Folgen der Erdgas- und Wasserförderung: Absackende Metropolen

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Shanghai, New Orleans, Athen – viele Metropolen versinken langsam im Erdboden, manche kippen regelrecht ins Meer. Auch Mitteleuropa ist betroffen. Und schuld ist oft der Mensch.

Hurrikan Katrina habe New Orleans sicherer gemacht, so glauben die Bewohner der US-Stadt an der Küste im Golf von Mexiko. Nachdem der Sturm vor neun Jahren meterhohe Fluten in die Straßen gedrückt hatte, wurden neue Deiche gebaut.

Satellitendaten zeigen nun, dass die Hoffnung trügen könnte. An manchen Stellen senken sich die Schutzbauten. Mehr noch: New Orleans insgesamt sackt ab – manche Stadtteile um das Zehnfache schneller als der Rest. Stehen Deiche in den Extremzonen, drohen neue Fluten.

Metropolen weltweit erleben ein ähnliches Schicksal, berichten Forscher auf der Jahres-tagung der Europäischen Geowissenschaftlichen Union (EGU) in Wien. „Zahlreiche Städte sind auf dem Weg nach unten“, sagt Gilles Erkens von der Universität Utrecht in den Niederlanden.

Oftmals sind Menschen dafür verantwortlich. Vor allem die Förderung von Erdgas, Öl und Grundwasser lasse ganze Regionen einsacken. Dort erhöhe weniger der steigende Meeresspiegel die Hochwassergefahr, sondern vor allem der absinkende Boden, berichtet Erkens. Manche Städte setzen sich zehnmal schneller ab, als die Ozeane anschwellen.

Mulden in Niedersachsen

Auch dem Küstenschutz im Nordosten der Niederlande wird der Boden entzogen. Dort höhlt die Gasförderung den Boden förmlich aus. Seit 1959 pumpen Firmen vor Groningen Gas aus einem der größten Reservoire Europas. Die entleerten Gesteinsporen halten dem Druck nicht stand, sie sacken zusammen – der Boden gibt nach, seit den siebziger Jahren um bis zu 30 Zentimeter. Ein Ende des Abwärtstrends ist nicht erkennbar.

In den nächsten 40 Jahren könnte sich die Region Groningen um weitere 30 Zentimeter setzen, prophezeit das niederländische Institut für Wassermanagement RIZA.

Die Erschließung mehrerer Gasfelder im Wattenmeer ist zwar bereits untersagt worden, um Setzungen zu verhindern. Die Gasförderung bei Groningen jedoch soll noch Jahr-zehnte aufrechterhalten werden. Das Reservoir deckt einen Gutteil des Energiebedarfs der Niederlande. Und etwa ein Fünftel des niederländischen Erdgases wird nach Deutschland exportiert.

Auch im benachbarten Niedersachsen hat sich der Boden nach jahrzehntelanger Gasförderung um einige Zentimeter abgesenkt, weite Mulden zieren die Landschaft. Gravierende Probleme für den Küstenschutz oder Gebäudeschäden sind in Deutschland aber nicht zu befürchten. Die Gasfelder in Niedersachsen sind etwa hundertmal kleiner als die bei Groningen.

Schuldige in China überführt

Mit Radarsatelliten kommen Wissenschaftler solchen Veränderungen auf die Spur. Sie vergleichen Bodenaufnahmen, die Satelliten im Laufe der Jahre gemacht haben. Die Radare senden elektromagnetische Strahlen zur Erde. Senkt sich die Erde, sind die Strahlen länger unterwegs. Auch GPS-Navigationssensoren zeigen die Veränderungen.

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Satellitenbilder aus dem Osten Chinas etwa leuchten vielerorts knallrot: Um bis zu zwölf Zentimeter pro Jahr senke sich dort der Boden, berichtet Zhenhong Li von der University of Newcastle auf der EGU-Tagung. Ursache sei die Wasserförderung. Obwohl in der Region viel Regen falle, sei der Grundwasserspiegel in den neunziger Jahren in nur zehn Jahren von zwei Meter auf fünf Meter Tiefe gefallen.

Die Hauptverursacher können mit Satellitenaufnahmen überführt werden: Extreme Senkungszonen liegen oft neben Kraftwerken oder Fabriken, die viel Wasser benötigten. Doch es gibt Hoffnung: Die chinesische Regierung hat im Jahr 2000 die exzessive Grundwasserförderung in manchen Regionen verboten. Mancherorts hebe sich nun der Boden.

Nasse Füße in Indonesien

Anderswo in China geht es gerade erst abwärts. Shenzen etwa ist in nur 30 Jahren vom 30.000-Einwohner-Städtchen zur Zehn-Millionen-Metropole angeschwollen. Die Folgen ließen sich nun überall besichtigen, erzählt Peng Liu von der örtlichen Universität: Zahl-reiche Gebäude würden von tiefen Rissen durchzogen. Radardaten zeigten, dass sich ganze Stadtteile um fünf Millimeter im Jahr senkten.

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Dramatisch ist die Lage in der indonesischen Hafenstadt Semarang. Die Millionenstadt kippt regelrecht ins Meer. Bis zu 15 Zentimeter pro Jahr senken sich küstennahe Stadtviertel, haben Forscher der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe BGR in Hannover berechnet. Das Wasser drücke in die Stadt. Ganze Wohngebiete und Industrieanlagen werden im Zuge der Gezeiten täglich geflutet. Manche Straßenzüge der Millionenstadt sind bereits im Meer versunken.

Anwohner legen Ziegelsteine auf die Straße, um trockenen Fußes voranzukommen. Straßen werden mit Erde und Schutt erhöht, um sie über dem Meeresspiegel zu halten. An manchen Orten ragen nur noch die Häusergiebel über den Straßenrand. Ursache des Desasters ist auch dort die unkontrollierte Förderung von Grundwasser. Die Entleerung der Bodenschichten lasse den Untergrund absacken. Zudem führe die Wasserentnahme dazu, dass Tonschichten austrocknen. Dadurch schrumpfe das Erdreich.

Erfolg für Tokio

Indonesien habe spät auf die Gefahr reagiert, sagt Erkens. Obwohl auch Teile der Hauptstadt Jakarta mehrere Zentimeter im Jahr absacken, brauchte es ein extremes Hochwasser vor sieben Jahren, bis Konsequenzen beschlossen wurden. Forscher wurden beauftragt, das Risiko zu untersuchen und Maßnahmen vorzuschlagen.

In Lissabon, Bangkok, und Athen hat die Grundwasserförderung ähnliche Folgen. Das Einsinken von Teilen von Sankt Petersburg hingegen führen Forscher auf die Last der Gebäude zurück. Auch Shanghai (Foto) kommt dem Meeresspiegel vielerorts bereits gefährlich nahe. Das Gewicht Tausender Hochhäuser beschleunigt den Niedergang, der weiche Marschboden unter Shanghai sackt zusammen. U-Bahn-Trassen verformen sich, Gebäude zeigen Risse.

Gestoppt ist der Abwärtsgang in Tokio. Die Stadt hatte sich Mitte des 20. Jahrhunderts um vier Meter gesenkt. Dann wurde die Grundwasserförderung drastisch eingeschränkt. Seit den siebziger Jahren scheint sich die Metropole stabilisiert zu haben.

Auch die weltweite Förderung von Sand zwecks Planierung des Planeten für die Schaffung von künstlichen Urlaubswelten, Hochhäusern oder anderen gigantischen Bauwerken, lässt ganze Inseln im Ozean verschwinden, wie die untere Dokumentation „Sand: Die neue Umweltzeitbombe“ zeigt.

Quellen: PRAVDA TV/SpiegelOnline vom 28.04.2014

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