Was Mitte des 14. Jahrhunderts über die norddeutsche Küste hereinbricht, ist dort die verheerendste Sturmflut seit Menschengedenken und eines der rätselhaften Ereignisse der Geschichte. Eine ganze Region versinkt in der Tiefe samt einer Stadt Rungholt, die sagenhaft reich gewesen sein soll: ein Atlantis der Nordsee. Nachforschungen bestätigen: Rungholt hat es tatsächlich gegeben.
Lange Zeit gab es keinen materiellen Beleg aus der Zeit des Ortes vor 1362, der die Existenz Rungholts belegen konnte. Zeitgenössische Berichten existieren nicht mehr. Zwar hatten Chronisten des 17. Jahrhunderts wie Matthias Boetius und Anton Heimreich Sagen von einer im 14. Jahrhundert untergegangenen Stadt wiedergegeben und von Funden im Watt berichtet, doch erst zwischen 1921 und 1938 spülten die Gezeiten im Watt nördlich von Südfall wieder Überreste von Warften, Bauten und Zisternen frei.
(Bild: Karte von Johannes Bleau, 1662)
Die Funde wurden systematisch erfasst und erforscht und konnten Angaben auf alten Karten bestätigen. Besonders bedeutsam ist dabei die Karte von Johannes Mejer von 1636, die selbst auf einer Karte von 1240 basieren soll. Weitere Indizien sind ein Testament von 1345 mit der Erwähnung des Namens Rungholt und eine Handelsver-einbarung mit Hamburger Kaufleuten vom 1. Mai 1361.
Das Datum liegt acht Monate vor der Marcellusflut und bestätigt, dass der Ort zum Zeitpunkt der Flutkatastrophe noch bestand. Die Handelsvereinbarung und Funde von rheinischen Krügen erhärten die Vermutung, dass Rungholt der Haupthafen der Edomsharde war. Beide Urkunden befinden sich heute im Hamburger Staatsarchiv.
Januar 1362. Über der Nordsee braut sich ein schweres Orkantief zusammen. Die aus Westen kommenden Sturmböen peitschen das Meer auf und treiben gewaltige Wellen-berge in Richtung Deutsche Bucht. Es kommt zu einer Katastrophensturmflut nie dagewesenen Ausmaßes.
(Bild: Mutmaßliche Küstenlandschaft Nordfrieslands bzw. der Uthlande vor der Sturmflut 1362 mit Rungholt und der Landschaft Strand)
30 Ortschaften werden zerstört. Eine von ihnen, Rungholt, soll spurlos in den Fluten versunken sein. Alten Legenden nach liegt es seitdem irgendwo unversehrt auf dem Meeresgrund, und zu manchen Zeiten sollen aus der Tiefe Glocken zu hören sein.
10.000 Todesopfer?
Der Mythos von Glanz und Verderben des reichen Rungholt stellte Forscher lange vor Rätsel. Hat es diese Stadt überhaupt jemals gegeben? Wenn es sie gegeben hat: Woher kam der Reichtum, und wo genau ist Rungholt untergegangen? Immer wieder gaben Funde Anlass zu Spekulationen. Anfang des 20. Jahrhunderts tauchten tatsächlich Reste einer untergegangenen Ortschaft im Watt nahe Pellworm auf.
Von wenigen Heimatforschern und Hobby-Archäologen flüchtig untersucht, wurde das Fundareal bald wieder ein Raub der Fluten. Doch seit einigen Jahren sind Rungholt und die Geschehnisse, die zu seinem Untergang führten, in den Fokus wissenschaftlicher Forschung gerückt.
Gesucht wird nach mehr Erkenntnissen über dieses rätselhafte Atlantis der Nordsee und nach den Ursachen der größten Naturkatastrophe des Mittelalters, bei der vermutlich mehr als 10.000 Menschen umkamen. Lag es an der Klimaerwärmung, die für die damalige Zeit verbürgt ist? Waren es Auswirkungen eines durch Erdrutsche verursachten Tsunami?
Gebäudereste am Meeresgrund
Bei Grabungen vor Ort, bei der Suche in alten Archiven und mit Hilfe moderner Technologie fahnden Wissenschaftlern nach Spuren der versunkenen Stadt und den Gründen für ihren Untergang. Über Datenbanken werden auch historische Quellen zur Wetter- und Klimageschichte in die Recherche einbezogen.
Augenfällig ist: Einen Tag vor der Flut an der deutschen Küste wüteten schwere Stürme im westlichen Teil der Nordsee in England. Die Indizien verdichten sich zu dem Ergebnis, dass die „Grote Mandränke“, das große Menschenertrinken, Teil eines meteorologischen Großereignisses war, das kurz vor Rungholt auch die einstige englische Hafenstadt Dunwich zerstörte. Dort entdecken Taucher 200 Meter von der heutigen englischen Steilküste entfernt Gebäudereste auf dem Meeresboden.
Flutwelle aus England
Nach der Auswertung von Wetter- und Wetterschadensdaten zu 10.000 Jahren Klima-geschichte der Britischen Inseln lassen sich eine außergewöhnliche Großwetterlage und das genaue Datum der Katastrophe herausfinden: der 15. und 16. Januar 1362. 24 Stunden später traf die gewaltige Flutwelle die Nordwestküste Deutschlands und führte zu der gewaltigen Katastrophe, die auch das Schicksal Rungholts besiegelte.
Der Rungholt-Forscher Andreas Busch nahm in den 1920 Jahren aufgrund der Anzahl und der Verteilung von Brunnenresten eine Schätzung der Einwohneranzahl vor. Dadurch schloss er auf eine Bevölkerung von mindestens 1.500 bis 2.000 Einwohnern. Das ist für eine Ortschaft des 14. Jahrhunderts in dieser Gegend eine bemerkenswert große Zahl. Kiel beispielsweise hatte zu dieser Zeit genauso viele Einwohner, in Hamburg lag die Einwohnerzahl bei etwa 5.000.
Ursprung des Namens
Der Name Rungholt leitet sich vermutlich von der friesischen Vorsilbe Rung- („falsch“, „gering“; gleicher Wortstamm wie das englische wrong) und dem Stammwort Holt („Gehölz“) ab. Daraus ergibt sich die Bedeutung „Niederholz“; gestützt wird diese Ableitung durch historische Karten, die bei Rungholt einen kleinen Wald in hügeligem Gelände zeigen, die „Silva Rungholtina“, was in der Gegend sehr ungewöhnlich ist. Eine vergleichbare Geländeform findet sich heutzutage in den Dünen vor Sankt Peter-Ording.
Video-Dokumentation
https://www.youtube.com/watch?v=DUodQVaBuOk
Quellen: PRAVDA-TV/Wikipedia/ZDF vom 27.05.2013
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