Die Polizei darf beschlagnahmte PCs, Server oder Speichermedien nicht länger als notwendig behalten. Aufgrund der gravierenden Nachteile, die sich – gerade für Unternehmen – aus einem langen Verbleib der IT-Geräte bei der Polizei ergeben können, muss die Verhältnismäßigkeit dabei stets gewahrt bleiben, urteilte kürlich das Amtsgericht Reutlingen.
Das Gericht befasste sich mit dem Fall eines EDV-Beraters, bei dem die Polizei im November 2011 vier Festplatten wegen des Verdachts auf Steuerdelikte beschlagnahmt hatte. Drei Tage später reichte der Betroffene Beschwerde beim Amtsgericht Reutlingen ein. Er sah sich in der Ausübung seines Berufs eingeschränkt unds argumentierte damit, dass die Speichermedien nicht nur seiner Datenverarbeitung dienten, sondern dass von ihm vorgehaltene Speicherkapazitäten und Rechenleistung Dritten gewerblich überlassen seien.
Die Richter gaben in ihrem Urteil dem Kläger recht. Sie erklärten, es sei zwar keineswegs ausgeschlossen, dass auf den sichergestellten Speichermedien auch Beweise für Verbrechen des Verdächtigen zu finden seien. Der tatsächliche physische Zugriff auf solche Server-Hardware sei aber „wegen der möglichen Betroffenheit Dritter unbedingt auf ein Minimum zu beschränken, soweit durch den tatsächlichen Zugriff auf die Festplatten und andere Hardware die Funktion des Servers beeinträchtigt oder unterbunden wird.“
Mit Beschluss vom 5. Dezember 2011 entschied das Gericht daher, dass die Polizei die mitgenommenen Festplatten herausgeben muss. Die Beschlagnahmung als solche sei zwar rechtmäßig erfolgt, so die Richter. Die Polizei hätte die Datenträger aber wenn möglich vor Ort kopieren oder die Dauer, während der die Festplatten sich bei der Polizei befanden, zumindest auf ein Minimum reduzieren müssen. Aufgrund der geringen Datenmenge von 750 GByte sah der Richter im verhandelten Fall einen Zeitraum von drei Werktagen als ausreichend an. Die Polizei argumentierte, der Kläger hätte eine Sicherungskopie der fraglichen Daten anlegen müssen. Das Gericht stimmte zwar zu und bezeichnete das Versäumnis, Backups zu erstellen, als „grob fahrlässig“, erklärte aber, dies entbinde die Ermittlungsbehörden nicht von ihrer Pflicht, die Datenträger schnellstmöglich zu spiegeln und zurückzugeben.
Rechtsanwalt Christian Solmecke von der Kölner Kanzlei Wilde Beuger Solmecke begrüßt in einer aktuellen Stellungnahme die Entscheidung des Amtsgerichts. Er weist darauf hin, dass bei einer Beschlagnahmung von Hardware „gerade für kleinere Selbstständige schnell die berufliche Existenz auf dem Spiel steht“. Er empfiehlt, dass sich Personen, die beruflich auf ihre IT-Geräte angewiesen sind, im Falle einer Beschlagnahmung von einem Rechtsanwalt beraten lassen sollen.
Quellen: IT Espresso/gulli.com vom 16.06.2012