Der stark gewachsene Niedriglohnsektor und der hohe Anteil befristet Beschäftigter sind ursächlich für das hohe Armutsrisiko. Besonders gefährdet sind Minijobber und Alleinerziehende. Ihnen droht oft Altersarmut, da die Rentenansprüche in Deutschland enger als in anderen Staaten an die Einkommen gekoppelt sind, so eine Studie der OECD.
Der Aufschwung in Deutschland geht an den sozial Schwächsten vorbei. Zu diesem Ergebnis kommt die OECD in ihrem alle zwei Jahre veröffentlichten Wirtschaftsausblick. „Das relative Armutsrisiko und die Einkommensungleichheit sind in den letzten Jahren weitgehend unverändert geblieben“, heißt es darin. OECD-Generalsekretär Angel Gurria fordert die Bundesregierung deshalb zu Reformen auf. „Das Land muss jetzt handeln“, sagte er am Dienstag.
Dank der Reformen im vergangenen Jahrzehnt habe Deutschland im historischen und im internationalen Vergleich eine der niedrigsten Arbeitslosenquoten, stellt die 34 Mit-gliedsländer zählende Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) fest. Problematisch seien jedoch der stark gewachsene Niedriglohnsektor und der hohe Anteil befristet Beschäftigter. Besonders groß sei nach wie vor das Armutsrisiko für geringfügig Beschäftigte wie Minijobber, Alleinerziehende, Langzeitarbeitslose, ältere Beschäftigte und Zuwanderer.
„Mit 37 Prozent ist der Anteil der privaten Haushalte ohne Vermögen verhältnismäßig hoch“, heißt es etwa. Zugleich seien die Aufstiegschancen von Geringverdienern ge-sunken. Ihnen drohe oft Altersarmut, da die Rentenansprüche in Deutschland enger als in vielen anderen OECD-Staaten an die Einkommen gekoppelt seien.
Die OECD empfiehlt daher, der Zweiteilung des Arbeitsmarktes entgegenzuwirken – hier Arbeitnehmer mit unbefristeten Verträgen, höherem Kündigungsschutz und häufig komfortablerem Gehalt, dort jene mit befristeten Verträgen, wenig Schutz und geringerem Lohn. „Ein allgemeiner, von einer unabhängigen Expertenkommission festgelegter Mindestlohn könnte dabei helfen“, so die Organisation. „Ebenso eine Angleichung der Regeln zum Beschäftigungsschutz in befristeten und unbefristeten Verträgen.“ Langzeitarbeitslose müsse zudem durch gezielte Zuschüsse und Anreize zur Weiterbildung geholfen werden.
Mindestens ebenso wichtig sei aber, schon jungen Menschen gleich gute Startbeding-ungen für Bildung und Beruf zu ermöglichen. Neben Investitionen in die frühkindliche Bildung, fordert die OECD mehr Mittel für Schulen mit einem hohen Anteil sozial benachteiligter Schüler. Der Ausbau erschwinglicher Plätze für die Kinderbetreuung „erleichtert die Arbeitsmarktintegration von Alleinerziehenden und verbessert die Verdienstaussichten, insbesondere von einkommensschwachen Haushalten“. Das könne insbesondere helfen, Frauen eine Vollzeitstelle zu ermöglichen. Nur 62 Prozent der Frauen seien in Vollzeit tätig, im OECD-Schnitt hingegen 74 Prozent.
Die OECD rät außerdem dazu, Arbeit weniger zu besteuern und die Sozialabgaben vor allem für Geringverdiener zu senken. Um keine Löcher in die Staatskasse zu reißen, könnte Immobilienbesitz stärker besteuert werden. Zudem sollten Gewinne aus dem Verkauf nicht selbst genutzter Immobilien nicht mehr von der Steuer befreit werden und Steuervorteile für Firmenwagen und die Pendlerpauschale zurückgefahren werden. „Es besteht auch Spielraum zur weiteren Steigerung der Einnahmen aus der Erbschaftsteuer durch die Abschaffung von Befreiungen.“
Quellen: dpa/Deutsche-Wirtschafts-Nachrichten vom 13.05.2014
Weitere Artikel:
Im reichsten Land Europas: Aus für Flaschensammler (Video)
Gutachten: Armuts-Quote in Deutschland erreicht Höchststand
Rentner mit Geldsorgen: Alt, arm und abhängig
Weniger Kinder und mehr Arme dank schärfster Krise seit den 1930er-Jahren
Die Slums von Kreuzberg: Das ist nicht Bombay, das ist Berlin
Deutschland altert trotz Zuwanderung rapide
Viele Alleinerziehende leben in Armut
Wirtschaftskrise senkt Geburtenraten in Europa
Armut: In Europa stehen elf Millionen Wohnungen leer
Ende der Zivilisation: Europäer werden wieder Höhlen-Menschen
Fast jedes fünfte Kind von Armut bedroht
Troika bricht Grundrechte: EU-Sparmaßnahmen – „Merkels Politik ruiniert Europa“
Jeder vierte EU-Bürger ist von Armut bedroht (Video)
Armut: Mensa zu teuer – Studenten wandern zur Tafel ab
Armut: Immer mehr Studenten aus finanzieller Notlage auf Tafel-Angebot angewiesen
Humanitäre Krise: 43 Millionen Europäer haben nicht genug zu essen
Drohende Altersarmut Neu-Rentner bekommen immer weniger Geld
Hartz-IV-Empfänger, Rentner, Asylanten: 7,25 Millionen Menschen brauchen Hilfe vom Staat
Maden im Speck – EU-Parlament: Essensreste für Arme
Schuldner-Atlas: Deutschland rutscht in die Schuldenfalle
Mangel in Deutschland: “Die Hartz-IV-Sanktionen sind menschenrechtswidrig”
Kluft zwischen armen und reichen Kindern wächst in Deutschland
Jobcenter: Hartz IV Bezieher sollen Möbel verkaufen und Leitungswasser trinken
Kluft zwischen armen und reichen Kindern wächst in Deutschland
Hartz IV: Zahlungsverzögerung bei den Jobcentern zum Monatsanfang
Mindestlohn und Reichensteuer: Rezepte für mehr Armut
McDonald’s veröffentlicht Spar-Ratgeber: Sollen sie doch Cheeseburger essen
Forscher: Armut reduziert geistige Leistung
Jobcenter: Hartz IV Bezieher sollen Möbel verkaufen und Leitungswasser trinken
Prekäre Lebensverhältnisse: Trotz Job “Hartz IV”
Armes Deutschland: Mehr als 20 Prozent billige Arbeitskräfte
Wie Hessen seine Lehrer mit Arbeitslosigkeit zermürbt
Hartz IV Betroffenen absichtlich für tot erklärt?
Vorwurf des Bundesrechnungshofs: Arbeitsagentur manipuliert Vermittlungsstatistik
Inge Hannemann: Offener Brief an den Vorstand der Bundesagentur für Arbeit
EU gesteht: Wir können Arbeitslosigkeit nicht stoppen
Hartz IV-Behörde treibt Schulden bei Kindern ein
Vergewaltigung der Menschenwürde per se – Kinder in den Jobcentern
Friedrich Schiller: “Die Räuber” von heute…
Hartz IV Kritik: Die Empörung über das System
Wie die Bundesregierung uns betrügt: So lügt man mit Statistik
Armutsbericht: Betroffene ausgeklammert – eine Mogelpackung
Fragwürdige Quote: Warum Jobcenter die Leiharbeit puschen
Gesteuerter Protest: FEMEN – Eine wahrhaftig skandalöse Enthüllung
Armutskonferenz: Die Worte „arbeitslos“ und „alleinerziehend“ sind zu verbieten
250.000 Jugendliche ignoriert: Regierung trickst bei Lehrstellen-Statistik
Arbeitslosigkeit: Die geschönte Statistik
USA: Tea-Party Bewegung als Erfindung der Tabak-Industrie
Meinungsmache: Rothschild Presse in Deutschland seit 1849 (Videos)
Jeder fünfte Deutsche von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffen
Deutschland: Mehr als eine Million Kinder leben in Armut
Sklavensystem: Bundesagentur geht gegen kranke Hartz-IV-Empfänger vor
Staatenlos & Neue Welt Ordnung oder Heimat & Weltfrieden (Kurzfilm)
Deutschland: Der geheime Plan (Videos)