Im Iran verteuern sich lebensnotwendige Medikamente. Der Grund: Starke Währungsschwankungen und die Angst der Banken vor Geschäften mit dem Iran. Darunter leiden die Patienten.
Einmal, erzählt der Arzt Nosrat Firusian, hätte er einem Patienten ein iranisches Betäubungsmittel verabreicht. Nach ein paar Minuten starrte ihn der Patient aber noch immer mit offenen Augen an. „Der schlief überhaupt nicht ein!“, so Firusian. Seitdem packt der iranische Arzt, der in Recklinghausen lebt, alle sechs Wochen einen Koffer voller Medikamente und fliegt damit nach Teheran.
Noch vor einem Jahr, erzählt Firusian im Gespräch mit der Deutschen Welle, hätte er Originalpräparate aus Deutschland im Iran kaufen können. Doch mittlerweile sind die Medikamente, die seine Krebspatienten zum Überleben brauchen, im Iran viel zu teuer geworden. In nur acht Wochen hätten sich die Preise verdoppelt, teils sogar verdreifacht, sagt der Krebsspezialist, der die Abteilung Regionale Krebstherapie am Elisabeth-Krankenhaus in Recklinghausen leitet. Befreundete Ärzte im Iran hätten Schwierigkeiten, Medikamente für leukämiekranke Kinder zu beschaffen.
Die Schuld daran gibt Michael Tockuss, Vorstandsmitglied der deutsch-iranischen Handelskammer, den Sanktionen, die die EU gegen den Iran verhängt hat. Die Sanktionen sollen den Iran wieder an den Verhandlungstisch und zur Aufgabe seines Nuklearprogramms zwingen.
Medikamente sind von den Sanktionen ausgenommen
Das Sanktionssystem beinhalte allerdings alle „notwendigen Schutzmaßnahmen, um negative Auswirkungen auf die Lieferung von humanitären Mitteln zu verhindern“, versichert der Sprecher von Catherine Ashton, der EU-Vertreterin für Außenpolitik, in einem Statement auf Nachfrage der Deutschen Welle. So seien etwa Medikamente oder Lebensmittel von der Sanktionsliste ausgenommen. Das heißt, diese Waren dürfen ohne spezielle Genehmigung gehandelt werden; erlaubt sind auch Zahlungen von und an iranische Banken, die sonst strikt verboten sind. Die Entscheidung, Geschäfte mit dem Iran zu machen, obliege jedoch letztlich der Wirtschaft, heißt es weiter im Statement aus dem Büro Ashton.
Doch die tut sich schwer mit den Irangeschäften. So gäbe es zwar viele Unternehmen, die mit dem Iran handeln wollten, erklärt Tockuss. Europaweit gäbe es praktisch keine Bank mehr, die direkte Zahlungen aus dem Ausland annimmt. Das sei vor allem deshalb ärgerlich, „weil es keine Situation ist, die aus den Sanktionen kommt“, so Tockuss.
Kleinere Banken hätten einfach nicht das Personal, um mit den ständig veränderten Sanktionen gegen den Iran klarzukommen. Größere, international tätige Banken hätten Angst vor dem Druck aus den USA, wo die Sanktionsauflagen noch schärfer als in Europa sind.
Zahlungen über Drittländer treiben die Preise hoch
Die Deutsche Bank etwa hat vor fünf Jahren das gesamte Geschäft mit dem Iran eingestellt. „Wir können keinerlei Zahlungen in die eine oder andere Richtung tätigen“, bestätigt ein Sprecher im Gespräch mit der Deutschen Welle – auch nicht im Bereich der Positivliste der EU, also der Waren, die von den Sanktionen ausgenommen sind.
Deshalb laufe das Geschäft über Drittländer, etwa Russland und Aserbaidschan, sagt Michael Tockuss, der sieben Jahre im Iran gelebt hat und deutsche Unternehmen berät, wie Zahlungen mit dem Iran abgewickelt werden können. Tockuss hätte nie gedacht, dass er einmal zum Experten für das aserbaidschanische Bankengeschäft werden würde. Bei den Überweisungen über Auslandsbanken würden allerdings so hohe Gebühren anfallen, dass oft das Geschäft kaum mehr profitabel sei.
Hinzu kommen die heftigen Währungsschwankungen: In den letzten Monaten ist der Rial drastisch gefallen. Schuld daran sei die Geldpolitik der iranischen Zentralbank, die lange Zeit den Wechselkurs des Rial manipuliert habe, erklärt Tockuss.
Medikamente werden unerschwinglich
Sanktionen und Abwertung treiben also die Preise für Importe in die Höhe – auch für lebenswichtige Medikamente. „Die sind zwar im Land noch erhältlich, aber so teuer, dass sie sich kaum einer leisten kann“, sagt der Mediziner Firusian, der sich gerade in Teheran aufhält. Leiden würden vor allem die ärmeren Bevölkerungsschichten, Rentner etwa, oder aber Familien ohne Krankenversicherung. Zwischen 100 und 150 Patienten be-handelt Firusian alle paar Wochen, den Großteil unentgeltlich.
Versuche der Deutschen Welle, ein offizielles Statement von iranischer Seite zu bekommen, schlugen fehl. Ein Mitarbeiter des Gesundheitsministeriums erklärte lediglich: „Alles ist teuer im Iran, natürlich auch die Medikamente.“
Ohne seine Medikamente aus Deutschland, sagt Firusian, wären seine Patienten auf billige, minderwertige Importe aus Osteuropa oder Asien angewiesen. Solche wie etwa das Betäubungsmittel, das nicht betäubt.
Quelle: Deutsche Welle vom 22.11.2012
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