Das Budget für psychisch Schwerkranke schrumpft zugunsten weniger belasteter Menschen wie Burnout-Patienten. Experten warnen vor der Entwicklung einer Zweiklassenpsychiatrie – und dem Entgeltsystem der Kassen.
Immer mehr Burnout-Kliniken entstehen in Deutschland, Menschen mit leichten und mittelschweren Problemen finden dort Hilfe. Die Krankenkassen zahlen oftmals bereitwillig. Gelder, die an anderer Stelle fehlen, wie Psychiater-Verbände beklagen.
„Insbesondere Menschen mit chronischen und schweren psychischen Erkrankungen sind benachteiligt“, sagt der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psycho-therapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) Wolfgang Maier. Sowohl ambulant als auch stationär würde deren Behandlungsbedarf nicht genügend berück-sichtigt, betonte er auf dem DGPPN-Hauptstadtsymposium in Berlin. Grund dafür sei häufig die schlechte Vergütung.
Rund 45 Euro pro Quartal erhält ein niedergelassener Psychiater für die Betreuung eines Patienten mit Schizophrenie, rechnet Maier vor. Darin enthalten: ein Gespräch und eine Pauschale für den Patienten. Behandelt er hingegen einen Patienten mit einer Psycho-therapie, die vorwiegend bei leicht oder mittelschwer Erkrankten zum Einsatz kommt, bezahlen die Krankenkassen bis zu 90 Euro pro Therapiestunde. „Das setzt falsche Anreize“, sagt Maier. Die Psychotherapeuten seien nicht über-, sondern die Gesprächszeit beim Psychiater deutlich unterbezahlt.
Schwerkranke sind nicht lukrativ
Viele Psychiater behandeln inzwischen bevorzugt leichtere Depressionen oder Lebens-krisen als Psychotherapeuten, von ihrem Schwerpunkt – der Therapie Schwerstkranker mit etwa einer Schizophrenie oder einer bipolaren Störung – wenden sie sich ab. Der Psychiater Karl H. Beine vom deutschen Chefarzt-Arbeitskreis der Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie an Allgemeinkrankenhäusern (ACKPA) berichtet gar von mitgehörten Gesprächen darüber, „welche Erkrankung lukrativer ist“.
Daneben könnten auch Psychotherapeuten schwerkranke Patienten behandeln – aller-dings werden die passenden Angebote bisher nicht von den Kassen erstattet. Eine Psychotherapie nach den bundesweit geltenden Richtlinien , an denen sich die Bezahlung orientiert, setzt voraus, dass die Patienten mindestens 50 Minuten lang mitdenken, verstehen, reflektieren und beim Thema bleiben können. „Viele psychisch Schwerkranke haben diese Ressourcen nicht, sie benötigen kürzere und dafür häufigere Sitzungen mit anderen Inhalten“, sagt Maier.
So sei es sinnvoll, mit den Betroffenen Fertigkeiten zu üben, die sie wieder in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt integrieren.
„Tatsächlich finden wir bei den niedergelassenen Psychotherapeuten so gut wie keine Patienten mit Suchtproblemen, Demenz oder Psychosen“, sagt Iris Hauth, Leiterin des Alexianer St. Joseph-Krankenhauses in Berlin. Menschen mit solch schweren psychischen Erkrankungen kämen in der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung einfach nicht an.
Doch auch die Kliniken laufen Gefahr, in eine Versorgungsschieflage zu geraten, warnt Psychiaterin Hauth. Ab 2015 soll für die Psychiatrie ein neues Entgeltsystem gelten, das dieses Jahr bereits optional eingeführt wird. Die Krankenkassen zahlen demnach Tages-pauschalen pro Patient. Bleibt der Patient länger als 14 Tage, kürzen die Kassen diese Pauschale für die weiteren Tage stufenweise – auch wenn der Aufwand für die Therapie gleich bleibt.
„Das kann zu ökonomischen Fehlanreizen führen, so dass Kliniken ihre Patienten immer öfter frühzeitig entlassen, um in ihrem Budget zu bleiben“, sagt Hauth. Nach so kurzer Zeit seien viele allerdings noch nicht stabil genug, um ambulant betreut zu werden. Ein Rückfall und damit ein erneuter Klinikaufenthalt könne die Folge sein.
Die DGPPN hat zusammen mit anderen Ärzteverbänden und Betroffenen-Organisationen vergangenes Jahr ihre Sorgen beim Bundesministerium für Gesundheit vorgetragen – ohne Erfolg. „Das Gesetz wurde trotzdem durch den Bundestag verabschiedet. Unsere Argumente sind einfach nicht gehört worden“, sagt Hauth.
Lieber Lebenskrise als Schizophrenie
Psychiater und Bestsellerautor Manfred Lütz warnt vor einer Spaltung in eine Zwei-klassengesellschaft innerhalb der Kliniken. Auf der einen Seite stünden die Patienten der Psychosomatik, unter vorgehaltener Hand auch als „Psychiatrie Light“ betitelt, auf der anderen die der Psychiatrie.
„Während in psychosomatischen Kliniken gut situierte Patienten mit Lebensproblemen Hilfe finden, befinden sich die psychisch Schwerkranken in der Psychiatrie“, beklagt er. Manche psychosomatische Klinik werbe in Stellenausschreibungen für Ärzte sogar damit, dass es dort keine psychiatrischen Patienten gebe. „Kurz gefasst: keine Verrückten.“
Während die Psychiatrie in den vergangenen 20 Jahren etwa die Hälfte ihrer Betten abgebaut hat, bauen die psychosomatischen Kliniken ihr Kontingent an Behandlungs-plätzen kontinuierlich aus. Sie sind zudem nicht von dem neuen Entgeltsystem betroffen.
Unabhängig davon haben Patienten in psychosomatischen Einrichtungen jetzt schon mehr Zeit zu genesen. „Wer mit einer Depression in eine Psychiatrie kommt, wird im Durch-schnitt nach 24 Tagen entlassen“, sagt Hauth. „Patienten mit der gleichen Problematik verweilen in psychosomatischen Kliniken hingegen rund 40 Tage.“ Wer dorthin einge-wiesen wird, hat Glück.
Quelle: SpiegelOnline vom 26.06.2013
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«Auch bei Patienten mit schweren Depressionen, einer bipolaren Störung, Schizophrenie oder einer Suchterkrankung kann körperliche Aktivität einen Beitrag bei der Behandlung leisten», sagt die BVDP-Vorsitzende.