Benedikt XVI. kenne nun die Namen der „Raben“, die seinen Kammerdiener beauftragten, Dokumente vom päpstlichen Schreibtisch für die Presse zu stehlen, und wisse von den schuldigen „Laien und Prälaten“. Das meldete am Montag die gemeinhin gutinformierte Turiner Zeitung „La Stampa“, nannte aber als Quelle nur das Audienz-Bulletin des Heiligen Stuhles Nummer 359 vom vergangenen Samstag.
Darin wird berichtet, dass Benedikt XVI. drei emeritierte Kurienkardinäle – den Spanier Julián Herranz, den Slowaken Jozef Tomko und den Italiener Salvatore De Giorgi – empfangen habe. Diese haben den päpstlichen Auftrag, in Kooperation mit der Vatikan-Staatsanwaltschaft und der Gendarmerie auch im hohen Klerus nach den „Raben“ zu suchen. Der Papst hätte die Männer gewiss nicht empfangen, wenn sie nicht wichtige Nachrichten gehabt hätten. Doch der Vatikan schweigt sich über die bisherigen Erkenntnisse der Kardinalskommission aus.
Und da die meisten Prälaten der Kurie, die früher mit Journalisten sprachen, mittlerweile schweigen, weil sie in der Furcht leben, derlei Austausch könne sie verdächtig machen, lässt sich nur berichten, dass diese Audienz stattfand.
Der Kammerdiener des Papstes Paolo Gabriele, in dessen Wohnung sich vier Aktenordner mit kopierten Dokumenten vom Schreibtisch des Papstes fanden, ist seit dem 23. Mai in Haft. Er war erst von der Gendarmerie und dem päpstlichen Staatsanwalt vernommen worden, dann wurde er vom päpstlichen Ermittlungsrichter verhört.
Noch immer hat die Öffentlichkeit keine Hinweise auf Hintermänner und Motive für den Verrat. Aber dass der „Rabe“ Gabriele nicht allein handelte, nimmt auch Vatikansprecher Federico Lombardi an. Der zweite Mann im Vatikan, Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone, sagte nun der Zeitschrift der italienischen Bischofskonferenz, „Famiglia Cristiana“, er habe „kein Anzeichen dafür, dass Kardinäle involviert sind oder dass hier Kirchenleute um irgendeine imaginäre Macht kämpfen“.
Vielfach war vermutet worden, die „Raben“ würden jene Dokumente stehlen und der Öffentlichkeit zuspielen, mit denen Bertone als korrupter und unfähiger Kirchenführer dargestellt werden könnte; ihnen gehe es darum, Bertone zu stürzen und jene Kardinäle zu verdrängen, die bei einem kommenden Konklave einen Papst wählen könnten, der – anders als Benedikt XVI. – Transparenz ablehnt. Aber viele der veröffentlichten Dokumente haben nichts mit Bertone zu tun. Die Jagd auf die „Raben“ geht weiter.
Quellen: dpa/m.faz.net vom 18.06.2012