Das Schauspiel lässt sich nur selten beobachten: Oberhalb einer mächtigen Gewitterfront schießt ein rotes Himmelsleuchten nach oben. Die Bewohner der Internationalen Raumstation konnten solch einen Roten Kobold kürzlich über Asien auf Film bannen.
Ein Roter Kobld, der durch den Himmel saust – für naturwissenschaftlich wenig bewanderte Menschen mag das nach Seemansgarn klingen. Oder nach unglaubwürdigem Geplapper von Piloten. Denn die hatten jahrzehntelang von feuerroten Blitzen berichtet. Doch kaum jemand nahm die Sichtungen ernst – so dass viele Beobachtungen womöglich nie gemeldet wurden.
Selbst einer Sichtung durch Physiknobelpreisträger Charles Thomson Rees Wilson im Jahr 1956 wurde wenig Beachtung geschenkt. Dabei hatte er die Erscheinungen, die auf Englisch meist Sprite genannt werden, schon 1925 theoretisch vorhergesagt. Seit 1989 gibt es aber Fotobeweise für die Existenz des raren Wetterphänomens: Der Physiker John Winckler von der University of Minnesota hatte eigentlich nur vor einem Raketenstart seine hochempfindliche Kamera ausprobieren wollen. Doch auf genau zwei Einzelaufnahmen des Testfilms fanden sich die Leuchtphänomene, hoch über einer entfernten Gewitterfront.
Und auch dieses aktuelle Bild, aufgenommen von der Besatzung der Internationalen Raumstation (ISS), zeigt einen solchen Roten Kobold oberhalb eines Gewitters. Er konnte über Myanmar, unweit der Grenze zu Malaysia beobachtet werden. Auch diese Aufnahme ist übrigens ein Standbild aus einem Film. Die elektrischen Entladungen entstehen bei Gewittern oberhalb der Wolkendecke – und erreichen zum Teil Höhen um die 100 Kilometer. Auf manchen Bildern sehen sie aus wie Atompilze, auf anderen wie himmlische Quallen.
Weil Wolken den Blick vom Boden verdecken und das Schauspiel oft nur wenige Millisekunden anhält, gab es lange keine Beobachtungen eines Roten Kobolds. Das überirdische Leuchten fällt auch ausgesprochen schwach aus. Längst nicht jeder Blitz löst einen Kobold aus – und doch haben beide etwas miteinander zu tun.
Bestimmte Blitze, die von Gewitterwolken zum Erdboden reichen, bringen offenbar auch Elektronen oberhalb der Wolken in Bewegung. Das Ergebnis ist eine Art natürlicher Teilchenbeschleuniger – und wenn die Elektronen in den hohen Schichten der Atmosphäre mit den Molekülen dort kollidieren, entsteht das schwache Glimmen.
Quellen: NASA/Der Spiegel vom 14.07.2012