Schuldenkrise: Griechen plündern in der Not die Bauernhöfe

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Ob Pfirsich oder Spaten – auf griechischen Bauernhöfen ist nichts mehr sicher. Die Krise hat die ländlichen Regionen erreicht. Es wird gestohlen, um zu überleben. Bauern tragen plötzlich Waffen.

Wenn die Bauern von Moschochoris, einem Dorf in der zentralgriechischen Region Phthiotis, sich morgens an die Arbeit machen, ist die große Frage immer, ob der Traktor noch funktioniert. Mal wurde die Batterie geklaut (20 Mal kam das in den letzten drei Monaten vor), mal das Öl, mal die Kabel. Denn darin ist Kupfer – und das kann man einschmelzen und verkaufen.

Es ist ein Phänomen, das zunehmend überall im ländlichen Griechenland um sich greift: Alles, was auf den Bauernhöfen und zugehörigen Feldern geklaut werden kann, wird geklaut. Not macht Diebe.

„Mir hat man einen Container mit 16 Kilo Pfirsichen gestohlen“, zitiert die Zeitung Kehimerini einen Bauern aus der Präfektur Imathia. „Wer weiß, vielleicht sitzen die Täter manchmal neben mir im Café. Ich kann es nicht wissen.“ Aber er versteht, was die Diebe treibt, und will keine Affäre daraus machen: „Vielleicht bin ich morgen derjenige, der aus Not stehlen muss.“

Bisher war die Flucht ins ländliche Leben die Lösung vieler städtischer Griechen, um einen Ausweg aus der Wirtschaftskrise zu finden. Aber inzwischen hat die Krise die ländlichen Regionen erreicht – es wird gestohlen, um zu überleben.

Die Bauern sind nicht auf Diebe eingestellt

In Kipseli auf der Insel Zakinthos sind Bauern in Rage, weil Diebe in die Gewächshäuser eindringen, um massenhaft Kartoffeln, Zwiebeln und Tomaten zu stehlen. In der Präfektur Ilia auf dem Peloponnes geht es vor allem um Tomaten, Melonen und Kartoffeln. In den örtlichen Medien heißt es, dass solcherlei früher nicht üblich war – gerade deswegen fällt es den Räubern so leicht, die Bauern sind nicht auf Diebe eingestellt

Aber es ist vor allem der Diebstahl von Arbeitsgeräten, der die Bauern zur Verzweiflung treibt. In der Gegend um den Ort Trikala (Region Thessalia) wird fast täglich wertvolle Ausrüstung gestohlen, vor allem Bewässerungsmaschinerie. Bewässerungsmotoren (Neuwert etwa 1700 Euro) und „Wasserkanonen“ (etwa 1000 Euro) gehören zu den am meisten gestohlenen Gegenständen. Auch auch Reifen und Wasserschläuche sind bei den Dieben beliebt.

„Es stimmt, neuerdings wird andauernd gestohlen“, sagte ein Bauer aus der Gegend um Tolo der „Welt“. „Mir ist eine Kettensäge geklaut worden, und das Öl aus meinem Traktor.“ Schlimmer habe es einen Freund getroffen, dem ein Gerät im Wert von 2500 Euro entwendet worden sei.

Der Bauer verwies darauf, dass die Polizei jüngst in einem Ort namens Ermioni auf dem Peloponnes auf ein ganzes Lager gestohlener landwirtschaftlicher Maschinen gestoßen sei, was auf organisierte Gangsterbanden hinweisen würde.

Bauern organisieren bewaffnete Gruppen

Manche Bauern haben sich bereits zu – bewaffneten – Selbstverteidigungsgruppen zusammengeschlossen und patrouillieren nachts auf den Feldern. „Wir brauchen meist drei Tage, um einen Traktor wieder in Gang zu bringen, und können die Felder ohne Bewässerungsmaterial nicht bewässern – unser Schaden ist enorm, viel größer als nur die gestohlenen Sachen“, sagen betroffene Bauern in einer Reportage des Senders „Star TV“.

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„Wenn wir die Diebe treffen, wird es ernst werden – wir, ehrliche Leute, sind in Gefahr, zu Gewaltverbrechern abgestempelt zu werden, wenn wir das tun, was die Polizei nicht tut, nämlich uns zu schützen.“

Die Behörden schreiten bislang nicht ein, und berufen sich auf Machtlosigkeit. Eine gefährliche Entwicklung: im städtischen Kontext ist so die militant rechtsextreme „Goldene Morgendämmerung” erstarkt, als Reaktion auf wachsende städtische Kriminalität durch Migranten (aber wohl auch durch verarmende Griechen). In Ungarn ist genau wegen verbreitetem Agrardiebstahl (durch arbeitslose Roma) die rechtsextreme Partei „Jobbik“ samt „Wehrgruppen“ zu einem echten Akteur auf der politischen Szene avanciert.

Rechtextremen Parteien nutzen Agrardiebstahl aus

Ein ähnlicher Effekt droht nun in Griechenland einzusetzen: Schon veröffentlicht die „Goldene Morgendämmerung“ Hilferufe verbitterter Bauern an die Partei – und ihre berüchtigten, schwarz gekleideten Schlägertrupps. Ein „Bürger aus Theben“ namens „Nikos“ schrieb an die Partei: „Die Zigeuner stehlen unsere Autos, Eisen, Transfomatoren, landwirtschaftliche Geräte, sie brechen in Häuser und Kirchen ein, sie stehlen sogar von Friedhöfen. Mit den gestohlenen Autos ohne Nummernschilder rasen sie auf den Landstraßen herum, die Polizei tut nichts.“

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Die Polizei kann bislang keine Angaben dazu machen, wer die Diebe auf griechischen Feldern sind. Die Bauern selbst beschuldigen, wie „Nikos“, oft „die Zigeuner“ und Beobachter spekulieren – so berichten die Medien – dass es drei verschiedene Täterkreise gibt: Solche, die stehlen, um etwas zum Essen zu haben, Kleinbauern, die Erntenklau betreiben, um ihre eigene Ernte zu vermehren, oder Geräte stehlen, weil sie es sich nicht leisten können, selbst welche zu kaufen; und Banden, die die Sachen verkaufen, oft als Gebrauchtware an andere Bauern.

Wie weit verbreitet das Phänomen inzwischen ist, lässt sich aus Ratschlägen der Polizei an Landwirte ablesen. Man soll, so heißt es, Fotos aller wichtigeren Geräte bereithalten, um sie identifizieren zu können, falls sie gestohlen werden. Man solle Ware und Geräte nicht offen herumliegen lassen, wo immer möglich Schlösser und Alarmsysteme anbringen, und bei teureren Gerätschaften Seriennummern aufschreiben, soweit vorhanden.

Quellen: picture-alliance.de/WeltOnline vom 24.08.2012

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