Die Getreideernte fällt schlecht aus. Die Bauern werden so wenig ernten, wie seit fünf Jahren nicht mehr. Die Preise steigen bedrohlich an. In Deutschland regnet es zu viel, in den USA zu wenig. Doch nicht nur das Wetter ist an der Misere schuld.
Bangen bei den Bauern: Das Regenwetter der vergangenen Wochen bereitet den Land-wirten in weiten Teilen Deutschlands zunehmend Kopfzerbrechen. Wegen heftiger Regenfälle musste am Wochenende vielerorts die Getreideernte unterbrochen werden. Zuvor war bereits das Wintergetreide durch Frost im Frühjahr auf vielen Feldern geschädigt worden.
Nicht nur in Deutschland bereitet das Wetter Kopfzerbrechen. Eine Hitzewelle in den USA, Trockenheit in der Ukraine und Überflutungen im Süden Russlands: In den potenziellen Getreide-Exportländern bangen Landwirte um die Weizenernte, Soja- und Maisernte. Doch das Wetter allein ist es nicht, wenn Deutschland zum zweiten Mal seit 1986 seinen Statuts aus Getreideselbstversorger verlieren wird: Es sind die vielen Biogasanlagen, die vorzugsweise mit Mais gefüttert werden. Denn der Maisanbau verdrängt hierzulande die Saat von Weizen, Gerste oder Roggen.
Der in London ansässige Internationale Getreiderat IGC sieht die weltweiten Getreide-vorräte bereits auf einem Fünf-Jahres-Tief. Der Bestand würde sich damit jenem Niveau nähern, das während der letzten Hunger- und Preiskrise 2007/2008 herrschte. Auf nur noch 665 Millionen Tonnen schätzen die Experten die diesjährige Welt-Weizenernte – 30 Millionen Tonnen weniger als im vergangenen Jahr und nur noch 14 Millionen Tonnen mehr, als vor zwei Jahren eine verheerende Dürre in Russland die Felder ruinierte. Den Verbrauch hingegen taxieren die Beobachter der US-Landwirt-schaftsbehörde USDA trotz eines Rückgangs um zwei Prozent auf 680 Millionen Tonnen Weizen. Es entsteht eine Millionen-Lücke.
Biosprit macht Tortilla teurer
Schon wird für die Ukraine über einen Exportstopp spekuliert. Doch gerade Länder wie Russland, die Ukraine und Kasachstan sind es, die mit ihren Überschüssen zu einer stabilen Versorgung des Weltmarktes beitragen. Die Fluten in der Schwarzmeerregion, eine der wesentlichen Anbauregionen der Welt, und eine zuvor herrschende Hitzewelle werfen alle positiven Prognosen über den Haufen. Zwar halten sich demgegenüber die Weizenerträge in den USA und der EU trotz Winterkälte und Hitze in einigen Regionen auf passablem Niveau.
Doch die insgesamt knappere Versorgung durch die Ernteausfälle in Haupterzeuger-ländern lässt die Preise steigen: „Hausse am Weizenterminmarkt“ titelte der Fachdienst Agra Europe vor wenigen Tagen, „Raps knackt die 500-Euro-Marke“ je Tonne, meldete die Agrarzeitung. Denn Hitzestress bei Soja und Mais in Übersee hat unmittelbare Auswirkungen auf den Preis der Ölsaat auch hierzulande. Der Weizenpreis hat inzwischen an der Pariser Rohstoffbörse Matif 250 Euro je Tonne überschritten und ist auf dem Weg zu einer Höhe, wie sie zu Zeiten der Hungerkrise verzeichnet wurde.
Ein weiterer Faktor: Die Förderung von Biosprit in den USA treibt die Nachfrage und den Preis nach oben. Die Ausweitung der Ethanolproduktion in den Staaten hat den Tortilla-Preis in Mexiko in die Höhe schnellen lassen. 1,5 bis 3,2 Milliarden US-Dollar soll das die Mexikaner gekostet haben, wie die Hilfsorganisation Actionaid errechnete. Zwar weiten die US-Farmer inzwischen ihre Maisflächen immer stärker aus, doch in diesem Jahr müssen sie aufgrund der Hitzewelle im Maisgürtel Abschläge machen.
Deutschland kann sich nicht selbst versorgen
Solche Trends gibt es auch in Deutschland. Hier ist es weniger die Biospriterzeugung als die Produktion von Biogas, die die Rohstoff- und auch die Pachtpreise klettern lässt. Aufgrund der lukrativen Einspeisevergütung setzen viele Landwirte auf den Maisanbau für ihre Fermenter. Denn Mais verspricht die höchste Ausbeute, Gülle hingegen werde nur noch deshalb in die Bioreaktoren gesteckt, weil es dafür einen speziellen Güllebonus gebe, sagt Georg Keckl, Agrarexperte beim Statistischen Landesamt in Niedersachsen.
2004, als mit der Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetz der Biogas-Boom begann, wurde auf nur 1,7 Millionen Hektar Futter-Mais angebaut, heute sind es wegen der Biogaserzeugung eine Million Hektar mehr. Parallel ging der Anbau von Weizen und Gerste zurück, und zwar um je eine halbe Million Hektar auf 6,5 Millionen Hektar. Die Zahl der Biogas-Anlagen hat sich seit 2004 auf 2 728 verzehnfacht.
Mehr Soja für die Tiere
„Nicht das Wetter, sondern eben auch der Maisanbau für diese Anlagen führen dazu, dass Deutschland nicht genug Getreide erzeugt, um sich selbst zu versorgen“, sagt der Europa-Abgeordnete der Grünen, Martin Häusling. Auch der Fortschritt bei der Getreide-züchtung könne die Einbußen nicht mehr wettmachen. Denn wenn die Landwirte zu ertragreicheren, aber empfindlicheren Sorten greifen, dann „riskieren sie wie in diesem Jahr enorme Ausfälle durch Frostschäden“, sagt der Experte.
Dieser unheilvolle Trend ist inzwischen sogar beim Deutschen Raiffeisenverband auf Kritik gestoßen. Der Verband, der mit seinen Handelsaktivitäten und dem Lagergeschäft an einem florierenden Getreideanbau interessiert ist, überraschte vor wenigen Tagen mit einer drastischen Rechnung. Demnach verringert der Biogasboom die deutsche Getreide-ernte um vier Millionen Tonnen, das sind zehn Prozent, womit der Eigenbedarf an Getreide nicht mehr gedeckt werden könne. Geschäftsführer Henning Ehlers beklagt die Folgen: Weniger Futtergetreide aus deutschen Landen führe automatisch zu höheren Soja-Importen aus Übersee – denn irgendwie muss das Loch gestopft werden.
Selbst Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) hat entdeckt, dass der wachsende Maisanbau ein Problem darstellt. Ihr geht es weniger um den Biogasboom, als um den Verlust der Artenvielfalt in Deutschlands Fluren: „Wer Mais für die einzige effektive Energiepflanze hält, der irrt sich. Auch Pflanzen wie Malven, Glockenblumen, Beifuß, Rainfarn, Steinklee und Wegwarte können dazu beitragen, die erneuerbaren Energien weiter auszubauen“, sagte die Ministerin beim Besuch eines Versuchsfeldes mit mehrjährigen Energiepflanzen-Mischungen in Brandenburg.
Quellen: ddp/fr-online.de vom 16.07.2012
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Ich habe so die Befürchtung, dass diese Entwicklung weitergehen wird: Monokulturen, die lebenswichtige Anbauten von Getreide, Gemüse etc verhindern. Da wird der eine oder andere, der noch ein Stück Grund und Boden besitzt vielleicht eines Tages froh sein, denn dann kann man sich zumindest selbst versorgen ( falls man nicht auch noch durch Mangel von Saatgut,Samen etc an erfolgreicher Eigenversorgung gehindert wird…)
Was man bei allem außer Acht zu lassen scheint; ist die derzeitige zusätzliche ÜBERvölkerung unseres Landes. Dem nicht genug, betreffs des derzeit verrückt zu spielenden Wetters – ob willkürlich oder nicht, werden unsere Ackerböden zusätzlich nicht nur ver-industrialisiert, dazu vergiftet der vielen Chemikalien manipulierten Saat“guts“. Hinzu Klärschlämme von über 82 Mio. Menschen + tgl. Durchgangsverkehrs. Wie aber sollten es die im Boden so wichtigen Mikroorganismen – vor allem wie lange noch – ertragen. Ein Ackerboden ohne Mikroorganismen, wäre ein toter Boden. Bis sie sich wieder erholt, gäb es eines Tages nichts mehr zu ernten.