Die Enteignung Europas nimmt Fahrt auf: Der Hebel sind die faulen Kredite, die in Milliardenhöhe in den Bilanzen der Banken schlummern. Seit einiger Zeit boomt der Handel mit diesen Papieren. Das Ziel: Den säumigen Schuldnern werden die Assets abgenommen, die sie für die Kredite hinterlegt haben. Eine heimliche Verschiebung der Eigentums-Verhältnisse bei Immobilien und Unternehmen ist die Folge.
Immer wieder ist von den „faulen Krediten“ die Rede, wenn über die Banken-Krise in Europa berichtet wird. Darunter versteht man Kredite, die nicht mehr ordnungsgemäß bedient werden. Für die Banken stellen diese Kredite theoretisch ein beträchtliches Risiko dar. Sie müssen im Hinblick auf ihre eigene Stabilität darauf achten, das Zeug aus den Büchern zu bekommen – weil sie sonst selbst in eine Schieflage geraten.
Daher versuchen Banken, diese faulen Papiere loszuwerden. Mitunter gründen die Staaten, die sich vor diesen Kredit-Risiken genauso fürchten müssen wie die Banken, eine Bad Bank: Die FSM Wertmanagement von der HRE ist so ein Zombie. Für die WestLB verwaltet ein Institut namens Portigon die faulen Kredite.
Man fragt sich unwillkürlich: Was geschieht eigentlich mit den faulen Krediten? Man kann sie ja nicht wie einen faulen Apfel wegwerfen.
Bei näherem Hinsehen zeigt sich: Faule Kredite werden auf eine ganz eigene Art entsorgt. Sie werden verkauft, meist an Hedge Fonds oder Schattenbanken. Diese in keiner Weise regulierten Unternehmen sehen sich die Kredite und vor allem die Schuldner an – und verwandeln die faulen Papiere in pures Geld.
Der Vorgang ist nichts anderes als eine knallharte Enteignung von zahlungsunfähigen Schuldnern. Denn hinter allen Kredite stehen Sicherheiten. Und diese schnappen sich die Banken, wenn ein Schuldner seinen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen kann.
Der Investmentfonds Cerberus Capital Management mit Sitz in New York kaufte unlängst der UniCredit ein Paket mit faulen Krediten im Wert von 950 Millionen Euro ab.
Das ist bei den europäischen Banken offenbar von großem Nutzen. Nach Angaben der italienischen Bankenvereinigung ABI betrugen die notleidenden Kredite in dem Land im Herbst letzten Jahrs 147,3 Milliarden Euro. Da das Land nur schwer aus der Rezession herauskommt, stehen vor allem kleine und mittlere Unternehmen unter Druck, weshalb die bei den Banken aufgenommenen Kredite nicht mehr oder nicht rechtzeitig bedient werden können.
Immer mehr Hedgefonds finden inzwischen Gefallen am Kauf notleidender Kredite, den sogenannten „Non Performing Loans“ (NPL). Denn diese sind offenbar sehr lukrativ.
NPL’s gelten bei diesen Investoren als etablierte Anlageklasse. Je höher die Annahme, dass wenigstens ein Teil der faulen Kredite bezahlt werden, desto höher der Wert des Kreditpakets.
Für die Banken scheint es ein gutes Geschäft zu sein, denn so werden sie – insbesondere im Hinblick auf die bevorstehenden Bilanzprüfungen der EZB und dem folgenden Stresstest – die „notleidenden Kredite“ los.
Doch die Investmentbanker kaufen die faulen Kredite nicht aus reiner Nächstenliebe ab, oder um den europäischen Banken einen Gefallen zu tun.
Denn dabei werden von den Investmentbanken, die im Grunde nichts anderes sind als Schattenbanken, bevorzugt Immobilienkredite erworben. Im Kontext mit den Krediten, die an kleine oder mittlere Unternehmen vergeben wurden, stehen ja als Sicherheiten immer auch deren Immobilien für die Investmentbanken im Fokus, seien es Firmen-grundstücke oder Firmengelände oder deren Privatimmobilien.
In letzter Zeit machte hier vor allem die Royal Bank of Scotland (RBS) von sich reden, die in Großbritannien vor allem Mittelständler in den Ruin trieben, um sich deren Grund-stücke in das Immobilien-Imperium einzuverleiben.
Europa ist reif für eine Welle von fremdfinanzierten Übernahmen von faulen Krediten, um so an die heimischen Kreditnehmer heranzukommen, berichtete die Financial Times.
In so genannten „Loan-to-own“-Deals kaufen „Private Equity“- oder Hedgefonds-Anleger bestehende faule Bankkredite in Europa mit großen Rabatten zu ihrem Nennwert auf, um so ihre Schulden in Eigenkapital umzuwandeln. Denn in der Regel bedeutet der Kauf dieser faulen Krediten eine Bargeld-Injektion.
Viele US-Investoren, die während der Finanzkrise viel Geld verloren hatten, wie etwa die New Yorker Apollo Management und Oaktree Capital Management (eine US-amerika-nische Investmentgesellschaft mit Sitz in Los Angeles) sammeln nun bei Anlegern Kapital ein, um in den „Loan-to-own“-Deal (also Schuldenankauf in Eigentum-Umwandlung) in Europa einzusteigen.
„In Europa kommt für uns richtig Freude auf“, sagte Viktor Khosla, Gründer und Chief Investment Officer der „Strategic Value Partners“ (SVP) mit Sitz in Greenwich, Connecticut.
Das ganze Geschäft erinnert an eine permanente Ringfinanzierung von einem Invest-mentfonds zum anderen, wobei der eine dem anderen die Schulden abkauft, um sich daran wiederum zu bereichern.
SVP übernahm im Jahr 2012 die Kontrolle über den deutschen Kunststoffhersteller Klöckner Pentaplast, nachdem die SVP der Investmentgesellschaft Blackstone Group deren Schulden abgekauft hatte. Diese sollen aus einem kombinierten Schuldennennwert von 400 Milliarden US-Dollar bestehen, woraus allein 75 Prozent aus Europa stammen sollen, wie die Financial Times berichtet.
Für die Staaten mit überschuldeten Banken bedeutet es die Möglichkeit, vor dem Stress-test die Schulden auf Schattenbanken abzuwälzen.
Diese wiederum haben dann Zugriff auf europäische Firmen und deren Immobilien, und zwar über die erworbenen „ownerships“, somit auf die Eigentumsrechte. Dadurch kommen sie in den Genuss der realen Assets (Werte). Sie können die Grundstücke und auch die Firmen nach Belieben weiterverkaufen oder andere Investmentfonds mit Gewinnen beteiligen.
Auch wenn Hedgefonds stets ihre eigenen Interessen verfolgen – wenn es leichte Beute gibt, beteiligen sich im Rudel alle gemeinsam.
Video: Beispiel – Die Fusel-Anleihe
Quellen: dpa/Deutsche-Wirtschafts-Nachrichten vom 25.01.2014
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