Die Sparkasse Ulm kann Zinsversprechen an ihre Kunden nicht mehr einhalten und löst damit Unruhe im öffentlich-rechtlichen Bankenlager aus.
Das Institut hat von 1993 bis 2005 ein Produkt mit dem Namen „Scala“ vertrieben, bei dem die Zinsen stufenweise steigen. Nach 20 Jahren bekommen die Kunden dabei zusätzlichen zum aktuellen Zinsniveau, das derzeit nahe null liegt, einen Aufschlag von 3,5 Prozent. Für die Sparer ist dies im aktuellen Niedrigzins-Umfeld ein sehr attraktives Angebot, für die Sparkasse Ulm aber ein großes Problem.
Da die Verträge eine Laufzeit von 25 Jahren haben, müsste sie den rund 20.000 „Scala“-Kunden noch lange vergleichsweise hohe Zinsen bezahlen, die sie im aktuellen Umfeld kaum erwirtschaften kann. Die Margen im Kreditgeschäft sind unter Druck und auch die Eigenanlagen der Sparkassen werfen wegen des Niedrigzinsumfelds immer weniger ab. Erschwerend hinzu kommt für die Sparkasse Ulm, dass einige Scala-Kunden, die lange nur 50 Euro pro Monat in den Vertrag einbezahlt haben, ihre Überweisungen zuletzt deutlich aufgestockt haben – die Obergrenze liegt bei 2.500 Euro pro Monat.
Der Vorstand der Sparkasse hat dieses Problem nun erkannt und beschlossen, „dass wir dieses Angebot nicht länger verantworten können“, wie ein Sprecher des Instituts betont. Deshalb hat sich die Bank im Frühjahr an ihre Kunden gewandt, um die Verträge umzu-wandeln in ein vier bis fünf Jahres laufendes Produkt mit einer Verzinsung von 3,75 Prozent oder ein sieben Jahre laufendes mit 3,25 Prozent. „Etwa die Hälfte der Kunden hat dieses Angebot, bei dem die Zinsen nach wie vor deutlich über dem aktuellen Marktniveau liegen, angenommen“, sagt der Sprecher. Falls sich Kunden sträuben, wird dem Institut am Ende aber nichts anderes übrig bleiben, als die Verträge zu kündigen.
„Schlecht fürs Image“
Bei vielen Kunden kommt das Vorgehen der Sparkasse Ulm nicht gut an. Zahlreiche Sparer seien verärgert, weil sie durch die Umwandlung der Verträge schlechter gestellt würden, erklärt die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Eine Kündigung der „Scala“-Verträge ist aus ihrer Sicht nicht rechtens. „Wir sind zuversichtlich, dass Gerichte unserer Auffassung folgen werden.“
Der Fall in Ulm zeige, dass an dem bodenständigen und ehrlichen Image, das die Spar-kassen in der Öffentlichkeit gerne kultivieren, nicht viel dran sei, sagt ein Sprecher der Verbraucherzentrale. „Viele Sparkassen waren ja auch vor der Finanzkrise ganze vorne dabei, als es darum ging, Lehman-Zertifikate zu verkaufen.“ Als die US-Investmentbank Lehman Brothers 2008 Pleite ging, verloren zahlreiche Sparkassen-Kunden große Teile ihrer Ersparnisse.
Banker und Funktionäre im Sparkassen-Sektor sehen das Vorgehen ihrer Kollegen in Ulm ebenfalls kritisch. Es handle sich zwar um einen Einzelfall, betont einer von ihnen. „Mir ist keine andere Sparkasse bekannt, die ein solches Angebot hat.“ Dennoch färbe das Vorgehen in Ulm auf alle Sparkassen ab. „Das ist schlecht fürs Image.“ Auch in der Führungsspitze des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV) sei man alles andere als glücklich über die Entwicklung in Ulm, sagt eine mit dem Vorgang vertraute Person. „Vertragstreue gehört zum Markenkern der Sparkassen“, heißt es trocken beim DSGV.
Aufsicht nimmt Banken wegen Niedrigzins unter die Lupe
Die Belastungen der Banken durch niedrige Zinsen rufen die Aufsichtsbehörden auf den Plan. Die deutschen Geldhäuser müssen der Bundesbank ausführlich berichten, wie sich das fortdauernde Niedrigzinsumfeld auf ihre Ergebnisse auswirkt. Zudem sollen sie er-läutern, wie sich ihre Ertragskraft bei einem plötzlichen Zinsanstieg entwickeln würde, wie die Bundesbank am Freitag erklärte. Besonders Sparkassen und Volks- und Raiffeisenbanken, die über Hunderte Milliarden an Spareinlagen verfügen, leiden unter den niedrigen Zinsen, mit denen die Europäische Zentralbank die schwächelnde Wirtschaft in Schwung bringen will.
Die deutschen Banken unterstützen die Erhebung, wollen dafür aber mehr Zeit. Die Bundesbank hatte die Institute am 11. September aufgefordert, die Daten bis Ende des Monats zu liefern. In einem Brief an die Bundesbank, der Reuters vorliegt, fordert die Deutsche Kreditwirtschaft (DK), diese Frist bis Ende Oktober zu verlängern. Ansonsten würden viele Institute überfordert, argumentieren die Geldhäuser.
Laut den Banken liegen viele der angefragten Daten nicht standardmäßig vor und müssen erst erhoben werden. Dazu zähle beispielsweise die Einschätzung über die künftigen Ergebnisse durch die Fristentransformation. Darunter versteht man die Praxis, dass Banken langfristige Kredite vergeben und diese kurzfristig refinanzieren. Hinzu komme, dass die zuständigen Abteilungen der Banken derzeit gut damit beschäftigt seien, neue Regeln der Aufseher umzusetzen, erklärte die DK.
Die Bundesbank hat bisher noch nicht entschieden, ob sie dem Wunsch der Institute nachkommt. „Wir sind im Dialog mit den Banken“, erklärte sie. Für eine endgültige Entscheidung fehlten allerdings noch einige Erkenntnisse. Es gebe keine speziellen Vorfälle oder Sorgen, die die Erhebung ausgelöst hätten, hieß es in Aufsichtskreisen. „Für Aufseher ist das Tagesgeschäft.“ Die Daten seien wichtig, um sich ein umfassendes Bild über die Lage und Robustheit der deutschen Banken zu machen.
Sparkassen und Volks- und Raiffeisenbanken besonders betroffen
Die Niedrigzinsphase setzt besonders Instituten zu, die über hohe Bestände an Spar-einlagen verfügen wie Sparkassen und Volks- und Raiffeisenbanken. Bei den Sparkassen ging der Zinsüberschuss im vergangenen Jahr beispielsweise um 2,6 Prozent auf 23,2 Milliarden Euro zurück. Im laufenden Jahr rechnet Sparkassen-Präsident Georg Fahrenschon mit einem weiteren Rückgang um rund 500 Millionen Euro.
Quelle: format.at vom 27.09.2013
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Hat dies auf Haunebu7's Blog rebloggt.