Der eine hatte eine CD, die im Büro verlorenging. Der andere einen USB-Stick mit der Kopie, der in einer Schublade liegen blieb. Giorgos Papakonstantinou hat keine Ahnung, wo die CD mit dem Datensatz von rund 2.000 potenziellen griechischen Steuer-hinterziehern geblieben ist. Evangelos Venizelos hingegen fiel plötzlich wieder das kleine Ding im Schreibtisch seiner Sekretärin ein. Da war er aber schon nicht mehr Finanz-minister, ebenso wie Papakonstantinou, sein Parteifreund und Amtsvorgänger. Jetzt ist dem ermittelnden Staatsanwalt der Kragen geplatzt.
Grigoris Peponis hat am Donnerstag die sogenannte Lagarde-Liste mit den Namen der reichen griechischen Kontenbesitzer ans Parlament gesandt. Ein Untersuchungsausschuss soll sich erst einmal mit den beiden Ex-Ministern der Pasok abplagen. Es geht um den Verdacht der Begünstigung, des freundlichen Vertuschens in einer Zeit nie dagewesener Sparpolitik in Griechenland.
Kostas Vaxevanis (Foto oben), der Herausgeber des Magazins HotDoc, stand am Donnerstag erstmals vor Gericht. Dem 46-Jährigen drohen zwei Jahre Haft wegen Verletzung der Privatsphäre. Unklar ist, ob es sich bei der Liste von HotDoc tatsächlich um den Datensatz handelt, den die frühere französische Finanzministerin Christine Lagarde 2010 ihrem griechischen Kollegen Papakonstantinou übergeben hatte.
Die Liste könnte zum Zweck der Erpressung genützt und deshalb von den Ministern geheim gehalten worden sein, mutmaßten am ersten Verhandlungstag die Anwälte von Vaxevanis und die Oppositionsabgeordnete Zoe Konstantopoulou von der linksradikalen Syriza. Sie gehört dem U-Ausschuss an, der bisher ergebnislos in der Affäre gestochert hatte.
Debakel bei Abstimmung
Der Skandal um die Liste und die mögliche politische Vertuschung kommt zu einem extrem kritischen Zeitpunkt für die Regierung von Antonis Samaras. Sie will nächste Woche, vor dem Treffen der Euro-Finanzminister am 12. November, den Haushalt für 2013 und das große Sparpaket durch das Parlament bringen. Dies ist Voraussetzung für die Auszahlung der nächsten Kreditrate von 31,5 Milliarden Euro. Ohne diese Rate ist Griechenland pleite.
Die Generalprobe für die Abstimmung glückte am Mittwoch nur teilweise. Ein hastig entworfenes Gesetz zur Zusammenlegung von Krankenkassen ließen die Koalitions-partner von Pasok und Demokratischer Linke scheitern, ein Teilgesetz zur Privatisierung kam nur zustande, weil die Opposition nicht vollzählig anwesend war.
Die Chefs der beiden Koalitionsparteien – Evangelos Venizelos und Fotis Kouvelis – blieben den Abstimmungen fern. „Wir waren wie eine verlorene Herde“, wurde ein sozialistischer Abgeordneter bei einer lautstarken Fraktionssitzung nach dem Debakel im Plenum zitiert. Zwei führende Pasok-Politiker gaben ihren Austritt aus der Partei bekannt.
Quellen: EPA/derStandard.at vom 01.11.2012
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