Geheime Post per externem Kurier: Deutschlands Agenten und Behörden gehen mit als vertraulich gestempelten Dokumenten oft recht lax um. Die Branche wundert sich.
Zum Wesen eines jeden Geheimdienstes gehören Geheimnis und Geheimhaltung, und in aller Regel wird eine geradezu viktorianische Diskretion gepflegt. Wie es im betrieb-lichen Alltag um die Pflege der Anonymität steht, hat vor ein paar Monaten der Bundes-rechnungshof untersucht. Das Ergebnis, festgehalten in einem natürlich als „VS-Vertraulich“ amtlich geheim gehaltenen Bericht, der nicht für die Öffentlichkeit bestimmt ist, kann schon einige Irritationen auslösen: Die amtliche Geheimnistuerei hat auch ihre Grenzen. Und: In der heimlichen Wirklichkeit geht es nicht immer perfekt zu – wie auch sonst nicht auf der Welt.
Geheimdienste versehen alles, was auf den Schreibtisch kommt, mindestens mit einem Verschlusssachen-Stempel. Dieser Umstand führt übrigens dazu, dass amtliche Stellen manchmal an Untersuchungsausschüsse leere nur mit VS abgestempelte Blätter liefern. Darum haben die Rechnungsprüfer nachgeschaut, wie die vielen Verschlusssachen im Lande auf den Weg gebracht werden. Das Ergebnis: „unterschiedlich“.
Ganz penibel geht demnach der Bundesnachrichtendienst (BND) mit seinen Verschluss-sachen um. Der Auslandsnachrichtendienst unterhält einen eigenen Kurierdienst, der all die wichtigen Nachrichten sicher ans Ziel bringt. Diese Methode ist bombensicher, es sei denn, der Bote ist ein Doppelagent. Das für die Spionageabwehr zuständige Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) mit Sitz in Köln geht dagegen rheinisch unkonventionell vor. Sogar bis „Geheim“ eingestufte Verschlusssachen, was nach „Streng geheim“ die zweit-geheimsten überhaupt sind, lasse der Kölner Nachrichtendienst „von einem externen Dienstleister transportieren“, meldet der Bundesrechnungshof. Diese Nachricht löste offenbar in der Branche der Geheimen Erstaunen aus.
Versand geheimer Papiere per externem Boten
Die vom BND könnten „nicht nachvollziehen“ , so der Bundesrechnungshof, „wie der Transport von Verschlusssachen bis zum Geheimhaltungsgrad ,Geheim'“ durch „nicht ausreichend sicherheitsüberprüfte Dienstleister“ überhaupt klappen solle. Mit der für alle Nachrichtendienste gültigen „Verschlusssachen-Anweisung und dem Gesetz über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen des Bundes“ sei diese Art Kuriertätigkeit „nicht vereinbar“.
Die Einstufung „Geheim“ ist schon was. Sie bezieht sich auf Verschlusssachen, deren Kenntnis „durch Unbefugte die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährden oder ihren Interessen schweren Schaden zufügen“ könnte. Wenn man solche Akten liest, begreift man oft allerdings nicht sofort, warum die Lektüre das Land gefährden soll.
Ohnehin spricht manches für den Einsatz eigener Boten, wie neulich auch die Staats-anwaltschaft Hannover erfuhr. Sie schickte in der Sache des Ex-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy einen wichtigen Brief mit CityPost an den Bundestag in Berlin. CityPost reichte das Schreiben an PinMail weiter. Als der Brief erst rund eine Woche später beim Empfänger landete, war er geöffnet und mit je einer Wertmarke der beiden Firmen versehen. Allerdings handelte es sich auch nicht um eine Verschlusssache. Per Erlass ordnete das niedersächsische Justizministerium Ende Mai an, dass in Immunitäts-angelegenheiten Schreiben an den Bundestagspräsidenten künftig per Boten überbracht werden sollen.
Sicherheitsüberprüftes Personal aus der Poststelle
Der kleinste aller deutschen Geheimdienste, der Militärische Abschirmdienst (MAD), setzt, wenn es brennt, sicherheitsüberprüftes Personal aus der Poststelle ein oder macht es wie das BfV und schickt einen privaten Kurier. Wirtschaftsunternehmen, die auch VS-Post zu befördern hätten, ließen die Sendungen im Poststrom mitlaufen, so die Rechnungsprüfer. Transportiert würden sie im Auto in einem Aufbewahrungsfach.
Bei der betriebsärztlichen Betreuung von Nachrichtendienstlern gebe es solche unter-schiedlichen Systeme nicht. BND und BfV würden auf private Ärzte zurückgreifen, die natürlich die erweiterte Sicherheitsüberprüfung durchlaufen haben müssen. Zwar gilt für jeden Mediziner das Arztgeheimnis, aber im Fall von Nachrichtendienstlern gilt es ganz besonders. Der kleine MAD ist bei den Betriebsärzten ganz stark, denn er kann auf den Sanitätsdienst der Bundeswehr zurückgreifen. Zwar werden die MAD-Leute von den anderen Diensten nicht immer nett behandelt, aber wenn einer zum Arzt muss, hält die Truppe zusammen.
Das ist auch gut für den BND. Etwa 800 Soldaten sind beim Auslandsnachrichtendienst beschäftigt und wenn die das Glück haben, in Berlin arbeiten zu dürfen, werden sie dort von der Bundeswehr betriebsärztlich mitbetreut. Diese Information über die Ko-operation zweier Dienste ist natürlich Verschlusssache. Der BND habe sich einmal bemüht, einen eigenen „qualifizierten Arbeitsmediziner zu finden“, so der Bundes-rechnungshof, aber das sei am Geld gescheitert. Obergrenze sei die Besoldungsstufe A15 und für das Gehalt, das da zu verdienen ist, habe sich kein Mediziner gefunden. So schlecht geht es den Ärzten wohl doch nicht.
Quelle: sueddeutsche.de vom 21.06.2014
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