Berufsverband in Pamplona beschließt einstimmig, Polizei nicht mehr bei Zwangsräumungen zu unterstützen.
Seit einigen Jahren steigt in Spanien die Anzahl der Zwangsräumungen. Wurde in Pamplona, der Hauptstadt der nordspanischen Provinz Navarra, früher durchschnittlich einmal im Monat jemand aus seiner Wohnung geworfen, sind es mittlerweile drei Fälle in der Woche, berichtet der Berufsverband der Schlosser in der 200.000-Einwohner-Stadt.
Da die Handwerker bei solchen Einsätzen oft mit tragischen Schicksalen konfrontiert werden, sind diese Aufträge, die mehr als zehn Prozent des Umsatzes ausmachen, trotz überdurchschnittlicher Bezahlung äußerst unbeliebt. Wenn eine Bank beschließt, wegen nicht bezahlter Kreditraten eine Wohnung räumen zu lassen, vertreibt die Polizei die Bewohner, bevor dann ein Schlosser die Schlösser auswechselt und die Schlüssel beim neuen Eigentümer deponiert.
Pamplonas Schlosser beschließen Boykott
Genau diese Dienstleistung wollen die Mitglieder der Asemblea de Profesionales de Cerrajería de Pamplona künftig nicht mehr anbieten: Bei einer Versammlung Mitte Dezember beschlossen alle 15 Mitglieder des Schlosser-Berufsverbandes, künftig keine solchen Aufträge mehr anzunehmen.
„Über die Weihnachtsfeiertage wurde traditionsgemäß niemand zwangsgeräumt“, berichtet Iker de Carlos, der Pressesprecher des Schlosserverbandes, im Gespräch mit derStandard.at. „Wir wissen, dass im Januar noch zumindest drei Termine in Pamplona anstehen, bisher haben wir in diesem Jahr aber noch keinen einzigen Auftrag erhalten.“
Rasanter Anstieg der Zwangsräumungen
De Carlos berichtet, dass vor allem im zweiten Halbjahr 2012 die Zwangsräumungen drastisch zugenommen hätten: „Vor dem Sommer waren es drei bis vier im Monat, im Herbst wurden wir drei- bis viermal in der Woche beauftragt, Schlösser auszuwechseln.“ Wie die Banken in Navarra künftig bei Zwangsräumungen vorgehen werden, ist noch unklar. „Entweder holen sie Leute von außerhalb, um den Job zu erledigen, oder sie sehen es endlich ein und hören auf, Leute aus ihren Wohnungen zu werfen“, meint der 22-Jährige.
In Krisenzeiten können sich immer mehr Spanier die Bedienung der früher großzügig vergebenen Kredite nicht mehr leisten. Während des spanischen Immobilienbooms war es kein Problem, mit einer Eigentumswohnung als Sicherheit ein Darlehen bis zum Schätzwert der Immobilie zu erhalten. Diese Schätzwerte sind allerdings eingebrochen, weil hunderttausende neu gebaute Wohnungen leerstehen.
Wenn sich bei einer Zwangsversteigerung kein Käufer findet, sieht das spanische Hypothekengesetz vor, dass das Objekt zur Hälfte des Rufpreises an die Bank fällt (derStandard.at berichtete). Wer heute zwangsgeräumt wird, sitzt deshalb oft trotzdem noch auf einem Schuldenberg. Laut der Tageszeitung „El Pais“ wurden in den ersten neun Monaten des Vorjahres landesweit 67.537 Zwangsräumungen angeordnet, was einen Anstieg um 18,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr darstellt. Allerdings sind in diesen Zahlen auch Zweitwohnsitze enthalten. Vier Spanier haben 2012 wegen Zwangs-räumungen Selbstmord begangen.
Politik sucht Lösung
Spaniens konservativer Premier Mariano Rajoy versprach im November des Vorjahres, man werde sich bemühen, in besonderen Härtefällen künftig Zwangsräumungen zu ver-meiden. Auch die Richtervereinigung und mehrere katholische Bischöfe weisen auf die Dringlichkeit des Problems hin.
Die Regierung will nun durchsetzen, dass Banken, die mit staatlicher Hilfe gerettet werden mussten, einen Teil ihres Immobilienbesitzes zu erschwinglichen Tarifen an sozial Schwache vermieten müssen. Iker de Carlos betrachtet dieses plötzliche Engagement mit Skepsis: „Ich halte das für einen Bluff. Das Gesetz, das sie jetzt beschließen, würde nur fünf Prozent der Zwangsräumungen betreffen. Hier geht es meiner Meinung nach eher darum, die Bevölkerung ruhigzuhalten.“
Mittlerweile hat sogar der spanienweite Berufsverband der Schlosser, die UCES (Union de Cerrajeros de Seguridad), angekündigt, dass sich seine Mitglieder nicht mehr an besonders problematischen Zwangsräumungen beteiligen sollen.
Quellen: Reuters/derStandard.at vom 10.01.2013
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