Es ist eine historische Entscheidung: Der tschechische Senat erhebt wegen Hochverrats Klage gegen den scheidenden Präsidenten Vaclav Klaus. Ihm wird vorgeworfen, er habe mit der Verkündung einer Gefangenenamnestie seine Machtbefugnisse überschritten.
Der tschechische Präsident Václav Klaus scheidet in dieser Woche mit einer Hypothek aus dem Amt. Der Senat in Prag, die zweite Kammer der Republik, beschloss am Montag, den langjährigen Staatschef wegen einer jüngst verkündeten Massenamnestie vor dem Verfassungsgericht zu verklagen. Die Entscheidung, ihn des Hochverrats zu beschuldigen, fiel nach langen Debatten in geheimer Sitzung mit einer Mehrheit von 38 gegen 30 Stimmen, wie die Wahlkommission mitteilte.
Es ist das erste Mal in der Geschichte des Landes, das vor 20 Jahren nach der Auflösung der Tschechoslowakei entstand, dass in dieser Form vorgegangen wird. Die Mehrheit der Senatoren, bei denen es sich vor allem um Sozialdemokraten handelt, wirft dem scheidenden Präsidenten zusätzlich vor, dass er bisher eine vom Parlament beschlossene Ergänzung des Lissabonner Vertrages über den Rettungsfonds der Euro-Zone nicht unterschrieben hat. Außerdem kreiden sie ihm an, das Inkrafttreten eines Zusatzes zur Europäischen Sozialcharta verzögert zu haben.
Ausgangspunkt war die landesweite Empörung über die Amnestie, die der konservative Präsident am Neujahrstag verkündet hatte. Demnach kamen in den vergangenen Wochen rund 7000 tschechische Strafgefangene, ein Drittel aller Gefängnisinsassen, auf freien Fuß. Hauptsächlich handelte es sich um Kleinkriminelle, vor allem Alte.
Heftige Protest gab es aber, als nach einigen Tagen herauskam, dass unter den Begünstigten Dutzende verdächtiger Geschäftsleute sind, die in den 1990er Jahren wegen spektakulärer Finanzskandale und Betrugsfälle angeklagt wurden. Zu ihrem Vorteil wirkte sich die von Klaus verfügte Regelung aus, wonach alle Prozesse einzustellen sind, die länger als acht Jahre dauern. Dadurch verlieren zigtausende Geschädigte Anspruch auf Schadensersatz.
Der Amnestie hatte der konservative Ministerpräsident Petr Necas zugestimmt. Die aus seiner Demokratischer Bürgerpartei stammenden Senatoren stimmten gegen die Klage. Unter Juristen ist umstritten, ob das Verfassungsgericht die Klage annimmt. Klaus würde dann die Entlassung aus dem Präsidentenamt drohen – aus dem er an diesem Donnerstag aber sowieso scheidet.
Verfassungsgericht räumt Hochverratsklage Priorität ein
Die am Montag vom tschechischen Senat eingereicht Klage wegen Hochverrats gegen den noch amtierenden Staatspräsidenten Václav Klaus wird vom Verfassungsgericht mit Priorität behandelt. Man werde die Klage allen anderen Fällen vorziehen, erklärte der Generalsekretär des Gerichts am Montag.
Eine Entscheidung des Gericht vor Ende März sei aber sehr unwahrscheinlich, da es sich um einen sehr ernsten Vorwurf handele, der äußerst sorgfältige Abwägung bedürfe, so der Sekretär weiter.
Zunächst muss nun das Gericht prüfen, ob alle Bedingungen für eine Anklage erfüllt seien. Sollte die Anklage nicht aus formalen Gründen abgelehnt werden, muss vor der endgültigen Entscheidung eine öffentliche Sitzung stattfinden. Der Staatspräsident darf mindestens einen Verteidiger benennen. Sowohl der Präsident, seine Verteidiger als auch die Vertreter des Senats haben dann das Recht, sich zu den Vorwürfen zu äußern sowie Zeugen und Experten zu hören.
Sollte der Präsident verurteilt werden, drohen ihm der Verlust des Amtes und der Bezüge. Da die Amtszeit von Präsident Klaus aber am 7. März endet, könnte er nur seine Altersbezüge verlieren. Unklar ist noch, ob sein Ausscheiden aus dem Amt ein formaler Ausschlussgrund für die Klage ist.
Quellen: radio.cz/sueddeutsche.de vom 04.03.2013
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