Politiker wollen Rollenbilder verändern: Väter sollen deutlich weniger, Mütter viel mehr arbeiten. Die Wirtschaft freut sich, denn Frauenarbeit senkt das Lohnniveau.
Die 35-Stunden-Woche ist wieder im Gespräch. Einst war sie das Ziel der Gewerkschaften, die in der deutlichen Verkürzung der Arbeitszeit ein geeignetes Mittel gegen die Massenarbeitslosigkeit sahen. Heute empfiehlt sie der Chef der deutschen Handelskammern, Eric Schweitzer. In der FAZ sagte er, Väter sollten beruflich ein kleines bisschen kürzertreten, damit die Mütter sehr viel mehr arbeiten könnten.
Und wer nun glaubt, Schweizer rede so daher, weil er Familien etwas Gutes tun wolle, der wird vermutlich auch noch an den Osterhasen glauben. Tatsächlich spricht er für eine Wirtschaft, die aus einem dusseligen Vorschlag von Familienministerin Manuela Schwesig Kapital schlagen will.
Selbstverwirklichung in Lohnabhängigkeit
Schweitzers Kalkül ist nicht schwer zu ergründen. Frauen verdienen in den meisten Berufen weniger als Männer, auch wenn sie die gleiche Arbeit verrichten. Daran hat sich seit den siebziger Jahren nichts geändert, als die Frauen Kinder, Heim und Herd verließen, um sich in der Lohnabhängigkeit selbst zu verwirklichen. Schon damals hat die Wirtschaft vom Eintritt der Frauen in die lohnabhängige Erwerbsarbeit profitiert. In meinem im Mai erscheinenden neuen Buch „Verfallssymptome – Wenn eine Gesellschaft ihren inneren Kompass verliert“ vollziehe ich diese Entwicklung nach und zeige auf, dass Frauen bereit waren, für ihren Berufseinstieg deutlich weniger Lohn und Gehalt zu arbeiten als Männer, deren Einkommen damals noch eine Familie ernähren musste.
So verdrängten die Frauen etwa Männer in zahlreichen kaufmännischen Berufen. Büroarbeit wurde zur schlechter bezahlten Frauenarbeit. Wenn Arbeitgeber nun dafür werben, dass Väter zu Hause bleiben, damit Frauen sehr viel mehr arbeiten können, verbinden sie damit die Hoffnung, erneut das Lohn- und Gehaltsniveau absenken zu können. Die Unternehmen profitierten von den für sie damit verbundenen Kosten-vorteilen.
Junge Eltern für dumm verkauft
Aber was ist mit den Familien? Die hätten deutlich weniger Geld. In den siebziger Jahren war der kurzfristige Einkommensvorteil durch die Berufstätigkeit der Frau schnell auf-gebraucht. Der Markt passte sich der neuen Situation an, und heute müssen Mann und Frau Vollzeit arbeiten, wenn sie eine Familie ernähren wollen. Oft genug sind sie gar gezwungen, noch Nebenjobs annehmen. Das ist die Realität – und inzwischen sogar amtlich.
Über drei Millionen Deutsche kommen ohne Nebenjobs nicht mehr über die Runden, berichtete das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Und wenn schon die Bild-Zeitung erkannt hat, dass etwa ledige Laborantinnen heute ohne Zweitjob ihren Lebens-unterhalt nicht mehr bestreiten können: Wie viel schwieriger ist es da, eine drei- oder vierköpfige Familie durchzubringen? Wer seine Arbeitszeit reduziert, verdient noch weniger, auch wenn er ein paar Euro Zuschüsse vom Staat erhält. Kein Wunder, dass sich junge Eltern von dieser Politik für dumm verkauft fühlen.
Traditionelle familiäre Strukturen aufbrechen
Und die Folgen für die Zukunft sind noch härter. Denn die jungen Eltern verlieren durch die Lohneinbußen wichtige Rentenansprüche. Ausgerechnet sie, die für den Fortbestand der Gesellschaft sorgen, werden im Alter dafür mit Minirenten oder gar Armut bestraft. Aber das scheint weder Sozialdemokraten noch Christdemokraten zu berühren, deren bisherige Familienpolitik mit bezahlter Elternzeit und dem Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz auf ganzer Linie gescheitert ist. Die Deutschen bekommen immer noch viel zu wenige Kinder, und die Lust auf Familiengründung ist weiterhin nur gering ausgeprägt ist.
Doch die wahre Absicht hinter Schwesigs Vorschlag ist sowieso eine ganz andere. Sie will endgültig traditionelle familiäre Strukturen aufbrechen. Väter sollen in eine Rolle gedrängt werden, die sie freiwillig nie einnähmen. Ob das am Ende zum Nutzen der Kinder und der Familie insgesamt ist, spielt in der Debatte leider keine Rolle. Schwesig geht es ums Prinzip: Der Vater soll eine Art zweite Mutter sein.
Familienfreundliches Klima schaffen
Vermutlich liegt es an der ideologischen Verblendung, dass die Politik nicht merkt, wie sehr sie den Familien damit mindestens finanziell schadet. Wer will, dass es Familien gut geht, der muss sie materiell gutstellen. Das heißt, Löhne und Gehälter müssen steigen, und es darf keine Gehaltsunterschiede mehr zwischen Männer und Frauen geben. Die Arbeitszeiten müssen dem Familienleben entgegenkommen. Außerdem brauchen Familien perfekt aufeinander abgestimmten Bildungs- und Betreuungsangebote für Kinder, damit Eltern ohne Sorgen um den Nachwuchs ihrer Arbeit nachgeben können.
Wir müssen ein insgesamt familienfreundliches Klima schaffen. Das gelingt ganz sicher nicht, indem wir nun den Mann aus dem Berufsleben reißen und an Stelle der Mütter nach Hause schicken.
Quelle: geolitico.de vom 20.04.2014
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