WDR: Kritiker wartet sieben Jahre lang auf eine Auskunft

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Der WDR hat vor Gericht eine Niederlage einstecken müssen: Die GEZ-Sender dürfen nicht pauschal jede Auskunft verweigern. Damit können die Sender jetzt auch dazu verpflichtet werden, über ihre Finanzen Auskunft zu erteilen. Der WDR spielt jedoch auf Zeit: Auf die Beantwortung seiner einfachen, aber unangenehmen Frage, wartet der vor dem Gericht siegreiche Journalist bereits seit 7 Jahren.

Die öffentlich-rechtlichen Sender haben es sich fast schon zur Angewohnheit gemacht, kritische Fragen von Bürgern und Journalisten durch eine knallharte Verschleppungs-taktik im Sand verlaufen zu lassen.

Das Vorgehen sieht so aus: Ein Sender antwortet freundlich und zuvorkommend, dass man eine Anfrage gerne beantworten werde. Danach hört man vom Sender nichts mehr. Wenn man nachfragt, wird man von Pontius zu Pilatus geschickt. Am Ende, wenn die Nachfragenden noch nicht zermürbt sind, bekommt man zur Antwort, dass man aus prinzipiellen Gründen leider ausgerechnet auf diese Frage nicht antworten könne, weil es sich um Geschäftsgeheimnisse handle oder ähnlichen Unfug.

Der Journalist Marvin Oppong hat nun ein Urteil erstritten, nach dem sich die Sender, in deren Kassen acht Milliarden Euro jährlich aus der Rundfunk-Zwangsabgabe GEZ fließen, künftig nicht mehr so leicht aus der Affäre ziehen können.

Die Geschichte ist grotesk: Was mit einer Lappalie begann, könnte sich zu einem massiven Bumerang für die GEZ-Anstalten auswachsen.

Auf der WDR-Homepage informierte sich Marvin Oppong im Sommer 2006 zu Recherche-Zwecken über die Rundfunkrats-Mitglieder. Ratsmitglied Horst Schröder gab dort an, seit 1998 „Medienberater für Banken und Medienunternehmen“ zu sein. Oppong wollte wissen, ob er auch den WDR berät, in dessen Kontrollgremium er sitzt. Weder Schröder selbst noch der WDR wollte dem Journalisten Auskunft darüber geben, ob auch der WDR zu den Kunden seines eigenen Kontrolleurs zählt.

„Der WDR hätte die Anfrage damals mit einem simplen ,Nein‘ beantwortet können“, sagte Oppong den Deutschen Wirtschafts Nachrichten. Der WDR hatte behauptet, keine „informationspflichtige Stelle“ im Sinne des Informationsfreiheitsgesetz (IFG) zu sein. Auch seien im Falle einer Auskunft Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse berührt. Was die wahren Gründe für die Auskunfts-Verweigerung sind, darüber kann auch Oppong nur spekulieren.

Der Rechtsstreit über die Angelegenheit läuft mittlerweile seit mehr als fünf Jahren. 2008 hat Oppong vor dem Verwaltungsgericht Köln Auskunftsklage gegen den WDR erhoben. Der Klage wurde stattgegeben, woraufhin der WDR Revision einlegen wollte. Im Februar 2012 hat das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG) die Revision für nicht zulässig erklärt. Dagegen legte der WDR wiederum Beschwerde ein. Mit Beschluss vom 27. Mai 2013 hat das Bundesverwaltungsgericht diese Beschwerde abgelehnt. Der WDR – sprich: der Gebührenzahler – hat die Kosten des Beschwerdever-fahrens zu tragen.

Auch die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit NRW, zwischen-zeitlich von Oppong eingeschaltet, hat den WDR bereits mehrmals schriftlich darauf hingewiesen, dass er nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) zu einer Auskunft verpflichtet ist.

Die Informationen über die Auftragsvergabe an Schröder und andere mit dem WDR in Verbindung stehende Unternehmen hat Oppong trotz des eindeutigen Richterspruchs vom WDR noch immer nicht erhalten. Sein Anwalt erhielt nun zwar tatsächlich ein Schreiben, in dem wurde aber erneut lapidar darauf verwiesen, er werde die Auskunft bald erhalten. „Der WDR verfolgt eindeutig eine Hinhalte-Taktik“, so der Journalist. Dabei sei der Sender laut Gesetz dazu verpflichtet, angefragte Informationen unver-züglich, spätestens aber innerhalb von 30 Tagen zu liefern. Sieben Jahre nach seiner Anfrage wartet Marvin Oppong noch immer auf eine Antwort.

Nun spielt der WDR auf Zeit, wie Oppong auf seinem Blog berichtet:

Die von mir im Jahr 2006 beantragten Informationen habe ich trotz des eindeutigen Richterspruchs bislang dennoch nicht vom WDR erhalten. Die WDR-Sprecherin Annette Metzinger hat mir auf Nachfrage am Donnerstag (20. 6.) lediglich mitgeteilt: „Ihr Rechts-anwalt, Herr Knebel, ist bereits von unserem Rechtsanwalt Herrn Lehr angeschrieben worden. Darin der Hinweis, dass die Bescheidung zur Zeit vorbereitet wird. Bitte erkundigen Sie sich bei Herrn Knebel.“ Das habe ich gemacht. Mein Anwalt hat aber bislang kein Schreiben erhalten.

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Der WDR muss nach dem Urteil in jedem Fall Auskunft darüber geben, ob der WDR-Rundfunkrat Horst Schröder Aufträge des WDR erhalten hat. Horst Schröder ist mittlerweile zum Vorsitzenden des Ausschusses für Rundfunkentwicklung des WDR-Rundfunkrates aufgestiegen. Im WDR-Gesetz sei hingegen eindeutig geregelt, dass bei einer Interessenkollision die Mitgliedschaft in dem jeweiligen Organ erlischt.

Es ist zwar ärgerlich und zeigt, dass die Sender alles unternehmen, um ihrer Auskunfts-pflicht zu entgehen.

Doch die Bedeutung des Urteils geht tiefer.

Denn das von Oppong erstrittene Urteil ist von grundsätzlicher Bedeutung. Das Bundes-verwaltungsgericht hat nämlich den Versuch des WDR abgeschmettert, sich mit dem Verweis auf die Rundfunkfreiheit einen Persil-Schein dafür zu holen, dass alles was im WDR geschieht, zum Schutze der Rundfunkfreiheit geheim bleiben müsse.

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Der WDR hatte behauptet, es gäbe „zur Unterscheidung zwischen auskunftspflichtigen und nicht auskunftspflichtigen Tätigkeitsfeldern nach Maßgabe des ,journalistisch-redaktionellen Bereichs‘ keine operationalisierbare Grenzziehung, die eine praktikable und rechtssichere Rechtsanwendung ermöglicht“.

Das Gericht urteilt dagegen, dass es sehr wohl eine solche Grenzziehung gebe. Geschützt sei das Programm, damit niemand in die Unabhängigkeit des Rundfunks eingreifen könne. Hier sind Auskünfte im Grunde analog wie bei Redaktionen nicht zu erzwingen. In allen anderen Bereichen dagegen „geht die Rechtsprechung davon aus, dass innerhalb des Handelns einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt verschiedene Bereiche unter-scheidbar und abzugrenzen sind.“

Diese Unterscheidung ist wichtig.

Denn hier wird festgehalten: Wenn es sich nicht um das Programm handelt, dürfen die Sender nicht mehr mauern.

Das Gericht stellt in diesem Zusammenhang fest, dass es bei klassischen „Verwaltungs-aufgaben“ der Sender eine Offenlegungspflicht gibt. Diese sind auskunftspflichtig. Das Oberverwaltungsgericht Münster hatte bereits ähnlich entschieden. Demnach müssen Fragen zur GEZ oder zu Sendezeiten für Dritte prinzipiell beantwortet werden.

Das Urteil freilich ist noch kein vollständiger Durchbruch, etwa, wenn es um Fragen der Honorare für Moderatoren oder deren Produktionsfirmen geht. Solche Fragen, die die Sender bisher grundsätzlich nicht beantworten, könnten unter dem Überbegriff der Rundfunkfreiheit weiter auf eisiges Schweigen bei den Sendern stoßen.

Daher ist es für konkrete Anfragen wichtig, sie so zu stellen, dass sie nicht als unzulässige Einmischung ins Programm abgebürstet werden können. Denn das Grundgesetz schützt die Sender vor jeder Art von Einflussnahme.

Gegen die Einflussnahme von Bürgern oder kritischen Journalisten haben sich die Sender bisher immer erfolgreich gewehrt. Gegen die Einflussnahme von Politikern und Parteien dagegen nicht, obwohl diese im Grunde nicht bloß ein Kavaliersdelikt, sondern ein Bruch von geltendem Recht ist.

Die Biegsamkeit der GEZ-Sender – nach oben devot, nach unten arrogant – wird durch das aktuelle Urteil des Bundesverwaltungsgerichts sicher nicht automatisch zu einer neuen Charakterstärke und Transparenz führen.

Das Urteil sollte jedoch so viele Bürger als möglich ermutigen, nachzufragen.

Denn die Bürger haben ein Recht auf Aufklärung – gerade wenn es um wirtschaftliche Verflechtungen und einen möglichen Missbrauch der Rundfunkfreiheit geht.

Das tut den Sendern zwar weh.

Es ist aber die einzige Chance für die Bürger, wenigstens kleine Einblicke zu erheischen, was mit ihrer „Demokratie-Abgabe“ geschieht.

Marvin Oppong hat einen mutigen Anfang gemacht, eine Eselsgeduld und ein Demokratie-förderndes Beharrungsvermögen bewiesen.

Andere sollten es ihm unbedingt gleichtun.

Die Sender werden das als „Querulanten-Tun“ diskreditieren.

Tatsächlich ist jede Frage an die GEZ-Sender jedoch ein Beitrag zur Förderung der Demokratie in Deutschland.

Quelle: Deutsche-Wirtschafts-Nachrichten vom 29.06.2013

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