Kudankulam – Warum wir über diesen AKW-Standort so wenig wissen

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Mehr als zwanzigtausend aufgebrachte Bürger protestieren gegen die ehrgeizigen Pläne der Regierung, den atomaren Anteil an der Energieproduktion von aktuell 3% um 26 Gigawatt Atomenergie zu erweitern. Mit Blockaden der Zufahrten zum AKW-Gelände versuchen sie die Inbetriebnahme von Meilern zu verhindern, die bis heute nicht den nach Fukushima eingeführten neuen Sicherheitsstandards entsprechen und zudem auf einem Gelände errichtet werden, auf dem bereits ein Windpark steht, der mit einer Leistung von 2000 MW einen signifikanten Beitrag zur Stromversorgung des Landes liefert.

Im Gegenzug erhöht der Staat den Druck auf die Bevölkerung, indem Stromausfälle und Energieknappheit für die Zukunft vorhergesagt und die Ängste vor diesem Szenario durch aktuelle Diesel- und Kochgaspreiserhöhungen noch geschürt werden. Die Auseinander-setzungen eskalieren, Sicherheitskräfte setzen neben Tränengas und Schlagstöcken auch scharfe Munition ein. Am 10. September wird ein Demonstrant erschossen.

Obwohl diese Meldung so eigenartig vertraut klingt, handelt sie weder von einem weiteren Castortransport noch von Unruhen um einen Standort im Inland bzw. der näheren europäischen Nachbarschaft. Die Rede ist vielmehr von Kudankulam/Indien und den andauernden Protesten der Fischer gegen die Inbetriebnahme eines Meilers im tsunami- und erdbebengefährdeten Gebiet.

Einen Teilerfolg können sie nun verzeichnen, wenn auch teuer mit Menschenleben bezahlt: Das Oberste Gericht in Neu Delhi verzögert die Inbetriebnahme des AKW solange, bis restlos alle neuen Sicherheitsauflagen hundertprozentig umgesetzt wurden. Ebenso muss die Bevölkerung umfassend informiert werden, den Analphabeten unter ihnen dürften dabei keinerlei Nachteile entstehen. Die Beteuerung der Betreiber, es würden längst alle neuen Standards dank neuester Technik erreicht, wurde somit Lügen gestraft.

In den Nachrichten ist hiervon so gut wie nichts zu hören. Es mag hie und da eine kurze Notiz zu lesen sein, Zusammenfassungen der Geschehnisse wie beispielsweise unter tagesschau.de tragen jedoch mit Sicherheit nicht dazu bei, Hintergründe bzw. Abgründe einer interessengesteuerten Energiepolitik näherzubringen, welche die Bundesrepublik Deutschland aktiv mit Hermesbürgschaften unterstützen könnte. Am 13.9. war unter der Überschrift „Blickpunkt – Bilder des Tages“ lediglich folgendes zu lesen:

„Zahlreiche Menschen stehen in der Nähe des Küstenortes Kudankulam im Indischen Ozean und protestieren gegen die Anlieferung von Brennelementen. Mit dem Bau des Kraftwerks im Bundesstaat Tamil Nadu wurde 2002 begonnen. Seitdem protestieren Anwohner und Umweltschützer gegen die Inbetriebnahme der beiden russischen Druckwasserreaktoren. Aktivisten werfen der Regierung vor, Sicherheitsauflagen und Umweltrichtlinien missachtet zu haben.“

Was fehlt, sind Hintergrundinformationen, an die man erst durch Recherche im Internet gelangt: Diese Zeit investiert jedoch nur, wer von Haus aus an diesem Thema interessiert ist und den Mainstream zunehmend mit kritischen Augen betrachtet.

Neben Kudankulam, das aus unseren Steuergeldern mitfinanziert wird, gibt es noch weitere umstrittene Atomprojekte in Indien, eines davon in Jaitapur an der Westküste. Mit AREVA und Siemens wurde Ende 2011 ein Vertrag für den Bau von sechs Reaktoren unterzeichnet, obwohl auch diese Region erdbeben- und tsunamigefährdet ist, die Frage der radioaktiven Abfallendlagerung nicht geklärt und der Atomwaffensperrvertrag von Indien nicht unterzeichnet wurde. Dennoch ist die Bundesregierung laut taz.de immer noch grundsätzlich bereit, Bürgschaften für diesen Meiler zu prüfen, ebenso, wie für andere umstrittene Bauten wie z.B. Temelin und Angra 3.

Dieses Vorgehen wird weitestgehend totgeschwiegen. Das Ansehen unserer Regierung, eh schon angekratzt durch ihre verzögerte bzw. halbherzige Umsetzung der Energiewende, könnte weiteren Schaden nehmen. Es scheint, als wollen unsere Informationsmedien dies in eigenartiger Einigkeit verhindern. Die dadurch freigesetzte Sendezeit wird dafür mit Entertainment gefüllt: Minutenlange Huldigung eines neuen Obstproduktes, Hinweise auf eigene Fernsehproduktionen oder der rührende Aufruf, hauseigene Formate für den Grimmepreis zu voten. Selbst die öffentlich-rechtlichen Sender verschreiben sich zunehmend dem Brot & Spiele-Trend, da passt die neue Erkennungsfanfare der Tagesschau tatsächlich besser zum Zeitgeist.

Zu dumm, dass das Internet mit seinen Möglichkeiten, weltweit an die unterschied-lichsten Informationen zu kommen, zunehmend auch den perfekt getünchten Fassaden Haarrisse zufügt. Ob deshalb jetzt in Talkshows über alle Sendergrenzen hinweg vor dieser Verdummungsmaschinerie gewarnt wird?

Quelle: theintelligence.de vom 22.09.2012

http://www.contratom.de/2012/09/11/indien-eskalation-um-akw-kudankulam/

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http://www.taz.de/Streit-ueber-sicheres-AKW-in-Indien/!101828/

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