Welche Spätfolgen wird die Reaktor-Katastrophe von Fukushima haben? Weitaus größere als bisher angenommen – da ist sich eine angesehene Ärzte-Organisation zwei Jahre nach dem GAU sicher. Verharmlost die WHO die Gefahr?
In Japan werde es nach neuesten Erkenntnissen „allein durch die äußere Strahlen-belastung 40.000 bis 80.000 zusätzliche Krebsfälle geben“, erklärte Henrik Paulitz von der Mediziner-Organisation „Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges“ (IPPNW) in Berlin. Außerdem erwarten die Wissenschaftler noch gut 37.000 zusätzliche Krebserkrankungen durch strahlenbelastete Nahrungsmittel. Dies seien Prognosen aufgrund eines neu ermittelten und doppelt so hohen Risikofaktors, so die Organisation.
„Verharmlosungstendenz“
Unter anderem die Auswirkungen auf Ungeborene, Babys und Kleinkinder seien bislang dramatisch unterschätzt worden, kritisierten die Ärzte. „Neun Monate nach der Fukushima-Katastrophe gab es einen signifikanten Einbruch der Geburtenzahlen in Japan“, berichtete Kinderarzt Winfried Eisenberg. Im gesamten Land „fehlten“ demnach 4362 Babys, die statistisch zu erwarten gewesen wären. „Wir gehen davon aus, dass viele Embryonen strahlenbedingt gestorben sind.“
Scharfe Kritik übten die Ärzte an der jüngst von der Weltgesundheitsorganisation WHO vorgelegten Prognose, wonach das Krebsrisiko in den verstrahlten japanischen Gebieten nur „leicht erhöht“ sei. Grund für diese „Verharmlosungstendenz“, so die Ärzte, sei eine Vereinbarung, die die WHO schon 1959 mit der Internationalen Atomenergie-Organisation IAEA getroffen habe. Demnach darf die Weltgesundheitsorganisation zu Strahlenfolgen nichts ohne Zustimmung der IAEA veröffentlichen, die als Atomenergie-freundlich gilt.
Brennstäbe müssen raus
Derweil teilte der Betreiber des havarierten Atomkraftwerks mit, dass ab November aus einem Abklingbecken erste Brennstäbe geborgen werden sollen. Es soll der erste größere Fortschritt bei der Bewältigung der Katastrophen-Folgen werden. Der Abtransport werde ein Jahr dauern, so das Unternehmen TEPCO, das am Mittwoch Journalisten den Zugang zu dem AKW-Gelände gestattete In Fukushima war es am 11. März 2011 nach einem heftigen Erdbeben und einem Tsunami in drei Reaktoren zur Kernschmelze gekommen.
Zudem hatte es auf dem Kraftwerksgelände mehrere Wasserstoffexplosionen gegeben, die ein Reaktorgebäude und ein Abklingbecken beschädigten. An der Ruine tritt kontaminiertes Wasser aus. Der Abtransport von Brennstäben aus den Reaktoren selbst soll binnen zehn Jahren beginnen, wie es weiter hieß. Abgeschlossen wird die Stilllegung wohl erst in mehreren Jahrzehnten sein.
Quellen: dpa/AP/Deutsche Welle vom 07.03.2013
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