Es steckt im Käse, der den Burger so lecker macht, in der Cola und im Puddingpulver: Mit künstlichem Phosphat macht die Lebensmittelindustrie ihre Produkte konservierungsfähig. Mediziner jedoch warnen – der Zusatzstoff kann das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen erhöhen.
Kauderwelsch auf der Verpackung: E 339, E 340, E 341, E 450, E 451, E 452. Das steht für Lebensmittelzusätze, genauer für künstliches Phosphat, das die EU-Gesetzgebung erlaubt. Doch harmlos sind die Phosphatzusätze keineswegs, Ärzte warnen: Menschen mit chronischen Nierenproblemen sollten bei Phosphat vorsichtig sein.
Funktioniert die Niere nur eingeschränkt, wird das Phosphat nicht mehr richtig herausgefiltert. Als Folge steigt die Konzentration im Blut stark an, wodurch das Herz-Kreislaufsystem über Gebühr belastet wird. Den Studien zufolge ist damit das Risiko zu sterben bei Nierenkranken deutlich erhöht.
Inzwischen warnen Mediziner auch bei gesunden Menschen vor zu hohen Phosphatspiegeln im Blut. Auch Gesunde sollten mit den künstlichen Zusätzen aufpassen, schreiben die Ärzte um Eberhard Ritz vom Nierenzentrum des Universitätsklinikums Heidelberg in einer Übersichtsarbeit, die kürzlich im „Deutschen Ärzteblatt“ veröffentlicht wurde. Ritz und seine Ärztekollegen Kai Hahn, Markus Ketteler, Martin Kuhlmann und Johannes Mann, allesamt Nierenspezialisten, werteten bisherige Studien zum Thema Phosphatzusätze und Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen aus.
Molekül des Alterns
Bereits 1997 entdeckte der Japaner Makoto Kuro-o am Nationalen Institut für Neurowissenschaften in Tokio ein neues Gen, das den Bauplan für ein Eiweiß namens Klotho enthält. In Tierversuchen stellte er fest: Legt man das Klotho-Gen in Mäusen lahm, steigt deren Phosphatspiegel stark an. Sie entwickeln dann Gefäßverkalkungen, Osteoporose, Haut- und Lungenschäden, sie werden unfruchtbar und haben ein erhöhtes Risiko zu sterben. Kuro-o nennt Phosphat daher ein „Signalmolekül des Alterns“.
Auch wenn der Stoffwechsel von Nagern nicht eins zu eins auf unseren Organismus übertragbar ist: Gefäßverkalkungen durch zu viel Phosphat im Körper konnte man inzwischen auch beim Menschen nachweisen. Zudem steht ein permanent hoher Phosphatspiegel seit einer US-Studie von Ende 2011 im Verdacht, über bestimmte Signale zu Veränderungen am Herzen zu führen: Dabei werden Herzmuskelzellen zu krankhaftem Wachstum angeregt. Eine sogenannte Linksherzhypertrophie entsteht, die die linke Herzkammer teilweise lahmlegt.
Zwar sei für solche phosphatbedingten, vorzeitigen Alterungsprozesse „eine unmittelbare Ursache-Wirkungs-Beziehung für die Normalbevölkerung noch nicht zweifelsfrei belegt“, betont der Medizinprofessor Eberhard Ritz. Dennoch fordert er aufgrund der Studienlage „eine allumfassende Kennzeichnung der Phosphatzusätze“.
Die Phosphatmengen in Lebensmitteln haben sich verdoppelt
Laut Ritz geht die Gefahr von unserer modernen Ernährungsweise aus: Sie habe dazu geführt, dass sich die Menge der phosphathaltigen Zusatzstoffe, die wir täglich aufnehmen, „seit den neunziger Jahren von knapp 500 Milligramm auf 1000 Milligramm verdoppelt hat“. Nicht einmal, wer auf Bio-Lebensmittel setzt, ist ganz davor gefeit. Zwar sei in Lebensmitteln mit dem Ökosiegel nur Calciumphosphat zugelassen, erklärt Ritz. Aber die Verpackung müsse nicht vermerken, wie viel von dem Zusatzstoff in dem Produkt steckt.
„Der Konsument oder Patient kann daher nicht sehen, wie viel Phosphat in Lebensmitteln enthalten ist“, sagt Ritz. Eine aufgedruckte Ampel etwa könnte in den Farben Rot, Gelb und Grün signalisieren, ob man viel, mäßig oder kaum Phosphat zu sich nimmt.
Phosphat spielt besonders in der Fleischindustrie als Konservierungsstoff und in der Käseherstellung als Schmelzsalz eine bedeutende Rolle. Es findet sich in sterilisierter, ultrahocherhitzter und eingedickter Milch und im Milchpulver. Es hält Kaffee- oder Puddingpulver rieselfähig. Als Säuerungsmittel senkt es den pH-Wert und hemmt dadurch das Wachstum von Hefen, Pilzen und Bakterien im Essen. Und es lockert die Struktur von Eiweißen und sorgt dafür, dass die mehr Wasser binden können.
Wo stecken Phosphatzusätze drin?
Zu den größten Lieferanten von künstlichem Phosphat zählen Schmelzkäse, Scheib-letten oder Parmesan: 50 Gramm enthalten 400 bis 500 Milligramm. Eine wahre Bombe ist Backpulver, das es pro Päckchen auf 1500 Milligramm der künstlich beigemischten Substanzen bringt. Auch Softdrinks sind nicht ohne: Cola darf einer EU-Richtlinie zufolge bis zu 700 Milligramm Phosphat pro Liter haben – aus einem einzigen Grund: Der Stoff verhindert, dass das Gebräu sich pechschwarz färbt.
Schaden natürliche Phosphatverbindungen?
Phoshpaht ist nicht gleich Phosphat: Sowohl eiweißreiche, tierische Kost wie auch pflanzliche Nahrung – also Getreide, Nüsse oder Hülsenfrüchte – enthalten natürliches Phosphat, und zwar in Form organischer Ester. Diese sind unproblematisch, weil sie bei Milch, Fisch, Fleisch, Wurst und Eiern nur zu 40 bis 60 Prozent in den Stoffwechsel eingespeist werden.
Von den pflanzlichen Phosphatestern scheidet der Körper sogar über 50 Prozent wieder aus, weil er nichts mit ihnen anfangen kann. Die künstlichen Zusätze in industriell verarbeiteten Nahrungsmitteln kommen anders daher: Zum einen sind sie wesentlich höher dosiert; zum anderen wird das nichtorganische Phosphat sehr viel besser aufgenommen und schraubt den Spiegel im Blut nach oben.
Enthält Fast Food besonders viel Phosphate?
Billigem Fast Food sind große Mengen Phosphat zugesetzt: Die künstlichen Zusatzstoffe dienen häufig als Konservierungs- und Säuerungsmittel, als Verstärkersubstanz (Regulator), als Vermischungshilfe (Emulgator), als Aroma- und Konsistenzerhalter (Stabilisator), oder als Geschmacksverstärker. In Hamburgern mit Schmelzkäse stecken besonders viele Phosphate.
Besonders hohe Phosphatmengen finden sich beispielsweise in Schmelzkäse oder Softdrinks (siehe Kasten). „Ein Liter Cola entspricht bereits 50 bis 75 Prozent der empfohlenen Tageszufuhr an Phosphat für Erwachsene“, warnt Ritz. Doch Phosphat ist nicht gleich Phosphat. Natürliche Phosphatverbindungen stecken etwa in Getreide, Nüssen oder Hülsenfrüchten. Diese scheidet aber der Körper weitgehend wieder aus.
Besonders von zu hohen Phosphatmengen in Lebensmitteln betroffen sind offenbar die Ärmeren: Eine 2010 veröffentlichte US-Studie von Orlando Gutiérrez und Kollegen von der University of Alabama in Birmingham zeigt, dass der Phosphatspiegel von Menschen aus sozial schwächeren Schichten doppelt so häufig erhöht ist wie bei Gutverdienern. Insbesondere billigem Fast Food sind große Mengen Phosphat beispielsweise als Konservierungsmittel zugesetzt.
Quellen: dpa/Der Spiegel vom 09.07.2012