Ausgaben gegenüberstehen.
Stromsteuer sollte abgesenkt werden
Ferner forderte Holznagel, die Stromsteuer auf das EU-rechtlich vorgegebene Mindestmaß abzusenken und die ungerechtfertigten Mehreinnahmen, die der neue Rundfunkbeitrag bringt, an die Bürger und Unternehmen zurückzugeben.
Bereits 2013 und 2012 fiel der Steuerzahlergedenktag auf den 8. Juli. Letztes Jahr hatten die Deutschen ab 9.55 Uhr alle Steuern und Abgaben abgearbeitet. Die leichte Ver-besserung rührt daher, dass das Volkseinkommen in den vergangenen zwölf Monaten etwas stärker gewachsen ist als Steuern und Abgaben.
Allerdings hätte 2014 leicht ein Jahr werden können, in dem die Belastungsquote zurückgeht und der Steuerzahlergedenktag auf ein weniger spätes Datum fällt. Wegen der hohen Rücklagen der gesetzlichen Kassen 2014 hätte nämlich der Rentenversicherungs-beitrag um 0,6 Prozentpunkte gesenkt werden müssen.
Rentenpaket verhindert Entlastung der Arbeitnehmer
„Diese Entlastung ist Arbeitnehmern und Arbeitgebern vorenthalten worden, weil die Rücklagen zur Finanzierung des Rentenpakets verplant worden sind“, resümiert Volker Stern vom Deutschen Steuerzahlerinstitut, das dem Bund der Steuerzahler angeschlossen ist.
Der Steuerzahlergedenktag ist unter Ökonomen nicht unumstritten. Bei seiner Be-rechnung bezieht der Steuerzahlerbund zum Beispiel auch die EEG-Umlage zur Ökostrom-Förderung und den neuen Rundfunkbeitrag mit ein.
Kritiker wenden zudem ein, dass Beitragszahler für ihre Einzahlungen Gegenleistungen von den Sozialkassen erhalten. Mit den Steuereinnahmen würden zudem Bildung, Sicher-heit, Verteidigung, Kinderbetreuung, Straßenbau und andere öffentliche Leistungen finanziert.
OECD konstatiert hohe Belastungen in Deutschland
Auch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) weist Deutschland im internationalen Vergleich als ein Land mit außergewöhnlich hohen Belastung aus.
„Die Bundesbürger erzielen im internationalen Vergleich zwar hohe Bruttoverdienste, beim Nettoeinkommen rangieren sie aber nur im Mittelfeld“, resümiert Stern.
Besonders hart trifft es Singles. Nach Berechnungen der OECD belaufen sich direkte Lohnabzüge und Umsatzsteuer bei Ledigen auf 53,1 Prozent der Bruttoarbeitskosten.
Das ist der dritthöchste Wert aller untersuchten Länder. Nur in Belgien und Ungarn ist die Belastung höher. Im Durchschnitt der OECD-Länder beträgt der Abzug nur 40,3 Prozent. Schweizer Singles kommen mit 24,2 Prozent davon.
Doppelverdiener mit zwei Kindern werden in der Bundesrepublik mit 43,1 Prozent belastet. Der OECD-Durchschnitt liegt bei 33,3 Prozent.
Im Bundesdurchschnitt verbleiben 48,5 Cent pro Euro
Von einem verdienten Euro verbleiben nach BdSt-Angaben beim durchschnittlichen Steuer- und Beitragszahler in Deutschland derzeit nur 48,5 Cent: Allein 20 Cent entfallen nach Angaben des Steuerzahlerbundes auf Sozialabgaben, darunter 1,1 Cent Pflege-versicherung, 1,5 Cent Arbeitslosenversicherung, 7,8 Cent Krankenversicherung und stolze 9,6 Cent Rentenversicherung.
Dazu addieren sich 31,5 Cent an Steuern und Abgaben. Im Durchschnitt sind das 9,5 Cent Mehrwertsteuer, 11,8 Cent Lohn- und Einkommensteuer plus Soli sowie 1,9 Cent Energiesteuer. Weitere 6,8 Cent entfallen auf sonstige Steuern, zum Beispiel Erb-schaftsteuer, Kfz-Steuer, Versicherungsteuer. EEG-Umlage und Rundfunkbeitrag knabbern 1,5 Cent vom Einkommen ab.
„Wir müssen dafür sorgen, dass der Steuerzahlergedenktag künftig früher begangen wird“, sagte Holznagel am Ende der Pressekonferenz.
Quellen: Bund der Steuerzahler Deutschland/WeltOnline vom 08.07.2014
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Die Geschichte der „Neuen Weltordnung“
Hat dies auf Oberhessische Nachrichten rebloggt.
“ Die Bundesbürger hingegen müssen bis zum 8. Juli warten.“
LOOOOOOL! 8. November oder noch besser 8. Dezember ist die Realität.