Es ist eine Reise in den langsamen Tod: Ein riesiger Eisberg driftet derzeit eine Meeresstraße zwischen Grönland und Kanada entlang – und zerfällt dabei in kleinere Einzelteile, die rasant ihrem Ende entgegenstreben.
Eis, Eis, immer nur Eis. Eine Expedition unter der Leitung des britischen Admirals George Nares fand im Jahr 1875 heraus, dass eine damals ziemlich geläufige Theorie nicht stimmte. Bedeutende Geografen hatten vorausgesagt, dass der arktische Ozean ganz hoch im Norden eisfrei sein müsste – weil Eisschollen nach Süden driften, warme Ozeanströmungen in Polnähe aufsteigen oder sich Meereis nur in Landnähe bilden könnte.
Doch Nares und seine Leute fanden dafür keine Bestätigung, ganz im Gegenteil – ein mit Schlitten vorstoßender Expeditionstrupp erreichte mit 83 Grad 20 Minuten nördlicher Breite einen neuen Rekord auf dem Eis. Niemand war bis dahin weiter nach Norden vorgestoßen – und von freiem Ozean war nichts zu sehen.
Eine Meeresstraße zwischen Kanada und Grönland trägt inzwischen Nares‘ Namen. Und in ihr schippert gerade ein Eisberg von beeindruckenden Dimensionen. Abgebrochen war er Mitte Juli vom Petermann-Gletscher im Norden Grönlands – an einem Riss, den Forscher schon seit Jahren beobachtet hatten. Die Fließgeschwindigkeit des Petermann-Gletschers hat sich nach Angaben des National Snow and Ice Data Center der USA zuletzt um 10 bis 20 Prozent erhöht.
Rund 120 Quadratkilometer war der riesige Eisberg zu diesem Zeitpunkt groß. Nun befindet er sich auf Südkurs – und wird immer kleiner. Ein aktuelles Bild des „Modis“-Instruments auf dem Nasa-Satelliten „Aqua“ zeigt den weißen Riesen, der in den offiziellen Verzeichnissen mittlerweile PII-2012 heißt, auf seiner Reise. Von dem Eisberg sind inzwischen mehrere Fragmente abgebrochen. Sie schwimmen schneller als das große Stück – ihrer Schmelze entgegen.
Auch weiter im Norden geht die große Schmelze weiter. Das Meereis der Arktis ist in diesem Jahr bereits auf einen Rekordminimum seit Beginn der Satellitenbeobachtung im Jahr 1979 gefallen. Der Nasa-Wissenschaftler Joey Comiso sagte, dass der diesjährige Eisrückgang durch die warmen Vorjahre verursacht worden sei. Außerdem war Anfang August ein riesiger Sturm über die Arktis hinweggefegt – und hatte die Eisfläche brüchig gemacht.
Der bisherige Negativrekord von 4,17 Millionen Quadratkilometern stammte aus dem Jahr 2007 – und ist Anfang der Woche unterschritten worden. Die Schmelze dürfte bis weit in den September andauern. Beinahe 140 Jahre nach Nares‘ Expedition.
Quellen: NASA/SpiegelOnline vom 01.09.2012