US-Neurologen haben bei der Untersuchung brasilianischer Trancemedien eine faszinierende Entdeckung gemacht: Während des beschriebenen Kontakts zu Geistern und Verstorbenen in Form von sogenannten automatischem bzw. medialem Schreiben oder der Zungenrede gibt es einen auffallenden Rückgang der Hirnaktivität in jenen Teilen des Gehirns, die etwa für Sprache und selbstbestimmte Aktivitäten verantwortlich sind – jedoch eine unerwartete deutliche Zunahme der Komplexität der automatisch geschriebenen und gesprochenen Sprache.
(Foto: Historische Aufnahme einer Sitzung medialen Schreibens. Copyright: gemeinfrei)
Neben der reduzierten Aktivität in den Hirnregionen fanden die Forscher um die Neurowissenschaftler Andrew Newberg von der Thomas Jefferson University und Julio Fernando Peres von der Universidade de São Paulo weitere auffällige Muster reduzierter aber auch teils gesteigerter Aktivität während der Trancezustände, in welchen den Medien etwa beim automatischen Schreiben vom „Kontrollgeist“ der Schreibstift geführt wird oder wenn sie in Sprachen sprechen, die ihnen eigentlich unbekannt sind.
Nach früheren Untersuchungen von Menschen während Yoga-Übungen, Meditation aber auch während des Betens und des Zungenredens, haben sich die Forscher aktuell auf das Phänomen des „automatischen bzw. medialen Schreibens“ konzentriert.
In ihrer Studie untersuchten die Wissenschaftler 10 seelisch und körperlich gesunde sogenannte Psychografen mittels Nahinfrarotspektroskopie. Fünf der Testpersonen waren in dieser Praktik schon seit mehr als 37 Jahren erfahren und führten monatlich durchschnittlich bis zu 18 entsprechende Sitzungen durch. Die anderen fünf Probanden waren Anfänger mit deutlich weniger Erfahrung auf diesem Gebiet.
Im Vergleich zu Scans dieser Personen, während sie in normalem Zustand ihre eigenen Gedanken zu Papier brachten, zeigten die Scans während der Trancezustände besonders bei den erfahrenen Medien eine Anzahl von Veränderungen der Hirnaktivität, darunter der linke Hippocampus, der linke anteriore cinguläre Cortex und das rechte „Wernicke-Sprachzentrum“ (Gyrus temporalis superior).
Damit wurden während des Trancezustands, in dem die Medien davon überzeugt sind, dass Geister und Verstorbene ihnen die Hand beim Schreiben führen, jene Hirnareale sozusagen heruntergefahren, die normalerweise beim bewussten aktiven Schreiben aktiv und für Koordination, Konzentration und Sprachverarbeitung verantwortlich sind.
Ganz ähnliche Ergebnisse konnten die Forscher schon in früheren Studien bei Menschen beobachten, die in religiöser Extase plötzlich in sogenannten fremden Zungen sprechen. Beide Gruppen, so erläutern die Forscher, teilen dabei die Vorstellung, dass sie während der Trancezustände von fremden Geistern kontrolliert werden.
Interessanterweise zweigten die „Anfänger“ geradezu gegenteilige Aktivitätsmuster, was die Forscher zu der Folgerung führt, dass stetige Übung und Training die Fähigkeit der Medien stärkt, ihr Gehirn in den notwendigen Zustand zu versetzen.
Zum Erstaunen der Neurowissenschaftler und im völligen Gegensatz zu dem, was die Hirnaktivitätsmuster nahe legten, nahm bei den erfahrenen Psychografen die Komplexität der verwendeten Sprache mit Beginn des Trancezustandes im Vergleich zum Normalzustand der Personen deutlich zu.
„Eigentlich würde man erwarten, dass hierzu die Hirnregionen für Sprache und Konzentration mehr Aktivität aufzeigen sollte zitiert „Discovery News“ Newberg.“ Tatsächlich war genau das Gegenteil der Fall: Je weniger aktiv das Gehirn in diesen Regionen und je umso erfahrener der Proband war, desto komplexer war auch die (automatisch geschriebene) Sprache.“
Über die Gründe für diese kuriose Beobachtung können auch die Neurologen bislang nur spekulieren: „Eine Vermutung ist die, dass während sich die entsprechende Hirnaktivität verringert, jene Hirnregionen, die beim medialen Schreiben aktiv sind, enthemmt werden – ähnlich wie dies unter Alkohol- und Drogeneinfluss der Fall ist – sodass sich die Komplexität der Sprache steigern kann.
In ähnlicher Weise wird auch improvisierte Musik mit verringerter Aktivität im Stirnlappen assoziiert.“ Dennoch, so die Forscher weiter, handele es sich bei improvisierter Musik und Alkohol- und Drogenkonsum um ganz eigene Zustände, die sich von jenen während des medialen/automatischen Schreibens unterscheiden. „Während der genaue Grund bislang noch schwer zu greifen ist, legt unsere Studie dennoch nahe, dass es neurophysiologische Übereinstimmungen mit diesem Zustand gibt“, so Newberg.
Neurologen fragen sich nun, ob entsprechende Zustände der Hirnaktivität die Grund-voraussetzung für spirituelle Erfahrungen auch in anderen Disziplinen und durch andere Praktiken sein könnte – oder ist die spirituelle Erfahrung selbst der Schlüssel, der diesen Hirnzustand aktiviert?
Quellen: jeffersonhospital.org/plosone.org/news.discovery.com/grenzwissenschaft-aktuell.de vom 23.11.2012
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