Heineken im Kongo: Blut und Bier

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Vergewaltigen, foltern, morden – und danach ein Feierabendbier: Im Kongo zahlte eine Unternehmenstochter der Heineken-Brauerei den Kontrahenten im Bürgerkrieg Steuern und Zölle und konnte so weiter ihr Bier verkaufen.

Unter den Kämpfern im kongolesischen Bürgerkrieg galt eine Regel: „Du kannst ein Krankenhaus bombardieren, aber nicht Bralima.“ So erzählten es die Einwohner der Kivu-Region dem Niederländer Peer Schouten. Der Politologe war im Land, um die Rolle des niederländischen Bierbrauers Heineken in den Kriegswirren zu erforschen.

Bralima ist im Kongo das Synonym für Bier, die Brauerei gehört dem Weltkonzern aus Amsterdam. Selbst in den schlimmsten Momenten des grausamen Bürgerkriegs konnten die Niederländer noch ihr Bier verkaufen – weil sie sich auf Deals mit den Konflikt-parteien einließ. Während in der Region Kivu im Osten der Demokratischen Republik Kongo Zigtausende Menschen auf der Flucht waren, vergewaltigt, gefoltert und gemordet wurde, gab es eine Konstante: das Bier.

Der Markt ist groß: Geschätzte 6000 Bierkästen soll der Konzern in Goma, der Provinz-hauptstadt von Nord-Kivu, pro Tag verkaufen. Das macht mehr als zwei Millionen Dollar pro Monat. Dazu kommen Coca-Cola, Sprite oder Fanta, die Bralima als Lizenzpartner des Getränkeriesen aus Atlanta absetzt. Von Goma aus wird das Bier selbst in die hintersten Winkel der Region transportiert.

Geld an Armee und Rebellen

So stellt es Peer Schouten in seiner Studie über die Verbindungen zwischen Bralima, Rebellen und Armee dar, die er im September 2013 veröffentlicht hat. Seinen Recherchen zufolge verteilen sich die Zahlungen der Bierbrauer auf drei Bereiche:

Steuern: Die Rebellen der RCD-Goma terrorisierten während des Kriegs im Kongo die von ihr beherrschten Teile der Kivu-Region. Bralima erkannte sie dennoch als Autorität an und zahlte Steuern an die Rebellen. Laut einem Untersuchungsbericht des kongo-lesischen Parlaments kassierten die Rebellen in Bukavu 5,50 US-Dollar pro Bier- und 3,55 US-Dollar pro Softdrink-Kasten, dazu weitere Abgaben wie 18 Prozent „Provinz-steuer“. Die Bierbrauer waren, schließt Schouten daraus, „strukturell“ mit den Rebellen verbunden. Heineken dagegen wirft Schouten einen überhöhten Belastungseifer vor.

Sicherheit: Die Gewalt in Kivu hörte mit dem Friedensschluss von 2003 genauso wenig auf wie die Zahlungen von Bralima an die bewaffneten Gruppen. In den Bralima-Niederlassungen Goma und Bikavu würden zudem bis heute Soldaten und Polizisten als Sicherheitskräfte beschäftigt. Auch der unterbezahlten kongolesischen Armee werden immer wieder Gewalttaten gegen die Zivilbevölkerung vorgeworfen.

Zölle: Die Rebellen verdienen bis heute mit ihren Checkpoints kräftig mit. SPIEGEL ONLINE liegt eine Quittung der Rebellengruppe M23 für eine Ladung Bralima-Bier vor – sie ist vom 21. September 2013. Schouten hält sie für authentisch. Ein „Zöllner“ der M23 bestätigte dem Wissenschaftler solche Zahlungen: „NGOs bezahlen. Frauen, die zum Markt gehen, bezahlen. Jeder bezahlt. Wir bevorzugen niemanden. Und deshalb bezahlen natürlich auch die Bier-Lieferanten.“

Insgesamt sollen solche Wegezölle eine Million Dollar pro Jahr alleine in die Kassen der berüchtigten M23 spülen, die damit bis zu ihrer Kapitulation Anfang November vor allem Waffen, Sold und Munition für den Kampf gegen die Armee bezahlte. Diese Summe hat Schouten gemeinsam mit Jason Miklian in einem Artikel für „Foreign Policy“ beziffert.

Eine Bestätigung dieser Zahlen gibt es auf Anfrage von Heineken nicht, aber immerhin eine Erklärung: „Wir sind im Land geblieben, weil das Geschäftsmodell weiterhin zulässig war. Ein wichtiges Element war der simple Fakt, dass ganze Gemeinden von uns abhängig waren.“

Es geht aber nicht um Zulässigkeit, sondern um Moral. Natürlich haben und hatten die Einwohner der Region wohl keine andere Wahl, als sich mit den Machthabern zur arrangieren – auch wenn ihnen Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden.

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Aber ist ein Weltkonzern wie Heineken darauf angewiesen, in einer solchen Krisenregion Geschäfte zu machen? Das Unternehmen muss sich die Frage gefallen lassen, warum es mit seinen Abgaben die Kriegskassen der Konfliktparteien füllt. Als Heineken die Beschäftigung von Zwangsarbeitern in Burma nachgewiesen wurde, zog sich die Firma 1996 aus dem Land zurück.

Bier in Nationalfarben

Im Kongo sind die Niederländer schon lange präsent. In den achtziger Jahren übernahm Heineken die Mehrheit an Bralima. Dem Konzern gehören inzwischen sechs Brauereien im Land, er kontrolliert etwa 75 Prozent des Markts und beschäftigt im Kongo 3300 Angestellte. Weitere 178.000 Jobs hängen direkt von der Firma ab.

Und der Konzern will weiter wachsen. Im Jahr 2011 hatte der frühere Heineken-Manager Hans van Mameren angekündigt, bis 2016 etwa 400 Millionen Euro im Kongo investieren zu wollen: „Wir produzieren den billigsten Luxus der Welt.“

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Der Luxus von Bralima heißt „Primus“, es ist das populärste Bier im Kongo. Die Firma wurde 1923 in den Zeiten der belgischen Kolonialherrschaft als „Brasserie de Léopoldville“ gegründet. Nachdem der Kongo die Unabhängigkeit erreicht hatte, änderte die Firma 1960 ihren Namen in Bralima („Brasseries, Limonaderies et Malteries Africaines“) Seitdem zieren die kongolesischen Nationalfarben das Etikett.

Vor Ort hört man auch kritische Stimmen. Der Kommunikationschef von Bralima lässt sich von Schoutens Co-Autor Miklian mit den Sätzen zitieren: „Was für Heineken zählt, sind die Verkaufsziele. Solange wir sie erfüllen, ist alles gut. Wenn nicht, gibt es großen Ärger.“ Die Manager in Amsterdam würden sich nicht dafür interessieren, wie das Geld erwirtschaftet werde. In Amsterdam beschwichtigt man: Dies sei kein „offizielles Unternehmens-Zitat“, sagte Heineken-Pressesprecher John Clarke. Rechtlich vorgegangen ist Heineken gegen Schouten nicht.

„Es geht nicht um Heineken im Speziellen, sondern darum, wie multinationale Konzerne in solchen Gebieten agieren“, sagt Schouten über seine Recherchen. Auch andere Firmen zahlen Steuern oder Zölle an fragwürdige Regierungen oder Rebellen, auch über andere könnte man lange Artikel schreiben. Die M23 soll sich beispielsweise auch durch den Schmuggel von Gold finanzieren, das später weltweit in den Schaufenster von Juwelieren liegt.

Bralima gibt sich mittlerweile staatstragend: 2011 sponserte die Firma die Feier zum 50. Jubiläum der Unabhängigkeit – das Firmenlogo prangte bei allen offiziellen Anlässen direkt neben der kongolesischen Flagge.

In diese beherrschende Position wurde Bralima übrigens von dem Niederländer Dolf van den Brink geführt. Die Mittel: ein ausgeklügeltes Vertriebssystem, ein gigantischer Werbeetat – und Zahlungen an die Konfliktparteien des umkämpften Kongos.

Quellen: Reuters/SpiegelOnline vom 09.11.2013

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