Das Voynich-Rätsel: Ein Buch, verfasst von einem unbekannten Autor, illustriert mit ebenso skurrilen wie rätselhaften Darstellungen und in einer Sprache geschrieben, die noch kein Kryptograf entschlüsseln konnte – oder eben doch?
Das Voynich-Manuskript fesselt seit seiner Entdeckung vor 100 Jahren Wissenschaftler und Okkultisten gleichermaßen. Ob die Entzifferer des japanischen PURPLE-Codes, Physiker mit modernen Hochleistungscomputern oder universalgelehrte Historiker – sie alle versuchten ihr Glück. Aber bisher konnte niemand den Inhalt des Buches dechiffrieren.
(Bild: Astronomische Sektion)
(Abbildung aus der „kräuterkundlichen“ Sektion)
Ungeklärte Herkunft
Bis heute halten viele Historiker die Handschrift für eine Fälschung, die der New Yorker Antiquariatsbuchhändler Wilfried Voynich im Jahr 1912 in Umlauf gebracht haben soll, um sie zahlungskräftigen Handschriftensammlern anzubieten. Und tatsächlich sind die Umstände der Entdeckung des Manuskripts höchst mysteriös.
In der Villa Mondragone nahe Rom soll Voynich auf eine Truhe aus dem Nachlass eines der berühmtesten Gelehrten des 17. Jahrhunderts, Athanasius Kirchner, gestoßen sein. Darin hätte sich neben weiteren Handschriften dieses außergewöhnliche Manuskript befunden. Voynich schaffte es allerdings zeitlebens nicht, die geheimnisvolle Handschrift an einen Sammler zu verkaufen.
Nach seinem Tod gelangte das Buch über einige Umwege in den Bestand der „Beinecke Rare Books Library“ der Universität Yale. Alter, Herkunft und Inhalt des Manuskripts sind bis heute unbekannt. Ebenso blieb bis vor kurzem ungeklärt, ob es sich um eine Fälschung handelt.
(Abbildung aus der „anatomischen Sektion“)
Spekulationen um Illustrationen
Vor allem die zahlreichen Illustrationen in dem Buch geben seit fast einem Jahrhundert Anlass zu den abenteuerlichsten Spekulationen und erstaunlichsten Theorien. Einige erkennen darin eine mittelalterliche Alchemisten-Rezeptur für den sagenumwobenen Jungbrunnen oder den Schlüssel für den Stein der Weisen.
Andere halten es für ein Geheimdokument aus der Zeit der europäischen Religionskriege, in denen verbotenes Wissen über Optik und Astronomie verborgen wurde. Roger Bacon, der große Universalgelehrte des 13. Jahrhunderts, wäre ein vielversprechender Kandidat für die Autorenschaft. Oder auch Jacobus de Tepenec, ein Alchemist am Hof von Rudolf II., dessen Namen von der ersten Seite des Manuskripts ausgekratzt wurde und heute nur mehr unter UV-Licht zu erkennen ist.
In Frage käme auch der englischen Alchemist und notorische Schwindler Edward Kelley, der im späten 16. Jahrhundert durch halb Europa tingelte und auf vielen Höfen seine übersinnlichen Dienste anbot. Sogar der junge Leonardo da Vinci geriet ins Visier der Voynich-Forscher ebenso wie der Medizin-Pionier Paracelsus. Es existieren für jeden dieser potenziellen Urheber verblüffend plausible Indizien. Doch den endgültigen Beweis blieb jede Autorentheorie bisher schuldig.
(Abbildung aus der „astronomischen“ Sektion)
Zunächst keine einheitliche Sprachstruktur
Besonders viele Rätsel gibt nach wie vor auch die verwendete Geheimschrift selbst auf. Beginnend mit den Experten des „Signal Intelligence Service“ der US-Armee wurde der Text seit den 1940er Jahren immer wieder mit raffinierten statistischen und krypto-grafischen Methoden untersucht.
Das Ergebnis: Es ist keine einheitliche sprachliche Struktur erkennbar – weder Häufigkeit, Verteilung und Abfolge der Zeichen folgen den Gesetzen europäischer Sprachsysteme. Das Schriftbild ähnelt zwar den Chiffren historischer Geheimalphabete, die ab Mitte des 15. Jahrhunderts rund um Florenz entstanden sind, scheint aber ungleich komplexere Verschlüsselungsalgorithmen zu verwenden. Allerdings sind diese erst mithilfe moderner elektronischer Methoden möglich.
Materialanalyse: Noch älter als gedacht
Doch jetzt bringt ein neuer Untersuchungsansatz Klarheit in das Dickicht von wider-streitenden Theorien und Ideen. Am Verwahrungsort des Voynich-Manuskripts, an der Universität Yale, hat man sich entschlossen, der mysteriösen Handschrift mit materialwissenschaftlichen Methoden zu Leibe zu rücken.
An mehreren Stellen von Pergament, Tinten und Farben wurden Proben entnommen, um sie auf Alter und chemische Zusammensetzung zu untersuchen. Die Untersuchung unter UV-Licht brachte außerdem mehrere ausgekratzte Löschstellen zutage.
Das Ergebnis dieser Untersuchungen stellt alles, was man bisher über das Voynich-Manuskript wusste, auf den Kopf. Jetzt ist sicher: Alle bisherigen Theorien sind falsch. Denn das Buch ist viel älter als gedacht!
Kurze Geschichte des Manuskripts
1962 datierte ein Expertenteam die Handschrift aufgrund von Material und Schreibstil auf etwa 1500 n. Chr. Doch die Provenienz (die Folge der Vorbesitzer) konnte bislang nur lückenhaft und nicht mit Sicherheit ermittelt werden.
Da der Inhalt bisher nicht entschlüsselt werden konnte, stützt die Datierung des Manu-skripts sich lediglich auf die Illustrationen. Aufgrund der Hinweise aus Kleidung und Haartracht sowie einiger weiterer Anhaltspunkte wird das Manuskript von den meisten Experten in den Zeitraum zwischen 1450 und 1520 datiert.
Erst 2009 wurden an Instituten in Chicago und Arizona kleinste Proben von vier ver-schiedenen Seiten untersucht. In einer Radiokarbonanalyse konnte das Alter des verwendeten Pergaments mit großer Wahrscheinlichkeit auf den Zeitraum zwischen 1404 und 1438 bestimmt werden. Vermutlich sind alle Seiten gleichen Ursprungs.
Ferner haben Experten des McCrone-Forschungsinstitutes zu Chicago festgestellt, dass die Tinte nicht wesentlich später aufgetragen wurde.
Details in den Illustrationen, insbesondere die Schwalbenschwanzzinnen, ließen die Redakteure der ORF-Sendung eine Entstehung der Handschrift in Oberitalien vermuten, da diese Zinnenform in der fraglichen Zeit nur dort belegt sei. Die Frührenaissance Norditaliens war auch eine Hochburg der frühneuzeitlichen Universalgelehrten und der Kryptologie.
(Bildausschnitt von Seite 86v, der eine Burg mit Schwalbenschwanzzinnen zeigt)
Voynich-Manuskript doch kein Schwindel?
Seit 400 Jahren scheitern die Experten daran, das mysteriöse Voynich-Manuskript aus dem 15. Jahrhundert zu entschlüsseln. Manche halten die Dokumente sogar für den Streich eines Betrügers. Einer neuen Studie zufolge könnte das Manuskript jedoch tatsächlich einen sinnvollen Text enthalten.
Lässt sich ein rätselhaftes Dokument, an dem die Fachleute seit 400 Jahren gescheitert sind, doch entschlüsseln? Einige Wissenschaftler sind davon überzeugt, dass sie im berühmten Voynich-Manuskript Hinweise auf sprachliche Muster entdeckt haben, die tatsächlich mit sinnvollen Begriffen zusammenhängen.
Sie widersprechen damit etlichen anderen Experten, die davon ausgehen, dass die 104 Blätter mit Bildern seltsamer, unbekannter Pflanzen, astronomischen Diagrammen, nackten Frauen und unverständlichen physikalischen Vorrichtungen überhaupt keine Informationen enthalten. Ihnen zufolge handelt es sich vielmehr um eine Fälschung, mit der ein phantasievoller Betrüger im 16. Jahrhundert Rudolf II., Kaiser des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation, hereingelegt hat.
Vor einigen Jahren hatte etwa Andreas Schinner von der Johannes Kepler Universität in Linz, Österreich, die Dokumente statistisch analysiert und 2007 im Fachmagazin Cryptologia berichtet: Die Reihen von Symbolen im Manuskript enthalten keine Botschaft, sondern wurden wahrscheinlich mit Hilfe von Buchstaben-Tabellen und Schablonen hergestellt. Textstücke und Absätze ergeben seiner Meinung nach ein zu regelmäßiges, zu konstruiert wirkendes Muster, als dass es sich um einen Text mit sinnvollen Sätzen handeln könnte.
Ähnliche Ergebnisse hatte der Brite Gordon Rugg von der Keele University 2003 ver-öffentlicht. Er war zu dem Schluss gekommen, dass der Text mit einem Cardan-Gitter, einer Art Schablone, erzeugt worden sein könnte, wie sie im 16. Jahrhundert verwendet wurde.
Doch Marcelo Montemurro, theoretischer Physiker an der University of Manchester, der sich seit Jahren mit den Sprachmustern des Dokuments beschäftigt, hat nun Hinweise darauf entdeckt, dass es vielleicht doch ein Geheimnis gibt, das zu lösen wäre.
Gemeinsam mit dem Argentinier Damián H. Zanette vom Instituto Balseiro in Bariloche hat Montemurro das Manuskript mit Methoden der Informationstheorie analysiert. Wie die zwei Wissenschaftler im Fachmagazin Plos One berichten, enthält der Text demnach offenbar eine ähnliche Verteilung von Worten wie sie in realen Sprachen zu finden sind.
Hinweise auf Informationsgehalt
Die Forscher untersuchten die Verteilung von Wortgebilden im Zusammenhang mit den Absätzen, in denen sie auftauchen. So werden im Voynich-Manuskript aufgrund der Zeichnungen fünf Teile unterschieden: Der größte Teil beschäftigt sich mit Pflanzen, die anderen mit Astrologie, Biologie, Pharmakologie und mit Rezepten.
Worte, die besonders häufig in einem der Teile auftauchen, in den anderen jedoch nicht oder selten, haben den Forschern zufolge mehr Informationsgehalt als solche, die über das gesamte Manuskript verteilt sind. Auf diese Weise sammelten sie 30 Wortgebilde mit dem mutmaßlich größten Informationsgehalt – allerdings ohne dass bislang auch nur annähernd klar ist, was sie tatsächlich bedeuten.
Außerdem stellten sie fest, dass bestimmte Wortgebilde nicht nur auffällig häufig im Teil über Pflanzen auftauchten, sondern auch im pharmakologischen Teil. Zugleich zeichnen sich beide Teile durch viele Zeichnungen von Pflanzen aus. Die Wissenschaftler vermuten deshalb, dass sich sowohl in den Bildern als auch in den Worten die thematische Ähnlichkeit dieser zwei Teile wiederspiegelt.
Nicht ganz so stark, aber den Forschern zufolge doch erkennbar ist der Zusammenhang zwischen den Worten im astrologischen Teil und den „Rezepten“. Zwar enthält letzterer Teil nur wenige Zeichnungen, darunter ist jedoch eine Sternenblume, wie sie auch im Astrologie-Teil zu finden ist.
„Diese Ergebnisse unterstützen die Annahme, dass es einen Zusammenhang zwischen der linguistischen Struktur und den Zeichnungen im Text gibt“, schreiben Montemurro und Zanette. Zwar müssten das Geheimnis des Ursprungs und der Bedeutung des Textes noch immer gelöst werden. Aber immer mehr Hinweise würden gegen die Betrugs-Hypothese und für die Existenz einer echten linguistischen Struktur hinweisen.
Es bleiben Zweifel
Rugg ist von Montemurros Fazit nicht überzeugt. Seit Jahrzehnten gingen die Forscher bereits davon aus, dass die statistischen Eigenschaften des Textes denjenigen einer realen Sprache zwar ähneln, aber nicht identisch seien, sagte er der BBC. Und zu viele Eigen-schaften des Textes seinen völlig anders als in irgendeiner echten Sprache.
Wie die BBC berichtet, bleibt Montemurro dabei, dass die von ihm entdeckten semantischen Muster in einer Fälschung nicht enthalten sein dürften.
Das Voynich-Manuskript wurde 1912 von Wilfrid Voynich in einer Villa im italienischen Frascati entdeckt. Aus einem beiliegenden Brief ging hervor, dass möglicherweise Rudolf II. von Habsburg die Papiere für 600 Dukaten gekauft und dann seinem Hofpharma-zeuten Jakub Horcicky überlassen hatte. Dann gingen sie an einen Alchemisten in Prag, von diesem an einen Naturwissenschaftler ebendort. Ab 1666 war es möglicherweise Teil der Bibliothek des Jesuitenordens in Rom und geriet aufgrund politischer Unruhen ins Jesuitenkolleg in der Villa Mondragone bei Frascati, wo es von Voynich entdeckt wurde.
Wie bereits seine Besitzer in Prag haben seitdem unzählige Experten vergeblich versucht, das Dokument zu entschlüsseln.
Heute befindet sich das Manuskript in der Beinecke Rare Book and Manuscript Library der Yale University, USA.
Videos:
Das Voynich-Rätsel
http://www.youtube.com/watch?v=61LLxS4fze4
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Quellen: PRAVDA TV/Wikipedia/orf.at/sueddeutsche.de vom 13.12.2013
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