Diamant, Graphit und Ruß haben Familienzuwachs bekommen: US-Forscher haben eine völlig neue, ungewöhnlich aufgebaute Kohlenstoffform hergestellt. Sie entsteht unter hohem Druck und ist so hart, dass es sogar Diamanten beschädigen kann. Besonders interessant ist die innere Struktur dieses ultraharten Kohlenstoffs: Sie besteht aus einzelnen Klumpen ungeordneter Kohlenstoffteilchen, die in einer Art übergeordnetem Kristallgitter angeordnet sind.
Das neue Material könnte neben seiner extremen Härte auch noch andere ungewöhnliche optische oder elektrische Eigenschaften besitzen, hofft das Team um Lin Wang von der Carnegie Institution in Argonne. Die Forscher stellen ihre Arbeit im Fachblatt „Science“ vor.
Ungewöhnliche Vielfalt an Strukturen und Eigenschaften
Kohlenstoff kommt in vielen verschiedenen Strukturen und Formen daher, die alle unterschiedliche Eigenschaften besitzen. Bei Diamanten sind die Kohlenstoffatome in einem Kristallgitter angeordnet, dies macht den transparenten Edelstein zum härtesten natürlichen Material. Das dunkelgraue Graphit hat dagegen eine Schichtstruktur, die das beispielsweise in Bleistiftminen eingesetzte Material weich und blättrig macht.
Ruß ist ein sogenanntes amorphes Material, bei der die Teilchen völlig ungeordnet vorliegen. Fullerene schließlich sind kugelförmige, hohle Kohlenstoffkäfige aus mindestens 60 Kohlenstoffatomen. Das bekannteste, das Buckminster-Fulleren, besteht wie ein Fußball aus regelmäßigen Fünf- und Sechsecken und besitzt wiederum völlig andere Eigenschaften als die anderen Kohlenstoffvarianten.
So unterschiedlich diese Kohlenstoffformen auch sind, sie haben eines gemeinsam: Ihr Aufbau ist entweder kristallin, also sehr regelmäßig, oder aber amorph, das heißt völlig ungeordnet. Eine Mischform gab es bisher nicht. Jetzt scheint dem Team um Wang jedoch die Herstellung einer Kohlenstoffvariante gelungen zu sein, die sowohl kristalline wie amorphe Eigenschaften besitzt.
Die Forscher hatten dazu Buckminster-Fulleren in Xylol gelöst, einem organischen Lösungsmittel, und diese Lösung extrem hohem Druck ausgesetzt. Dabei erhielten sie ein Material, das so hart war, dass es die Diamantstempel in der Druckkammer beschädigte. Es blieb auch nach dem Nachlassen des Drucks stabil – laut den Forschern eine Voraussetzung dafür, dass es überhaupt in Labor oder Technik eingesetzt werden kann.
Zusammenbruch der Kugelmoleküle
Mit Hilfe von Infrarotlicht und Röntgenstrahlung konnten die Forscher auch klären, wie die neue Kohlenstoffform entstanden war: In seinem Urzustand ist jeder Fulleren-Ball von mehreren Lösungsmittelmolekülen umgeben, die ihn von seinen Nachbarn trennen. Steigt der Druck, beginnen die hohlen Fulleren-Käfige zu kollabieren und sich in amorphe Kugeln zu verwandeln. Da die Lösungsmittelmoleküle jedoch ihre Position beibehalten, werden auch die kollabierten Fullerene an ihrem ursprünglichen Platz festgehalten.
Auf diese Weise entsteht eine regelmäßige, gitterartige Struktur aus amorphen Kohlen-stoffclustern. Vorausgesetzt, der eingesetzte Druck liegt über 32 Gigapascal – ist also mehr als 320.000 Mal so hoch wie der Atmosphärendruck -, bleibt diese Struktur auch nach dem Ablassen des Drucks stabil.
Schon alleine die extreme Härte mache das neue Material interessant, kommentieren die Forscher. Sie wollen nun untersuchen, welche sonstigen Eigenschaften ihre Kohlen-stoffform aufweist. Zudem soll künftig das Xylol durch andere, ähnliche Lösungsmittel ersetzt werden, um zu sehen, ob sich so maßgeschneiderte Materialien mit ganz bestimmten Eigenheiten herstellen lassen.
Quelle: scinexx.de vom 17.08.2012