Myanmar: Etappensieg für Pressefreiheit

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Die Regierung in Myanmar schafft die Vorzensur für Printmedien ab. Ab sofort können Journalisten ihre Texte ohne Prüfung durch die Zensurbehörde veröffentlichen. Für „Reporter ohne Grenzen“ bleibt die Lage unsicher.

Beobachter und Menschenrechtsorganisationen begrüßen die Entscheidung der Regierung in Myanmar, dem ehemaligen Birma, vom Montag (20.08.2012): „Die Aufhebung der Vorzensur ist ein maßgeblicher Schritt auf dem Weg zur Pressefreiheit und zur weiteren Liberalisierung im Land“, sagt Myanmarexperte Marco Bünte im Interview mit DW.DE.

Auch Johann Behr von „Reporter ohne Grenzen“ betont die Wichtigkeit der neuesten Entwicklung: „Die Aufhebung der Vorzensur ist ein sehr wichtiger Schritt“, schränkt aber zugleich ein: „Das bedeutet aber nicht, dass die Zensur in Myanmar insgesamt abgeschafft wurde.“

Zweischneidiges Schwert Pressefreiheit

In den vergangenen Wochen, in denen es im nordwestlichen Rakhine-Staat Myanmars zu ethnischen Unruhen zwischen der buddhistischen Mehrheit und der muslimischen Minderheit der Rohingya gekommen ist, hat die Pressezensur in altbekannter Weise jegliche Berichterstattung unterdrückt. „Die letzten Wochen haben gezeigt, dass die Behörden sehr, sehr wachsam sind, was Artikel betrifft, in denen es um die innere Sicherheit des Landes geht“, sagt Behr.

Bünte, der Experte des Hamburger Leibniz-Instituts für Globale und Regionale Studien, kann die Einschränkungen der Pressefreiheit teilweise sogar nachvollziehen: „Die Pressefreiheit kann ein zweischneidiges Schwert sein. Auf der einen Seite kann die Presse den Hass zwischen den Volksgruppen schüren und dazu führen, dass die Gewalt anhält oder sogar gesteigert wird.“ Den Beweis dafür liefern soziale Netzwerke und Medien aus Myanmar, in denen offen gegen die Rohingya gehetzt wurde.

Grundsätzlich stellt Bünte den Wert der Pressefreiheit allerdings nicht infrage. Es gehe um eine sorgfältige Abwägung und um die Art der Berichterstattung: „Die Einschränkungen dürfen natürlich nicht dazu benutzt werden, die Berichterstattung überhaupt zu unterbinden.“

Reformen dringend notwendig

Der Weg bis zu einer echten Pressefreiheit, die zugleich grundsätzlichen ethischen Standards gerecht wird, ist in Myanmar noch sehr lang. „Die Behörden werden den Journalisten sagen, dass sie Verantwortung übernehmen müssen. Das stellt die Journalisten aufgrund der seit Jahrzehnten fehlenden Geschichte von Pressefreiheit vor schwierige Fragen, die jeder für sich beantworten muss“, sagt Bünte.

Den ersten Schritt zu Reformen hat der Präsident Thein Sein im Januar 2011 gemacht, als er nach 47 Jahren das Ende der Zensur ankündigte. Im gleichen Jahr schaffte die Regierung die Vorzensur für Sportnachrichten, Unterhaltung, Gesundheit, Wissenschaft und Technik ab. Außerdem wurden die Revision des Pressegesetzes und die Etablierung eines Presse-Rats angestrebt.

„Das sind alles Schritte in die richtige Richtung, die den lokalen Medien ermöglichen, sich selbst zu regulieren. Aber es wird abzuwarten sein, ob der geplante Presse-Rat tatsächlich unabhängig sein wird“, bewertet Behr die Entwicklung. Er bleibt skeptisch. Die Regierung habe ein sehr unbeständiges Verhältnis zur Pressefreiheit.

Bünte ist zuversichtlich, was das Entstehen einer demokratischer Presse angeht: „Durch die zurückkehrende Exilanten-Presse hat Myanmar ein großes Potenzial, das die Demokratisierung des Landes vorantreiben kann.“

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Der Experte verweist aber zugleich auf die Befürchtungen vieler Journalisten: „Bezüglich des neuen Mediengesetzes gibt es sehr kritische Töne. Es wurde kritisiert, dass die Grundlage des neuen Mediengesetzes im Grunde die alten seien.“

Journalisten operieren in Grauzonen

Abzuwarten bleibt, welche praktischen Effekte die Aufhebung der Vorzensur in Myanmar haben. Die neu gewonnene Freiheit könne zu einer Selbstzensur aus Angst führen, vor allem, da die gesetzlichen Rahmenbedingungen nach wie vor unsicher seien, wie Behr erklärt: „Die Journalisten haben gelernt, dass die Vorzensur abgeschafft worden ist, aber sie wissen immer noch nicht, wie weit sie im Einzelnen gehen können, wie unabhängig sie wirklich sind.“

Das gilt vor allem für die wirklich heiklen Themen, wie Bünte sagt: „Irgendwann geht es ans Eingemachte. Es wird darum gehen, Korruption und die Konflikte beziehungsweise Menschenrechtsverletzungen in den Minderheitengebieten aufzudecken.“ Insbesondere bei derartigen Themen sind Journalisten bis heute mit unkalkulierbaren Risiken konfrontiert.

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Quellen: dpa7Deutsche Welle vom 20.08.2012

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