Die französische Regierung träumt sich aus der Krise. Präsident Hollande lässt seine Minister über Frankreichs große Zukunft fantasieren – und erntet jede Menge Spott.
Früher begann der erste Tag nach den Sommerferien meist mit einem Aufsatz „Mein schönstes Ferienerlebnis.“ Das wäre bei der Ministerriege der französischen Regierung allerdings dieses Jahr nicht sehr ergiebig gewesen, denn auf Geheiß des Präsidenten durfte diese im Urlaub vorsichtshalber nicht an besonders aufregende Orte reisen.
Die Amtsträger sollten möglichst nicht weit von Paris eine Art sommerlichen Bereitschaftsdienst verrichten. Dennoch muss man der Bevölkerung nun, da die Tage wieder kürzer werden, irgendwie signalisieren, dass man langsam wieder die eigentliche Arbeit aufzunehmen gedenkt.
Um diesen Einschnitt medial zu markieren, hat sich der Élysée etwas Besonderes ausgedacht: Am Montag kam die Ministerriege mit dem Präsidenten im Élysée-Palast zusammen, um über Wege in eine rosige Zukunft für Frankreich zu fantasieren. „France 2025“ heißt das Seminar, zu dem François Hollande sein Führungspersonal zusammen getrommelt hat.
Die Veranstaltung verfolge das Ziel, „Frankreich ab heute darauf vorzubereiten, die Herausforderungen offen zu legen, vor denen es in zehn Jahren stehen wird.“ Dazu wolle man eine scharfe Diagnose vorlegen, welche „die Stärken und Schwächen“ des Landes herausarbeitet. Bis zum Ende des Jahres sollen dann „Prioritäten gesetzt“ und ein „Zeitplan“ erarbeitet werden, wie Frankreich in die Zukunft zu führen sei, hieß es aus dem Élysée.
Anstatt sich mit den sattsam bekannten Problemen der Gegenwart zu beschäftigen, positioniert sich François Hollande nun also erst einmal als eine Art Captain Future und lässt seine Minister Visionen von einem glücklichen Frankreich erarbeiten. Wie die einzelnen Ressorts sich dies vorstellen, ist dabei in den vergangenen Tagen bereist ansatzweise bekannt geworden. Das Magazin „Le Point“ hatte sich die Thesenpapiere von fünf Ministerien verschafft.
Waren die Autoren nüchtern?
Bei der Lektüre kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Autoren ihre Werke möglicherweise in geselliger Runde an einem lauen Sommerabend und nach dem Genuss einiger Flaschen Rosé abgefasst haben. Finanzminister Pierre Moscovici etwa hält eine Rückkehr zur „Vollbeschäftigung“ bis 2025 für „realistisch“.
Frankreich werde zwar 2025 nicht mehr die fünft-, sondern nur noch die achtgrößte Wirtschaftsmacht der Erde sein, da aufstrebende Kräfte wie Indien und Brasilien bis dahin an Frankreich vorbei gezogen sein werden. Aber die „Souveränität über seinen Haushalt“ wird Frankreich in der sommerlichen Vision seines Finanzministers „vollständig zurückgewonnen haben.“
Wie genau das gelingen soll, weiß Moscovici allerdings noch nicht. Im Gegensatz zu den meisten seiner Kollegen sieht der Finanzminister die Zukunft allerdings nicht nur rosérot: Frankreich müsse sich auch einigen „Gefahren“ stellen. Neben dem Einfluss-verlust bestehen technologische sowie „soziale“ und „demographische“ Risiken.
Die Utopie der Vollbeschäftigung
Ohne gewaltigen Kapitalaufwand bestehe etwa die Gefahr, dass Frankreich in der digitalen Revolution den Anschluss verpasse, warnte Moscovici am Montag im Sender BFM-TV. Außerdem altere selbst in Frankreich die Bevölkerung, und die Zahl der Beschäftigten sinke. Das wiederum lässt die Utopie der Vollbeschäftigung im Jahr 2025 wenigstens rechnerisch näher rücken.
Noch zuversichtlicher als Finanzminister Moscovici zeigt sich Innenminister Manuel Valls, dessen futuristisches Thesenpapier die Einführung von „Sicherheitskräften 3.0“ in Aussicht stellt, die „effizient, nah an der Bevölkerung und mit den neuesten technischen Möglichkeiten“ ausgestattet sein sollen. Wer diese beachtlichen Fortschritte finanzieren soll, lässt Valls allerdings vorsichtshalber offen.
Seine Kollegin Christiane Taubira – deren ausgesprochen liberale Vorstellungen von Strafvollzug Valls im Sommerloch offen kritisierte – hat derweil in ihrem Zukunftspapier noch einmal bekräftigt, dass sie die chronische Überbelegung französischer Haftanstalten durch die „Entwicklung von alternativen Strafen zur Inhaftierung“ in den Griff bekommen möchte.
Bei anderen Ministern nehmen die Zukunftspläne stellenweise halluzinatorische Züge an. Cécile Duflot, Wohnungsbauministerin des Koalitionspartners Grüne/Europe Écologie etwa hat ein Land vor Augen, wo der „Zugang zu Wohnraum für alle“ nicht mehr „ein Stressfaktor und ein Grund zur Sorge sein wird, sondern ein angenehmer Lebens-abschnitt“.
Aufstieg in elf Jahren
Der Minister für die industrielle Wiederaufrichtung, Arnaud Montebourg, sieht Frankreich in elf Jahren zurückgekehrt in das „Konzert der großen Industrienationen“. Die momentan chronisch defizitäre Außenhandelsbilanz werde bis dahin ausgeglichen und durch einen „strukturell positiven Überschuss“ abgelöst.
Diese hoch optimistischen Szenarien haben erstaunte Reaktionen seitens der Opposition ausgelöst. Der Vorsitzende der liberalen Oppositionspartei MoDem, François Bayrou, vermutet, die Regierung „träumt mit offenen Augen“. Die Pläne seien etwas für Traumtänzer, denen jegliche Haftung in der Realität fehle.
Die Regierung täte besser daran, „die Probleme zu identifizieren, die verhindern, dass es uns 2013 gut geht.“ Ins gleiche Horn stieß der ehemalige Europaminister Laurent Wauquiez von der konservativen UMP: „Man muss sich nicht mit 2025 beschäftigen, sondern mit 2014.“
Das Sommerseminar der Regierung sei angesichts der aktuellen Probleme eine „surrealistische“ Veranstaltung, sagte Wauquiez. Erheblich dringender sei es, darüber nachzudenken, wie man die massiven Steuererhöhungen vermeiden könne, welche im Herbst ins Haus stünden.
„Kurzfristig handeln, weit vorausblicken“
Premierminister Jean-Marc Ayrault gab sich jedoch von solchen Anwürfen unberührt: „Was Frankreich fehlt, ist die Kraft, sich die Zukunft vorzustellen,“ sagte der Premier-minister. „Wir haben eine doppelte Aufgabe. Wir müssen dringend handeln und die ärgsten Nöte lindern, aber auch Strukturreformen beginnen, die Frankreich in zehn Jahren ausmachen“, sagte Ayrault.
„Kurzfristig handeln, weit vorausblicken“, brachte Ayrault dieses Vorgehen auf den Begriff. Präsident François Hollande wandelte derweil zur Verdeutlichung dieser Strategie sein Wahlkampfmotto ab „Die Zukunft ist jetzt“, sagte der Präsident.
Bei aller naheliegenden Kritik an dieser Politik der Projektion, erweckt auch die Partei des ehemaligen Präsidenten Nicolas Sarkozy momentan nicht den Eindruck, dass sie sich vor allem mit den drängenden Problemen der Gegenwart befasst. Laurent Wauquiez selbst hatte am Wochenende für die UMP eine parteiinterne Debatte zur kritischen Aufarbeitung der Sarkozy-Jahre gefordert, die nur „Reförmchen“ hervor gebracht hätten.
Warnung vor „stalinistischen Schauprozess“
Der Parteivorsitzende Jean-François Copé hatte daraufhin in einem Interview erstmals die Notwendigkeit einer solchen Diskussion eingeräumt, aber sogleich gewarnt, diese dürfe nicht zu einem „stalinistischen Schauprozess“ gegen Nicolas Sarkozy und François Fillon ausarten.
So ist die Lage in Frankreich im Spätsommer 2013: die einen träumen sich fort in eine ferne Zukunft, die anderen stecken in der Vergangenheit fest. In der Gegenwart dürften alle Beteiligten nächste Woche wieder landen. Dann will die Regierung den Sozialpartnern ihre Entwürfe zur Rentenreform vorstellen.
Quelle: WeltOnline vom 07.12.2013
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