Die Katastrophe ist ausgeblieben: Obwohl „Xaver“ mit großer Wucht über Norddeutschland hereinbrach, sind die Schäden bislang nicht so verheerend wie erwartet. Doch noch ist das Unwetter nicht überstanden.
Der Orkan „Xaver“ hat weiten Teilen Deutschlands eine stürmische Nikolausnacht beschert. Doch nach einer ersten Bilanz von Polizei und Feuerwehr haben die Natur-gewalten in Norddeutschland weniger schlimm gewütet als befürchtet.
Nach Angaben des Landesfeuerwehrverbands von Schleswig-Holstein rückten die Retter dort zwar zu mehr als 2000 Einsätzen aus, bei den meisten davon handelte es sich jedoch um eher harmlose Ereignisse wie umgestürzte Bäume. „Insgesamt verlief die Sturmnacht für die Feuerwehren weniger dramatisch als bei Sturmtief ‚Christian‘ vor sechs Wochen“, erklärte der Verband in Kiel.
In Mecklenburg-Vorpommern kam offenbar eine Frau ums Leben. Laut Informationen des NDR prallte bei Twietfort ein Rettungswagen frontal gegen einen Baum – die Polizei nimmt an, dass das Fahrzeug beim Überholen von einer Windböe erfasst wurde. Eine 82-jährige Patientin starb, zwei Insassen verletzten sich schwer.
In Schleswig-Holstein zählten Feuerwehr und Polizei zunächst vier leichtverletzte Personen. Bei Großhansdorf in der Nähe von Hamburg rammte eine S-Bahn einen Baum, entgleiste und fuhr gegen einen Brückenpfeiler, teilte das Kieler Landespolizeiamt mit. Feuerwehrleute befreiten sechs Menschen aus dem Zug, einer von ihnen wurde leicht verletzt. In Elmshorn fuhr ein Nahverkehrszug der AKN gegen einen Baum. Der Fahrer verletzte sich laut Polizei leicht, als er sein Fahrzeug verlassen wollte.
Generell meldeten die Retter vor allem sturmtypische Einsätze wie abgebrochene Äste und in einigen Fällen auch heruntergefallene Dachziegel. Insbesondere in Niedersachsen sprachen viele Polizeidienststellen von einer ruhigeren Nacht als erwartet. Auch in Hamburg gab es keine größeren Probleme. „Die großen Sturmschäden blieben bislang nach unserem Kenntnisstand aus“, teilte die Feuerwehr in der Hansestadt mit.
Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck (Grüne) zeigte sich nach der über-standenen Sturmnacht erleichtert. „Heute Nacht hat Deutschland den Atem angehalten und auf unsere Deiche geschaut – sie haben standgehalten“, sagte er. Die Mitarbeiter des Küstenschutzes hätten tolle Arbeit geleistet.
Laut Deutschem Wetterdienst wurden in List auf Sylt in der Nacht um die 150 km/h Windgeschwindigkeit gemessen, auf dem Brocken im Harz bis zu 155 km/h und auf Hiddensee sogar 167 km/h.
Höchster Wasserstand seit Anfang der Neunziger
Der Hamburger Flughafen nahm am Freitag seinen unterbrochenen Abfertigungsbetrieb wieder auf. Es sei allerdings weiter mit Beeinträchtigungen zu rechnen, teilte der Betreiber mit. Am Vormittag sei ein Großteil der Flüge gestrichen worden, einige wurden auf den Nachmittag verschoben.
Der Scheitel der schwersten Sturmflut erreichte Hamburg gegen 6.15 Uhr mit einem Wasserstand von 3,98 Meter über dem Mittleren Hochwasser. Das sind gut 6,10 Meter über Normalnull. Zuletzt hat es laut Innenbehörde Anfang der neunziger Jahre zwei Mal einen solchen Wasserstand der Elbe gegeben. Auch bei der verheerenden Flut 1962 hatte der Wasserstand in Hamburg einen ähnlichen Wert. Damals waren die Deiche aber noch deutlich niedriger und weniger stabil. Derzeit stürmt es weiterhin heftig mit Schnee-wehen, am Freitagabend wird eine weitere, niedrigere Sturmflut erwartet, den ganzen Tag über noch Sturmböen mit bis zu 90 km/h.
Der Hamburger Hafen war in der Nacht geräumt und gesperrt worden. „Ab 2.30 Uhr durfte keiner mehr hereinfahren“, sagte ein Sprecher der Innenbehörde. Einige An-wohner mussten ihre Häuser räumen. Die Hochwasserschutztore wurden geschlossen. Der bekannte Fischmarkt am Hafen und einige Straßen entlang der Elbe standen unter Wasser. Gegen 10 Uhr wurde der Hafen wieder geöffnet, weil der Pegel unter fünf Meter gesunken war. Der Sprecher schloss allerdings nicht aus, dass am Abend eine erneute Sperrung nötig sein könnte.
Tote in Polen und Großbritannien
In anderen Ländern waren die Schäden durch den Sturm größer:
In Polen kamen während des Orkantiefs mindestens drei Menschen ums Leben. Nach Angaben der Feuerwehr stürzte bei Lebork im Norden des Landes ein Baum auf ein Auto. Dabei seien drei Menschen getötet und ein weiterer verletzt worden, sagte ein Feuer-wehrsprecher dem Fernsehsender Polsat News. In Nordpolen waren zwischenzeitlich fast 150.000 Haushalte ohne Strom. Die Feuerwehr musste nach eigenen Angaben mehr als 1000 Mal ausrücken. In Skotnik im Nordwesten des Landes krachte den Angaben zufolge eine Stromleitung auf einen Stall und tötete 26 Kühe.
Am Donnerstag kamen zwei Menschen in Großbritannien ums Leben: In Schottland starb ein Lastwagenfahrer, nachdem sein Fahrzeug im Sturm umgefallen war. In Mittelengland wurde ein Mann von einem umfallenden Baum getötet.
In Großbritanniens Küstenregionen verbrachten Hunderte Menschen die Nacht zum Freitag in Schulen und anderen Notunterkünften. Aus Vorsicht vor Sturmfluten und möglichen Überschwemmungen hatten die Behörden vielen Menschen mit Häusern am Meer geraten, sich in Sicherheit zu bringen. Obwohl die Pegelstände am Freitagmorgen zurückgingen, warnten die Behörden vor zwei weiteren Sturmfluten in der Ostküste.
Rund 10.000 Haushalte in Norfolk im Osten und Sussex im Südosten Englands wurden evakuiert.
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Quellen: dpa/AFP/SpiegelOnline vom 06.12.2013
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