Nachdem der Komet C/2011 L4 PANSTARRS im März und April dieses Jahres doch nicht so eine eindrucksvolle Erscheinung wurde wie erhofft, richten viele Kometenbeobachter weltweit ihr Augenmerk nun auf den Schweifstern C/2012 S1 ISON. Er wird Ende November sehr dicht an die Sonne herankommen, und könnte, sollte er die dichte Passage am Tagesgestirn überstehen, zu einer hellen Erscheinung am Morgenhimmel werden.
Aber die Kometenforscher interessieren sich nicht nur für das optische Schauspiel, das der Komet am Himmel liefert, sondern auch für dessen materielle Hinterlassenschaften. Kometen stoßen neben Gasen auch große Mengen an Staubpartikeln aus, die sich in der Nähe seiner Bahn um die Sonne ansammeln. Durchläuft später die Erde diese Staub-wolken, so kann es zu einem Meteorstrom kommen mit je nach Größe der Partikel unterschiedlich hellen Sternschnuppen am Himmel.
Der Meteorforscher Paul Wiegert von der University of Western Ontario in Kanada untersuchte nun den Kometen ISON auf mögliche Sternschnuppen-Aktivität. Dazu griff er sowohl auf Computer-Simulationen als auch auf Messdaten des NASA-Satelliten Swift zurück, der den Schweifstern im Januar 2013 beobachtete. Die Daten von Swift belegen, dass der Komet bereits in der Entfernung von Jupiter zur Sonne sehr aktiv war und pro Minute rund 50 Tonnen Staub freisetzte.
Die Simulationen zeigen, dass die Erde in den Tagen um den 12. Januar 2014 einen Strom aus sehr feinkörnigen Staubpartikeln passieren wird. Wiegert vermutet aber, dass es trotzdem zu keinem spektakulären Meteorstrom kommen wird, da die Partikel, die im Mittel nur wenige Mikrometer messen, zu klein sind, um Sternschnuppen zu verursachen.
Meteore oder Sternschnuppen entstehen, wenn Partikel im Bereich von mehreren hundert Mikrometern bis einigen Zentimetern Größe mit hoher Geschwindigkeit in die Erdatmosphäre eintreten und durch die Reibung an den Gasmolekülen innerhalb weniger Sekunden rapide abgebremst werden. Dabei wird die Bewegungsenergie der Teilchen in Reibungswärme umgesetzt, wodurch die Teilchen verglühen und dabei hell aufleuchten.
Die Teilchen vom Kometen ISON werden zwar mit 56 Kilometern pro Sekunde in die Erdatmosphäre eintreten und haben daher eine hohe Bewegungsenergie. Sie sind aber so klein, dass sie sanft abgebremst werden und nach und nach aus den hohen Schichten der Lufthülle auf die Erdoberfläche herabrieseln. Somit wird es zu keinen Sternschnuppen kommen, falls ISON nicht doch auch größere Staubpartikel freisetzt.
Paul Wiegert weist auf ein weiteres ungewöhnliches Verhalten der Kometenpartikel von ISON hin: Möglicherweise wird die Erde von den Partikeln aus zwei verschiedenen Richtungen gleichzeitig getroffen. Wenn der Blaue Planet in die Staubzone eintritt, trifft er auf Staubpartikel, die der Umlaufbahn des Kometen in Richtung Sonne folgen. Ein anderer Teil der Staubpartikel bewegt sich jedoch in Gegenrichtung, da sie durch den Strahlungsdruck der Sonne von dieser weggetrieben werden.
Bislang wurde ein solches Verhalten noch nie beobachtet. Auf jeden Fall sollten Beobachter weltweit Ausschau halten nach Sternschnuppen von ISON, auch wenn derzeit die Chancen dafür als niedrig angesehen werden.
Quelle: Sterne und Weltraum vom 22.04.2013
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