Warum Blogs so gefährlich sind

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Wie es um die Freiheit eines Landes bestellt ist, lässt sich unschwer daran erkennen, in welchem Umfang es seinen Bürgern gestattet, Kunst, Kultur und Lebensart zu genießen. Diese drei Pflänzchen gedeihen nur in Freiheit, sonst nirgends.

In dem Maße, in dem die hohe, darstellende Kunst zur brotlosen Kunst verkommt, weil die Gelder für den Theaterbetrieb gestrichen werden, weicht die Freiheit von Kunst und Kultur der Freiheit der Märkte ebenso wie das savoir vivre, die Kunst, zu leben. Die perfide Absicht dahinter zielt weniger auf die Einsparung von Kulturfördermitteln als vielmehr auf die Kanalisierung von Kreativität und Vielfalt einer Bevölkerung zugunsten der Industrie.

Die Köpfe einer solch modernen Industriegesellschaft wie der unsrigen haben kein Interesse an Dingen wie Freiheit, Solidarität, Kreativität, Vielfalt oder gar Chaos. Was diese Dinge auszurichten vermögen, beweisen jeden Herbst fünf- bis zehntausend Castorgegner, die etwa 20.000 Polizisten höchst kreativ an der Nase herumführen.

Dort wo Widerstand, Kreativität und Vielfalt zusammenfinden, entsteht etwas völlig Neues mit einer ungeheuren Eigendynamik. Ein gemeinsamer Geist, eine hochkreative Schwarmintelligenz, zugleich beseelt mit einem Schwarmempfinden der Solidarität und Gemeinsamkeit. Dagegen kann die Staatsgewalt nur wenig ausrichten und das gefällt ihr nicht. Daher geht sie mit größter Hinterlist dagegen vor.

Eine mögliche Strategie ist die Brutalisierung des Arbeitsmarktes. Seit in den Siebzigern Millionen von Menschen gegen Pershings, Startbahn West, Brokdorf und Wackersdorf auf die Straße gegangen waren, tragen Polizisten bei Demos Knie- und Schienbein-schützer, Staatsbeamte hingegen das “P” in den Augen, wenn sie sehen, wie sich ziviler Ungehorsam zusammenrottet.

Um dem entgegenzuwirken wurden Heerscharen von sogenannten Gastarbeitern aus dem europäischen Ausland und später auch aus der Türkei nach Deutschland eingeladen. Nötig gewesen wäre dies nicht, es gab bereits mehr als genügend gesunde Hände, die das vorhandene Arbeitspensum hätten bewältigen können, auch wenn mir diese Entscheidung eine Reihe guter Freunde beschieden hat.

Wie Altkanzler Helmut Schmidt einst am Rande eines Interviews erwähnte, diente diese Maßnahme lediglich einem einzigen Grund. Das Lohnniveau zu drücken und die Angst vor drohender Arbeitslosigkeit zu schüren. Auch Friedrich Flick verkündete 1983 auf einer Auktionärstagung in Düsseldorf die berüchtigten Worte: „Je mehr Arbeitslose wir haben, desto höher ist die Arbeitsmoral und desto weniger drücken uns die Lohnkosten.“ Dies gelang in den darauffolgenden Jahren mehr als nachhaltig.

Unter Kohl wurden einstige Beschäftigungsbetriebe zu seelenlosen Automatenparks umstrukturiert und hunderttausende Menschen verloren Ihren Arbeitsplatz. Bis dahin war noch unterschieden worden in Arbeitsplätze und Jobs. Unter letzteren verstand man kurze und gelegentliche Hilfstätigkeiten. Heute gibt es nur noch Jobs. Und selbst die wurden in den darauffolgenden Jahren millionenfach ins Ausland verlagert. Das hatte Folgen, die durchaus gewollt sind.

Die gesamte Kreativität der Arbeitnehmer wird durch den unmenschlichen Arbeitsmarkt okkupiert und auf den Vorteil der Firma gelenkt. Wenn ein Mensch mit einer Vollzeit-stelle heutzutage etwas denkt, dann drehen sich diese Gedanken zumeist nur um eines, die Firma. Und zumeist werden diese Gedanken begleitet von Gefühlen der Sorge und der Beklommenheit.

Da bleibt für Gedanken des Widerstandes wenig Raum und die Unterordnung unter das System erfolgt zumeist komplett. Sollte noch ein kleiner Rest von innerlicher Vielfalt bei einem Menschen übrig sein, so wird dieser ersetzt durch den künstlich gezüchteten Wunsch nach Mode, Trendbefriedigung und die Stimulierung des Belohnungszentrums durch Einkäufe.

Ein kurzes Gewitter in unserer Großhirnrinde, das wenige Meter hinter der Kasse bereits folgenlos verrauscht ist. Glückshormone werden im Körper schnell durch die Freisetzung entsprechender chemischer Antagonisten abgebaut, ein neuer Gang zur Kasse wird er-forderlich. Der Mensch lebt nicht mehr, er wird gelebt – und zwar von oben. Das liegt nicht zuletzt daran, dass er seine Nivellierung nicht bemerkt. Er lebt in der Illusion, glücklich und frei zu sein. Dabei wird seine Kreativität, ebenso wie sein Glück, lediglich auf den Erwerb von vorgefertigten Waren und den Umsatz seines Chefs gelenkt.

Was hat solch ein Realitätssklave nun mit Bloggern zu tun. Gar nichts und zugleich viel. Denn die meisten Blogger haben Zeit. Die benötigen sie auch, denn es genügt nicht, schöne Beiträge zu verfassen. Sie müssen sich auch auf dem Laufenden halten und tagtäglich viele Seiten, Meldungen und Artikel durchstreifen auf der Suche nach Informationen für das eigene Blog.

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Wer in Deutschland viel Zeit hat, hat dafür wenig Geld. Wer viel bloggt, gibt wenig aus. Politische Blogger werden daher weder zwischen kompletter beruflicher Selbstaufgabe noch Konsumzwang zermahlen wie zwischen zwei Mühlsteinen. Ihre Kreativität kann weder von Pfeffersäcken ausgebeutet noch von Psychostrategen kanalisiert werden.

Dadurch werden Blogger in ihrer Gesamtzahl zu einer Gefahr, denn sie sind im Begriff, zur Meinungsmacht aufzusteigen. Auch wenn es sich nur um einige Zehntausend kleiner Blogs handelt, erreichen sie dennoch viele Millionen Menschen in Deutschland. Menschen, die keine Zeit haben und froh sind, abends etwas lesen zu können, das ihre inneren Werte auf’s neue belebt.

Bei den Massenmedien ist dies nicht anders. Obwohl Stern, Fokus und Spiegel sehr wohl meinungsbildend sind, haben sie im Grunde vergleichsweise kleine Monatsauflagen, verglichen mit der Masse, die sie erreichen. So beträgt die Auflage des Stern gerade einmal 825.903 Exemplare, Tendenz fallend. Ebenso der Fokus, 541.259 Ausgaben, selbe Tendenz. Am meisten verkauft der Spiegel mit 944 394 Exemplaren, dessen Auflage ebenfalls beständig schrumpft. Die Rechnung lautet: Eine Ausgabe = ein Leser.

Zum Vergleich. Freeman mit seinem Blog ASR erreicht diese Leserzahl an nur einem einzigen Tag mit 84.537 Seitenaufrufen. In einem Monat erreicht Freeman etwa dreieinhalb Millionen Leser mit seinem Blog. Nicht zu vergessen die unzähligen kleineren Blogs, die Ping Backs, übernommene Artikel unter einer CCL oder einfach nur die Buschtrommel: „Hast Du schon gelesen, was da und da steht?“

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Kurzum, die Blogszene schreibt frech, witzig, kreativ, vielfältig und vor allem KOSTEN-LOS gegen eine teure, dröge und verlogene Meinungsverbiegungsmaschinerie an und dies mit zunehmendem Erfolg. Denn wie die Massenmedien beweisen, genügt eine Auflage von unter einer Million monatlich völlig, um etwa 80 Millionen Menschen zu be-einflussen. Diesem bisherigen Einfluss gesellt sich nun der Einfluss der Netzwelt hinzu und dies in zunehmendem Umfang.

Auf legalem Weg kann man nichts dagegen tun. Blogger sind wie Zahnpasta, die jemand aus der Tube gedrückt hat und die man beim besten Willen nicht in selbige zurück be-kommt. Der Geist ist aus der Flasche und auf dem Weg, mit Witz, Kreativität und Charme die Köpfe und Herzen der Menschen zurückzugewinnen für eine menschlichere, aufgeklärte Gesellschaft. Und die Chancen stehen gut, dass es gelingt.

Quelle: denkbonus.wordpress.com vom 21.09.2012

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29 comments on “Warum Blogs so gefährlich sind

  1. Schöner Artikel. Der Geist ist aus der Flasche und er kann gefährlich sein, aber nur für Einige, für Machtapparate, die bisher unbeirrbar lügen konnten.
    Die Blogger sind da, sie werden so schnell nicht mehr verschwinden, genauso wie das AUTO nicht mehr verschwinden wird.
    Tricker, Täuscher, Lügner und Manipulierer haben eine schlechte Zukunft, sie werden schneller und leichter entlarvt.

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