Flüsse und Seen halten sich nicht an Landesgrenzen. Abkommen zur gemeinsamen Wasser-Nutzung sind aber Ausnahmen. Im Nahen Osten ist Wasser von strategischer Bedeutung und sorgt regelmäßig für Streit.
Der Chef der palästinensischen Wasserbehörde Shaddad Attili verwaltet den Mangel. Ohne Erlaubnis seiner israelischen Nachbarn darf seine Behörde keinen einzigen Brunnen bohren: „Wasser ist ein sensibles Thema im Nahen Osten. Die Regierungen empfinden die Kontrolle der Quellen als eine Frage der nationalen Sicherheit.“
Die Hügel des Westjordanlands sind von Höhlen und Spalten durchzogen, in denen sich das Regenwasser sammelt. Die unterirdischen Reservoirs sind praktisch die einzige Wasserquelle. Israel zapft sie bereits seit den 50er Jahren an – nach dem Sechs-Tage-Krieg 1967 übernahm das Land die militärische Kontrolle.
Seither werde den Palästinensern 57 Kubikmeter Wasser pro Person und Jahr zugestanden, die israelischen Siedler bekämen das Fünffache, sagt Attili: „In der Westbank darf ich keinen einzigen Tropfen verlieren.“ Noch schlimmer sei aber die Lage in Gaza: „Die bald zwei Millionen Palästinenser dort haben wegen des israelischen Embargos überhaupt kein Wasser, das den Namen Trinkwasser verdient.“
Gewässer als Einheit sehen
Die Folgen der Erderwärmung verschärfen die Wasser-Probleme. In vielen Trocken-gebieten der Erde reicht das auf den Ackerflächen verfügbare Wasser nicht mehr aus, um die wachsende Bevölkerung sicher zu versorgen. Anders Jägerskog, Projektleiter beim Stockholmer Wasserinstitut (SIWI), vermittelt zwischen Staaten, die sich um Wasser streiten.
Häufig geht es dabei um den Bau von Staudämmen am oberen Teil eines Flusses – die Länder am unteren Teil bekommen dann auf einmal weniger Wasser: „Als Politikberater sind wir bemüht, die Unterhändler für eine breitere Perspektive zu gewinnen. Vor allem die Nachbarstaaten am Unterlauf großer Flüsse fordern Garantien für eine bestimmte Menge Wasser.“
Der Gewinn für alle beteiligten sei wesentlich größer, wenn sie die Wässer als Einheit verstünden, erklärt Jägerskog: „Mit Hilfe gemeinsamer Analysemodelle lässt sich viel rationaler entscheiden, wo man am günstigsten einen Damm platziert oder Ackerbau betreibt, damit möglichst wenig Wasser einfach nur verdunstet und so verloren geht.“
Negativbeispiel Jordan
Doch noch immer ginge zuviel Wasser verloren. Der Jordanfluss sei ein Paradebeispiel für eine unbedachte Wasserpolitik, sagt die Umweltorganisation „Friends of the Earth Middle East“. Die Aktivisten der Organisation stammen aus Israel, Jordanien und den Palästinensergebieten. Sie kritisieren den Zustand des Jordan-Flusses, der an der syrischen Grenze entspringt und über Israel durch den See Genezareth in die palästinensischen Gebiete fließt.
1964 bauten israelische Ingenieure ohne Zustimmung der Nachbarländer einen Damm, der den Abfluss des Sees kontrolliert. Auch Syrien zapft über Pipelines große Mengen Wasser ab. „Der Jordan-Teil unterhalb des Sees Genezareth ist in einem furchtbaren Zustand“, erklärt Munqeth Mehyar, der Direktor von „Friends of the Earth Middle East“. „Riesige Mengen Wasser werden aus dem See und den syrischen Quellflüssen umgeleitet“ Weniger als ein Zehntel des See-Wasser werden im Fluss belassen: „Die Hälfte davon ist stark verunreinigt durch Abwässer von Industrie und Landwirtschaft.“
Hoffnungsvolle Kooperation
Doch obwohl sich die Politiker des Nahen Ostens häufig lautstark über die Wasserfrage streiten, gibt es auch hoffnungsvolle Beispiele für Zusammenarbeit. Beispielsweise zwischen Israel und Jordanien – die beiden Nachbarländer diskutieren seit Jahren über die von Israel besetzen, wasserreichen Golan-Höhen.
Trotzdem ermöglicht Israel den Jordaniern gesammeltes Regenwasser in den See Genezareth umzuleiten. Israel schickt es im regenarmen Sommer über einen Kanal dann wieder zurück. Auch der Palästinenser Shadad Atilli hat Hoffnung für das West-jordanland und Gaza. Vor allem aufgrund des technischen Fortschritts und der menschlicher Vernunft: „Die Türkei bietet an, Wasser nach Gaza zu verschiffen. Pipelines könnten Palästina und Israel versorgen. Mit der Entsalzung können wir Meerwasser verfügbar machen.“ Seiner Meinung nach wird es keine Kriege um Wasser geben. „Aber wir werden wohl einen höheren Preis für unser Wasser zahlen müssen“, meint Attili.
Quelle: Deutsche Welle vom 30.08.2012
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