Der Saturnmond Titan ist einer der ungewöhnlichsten Himmelskörper im Sonnensystem. Mit einem Durchmesser von 5150 Kilometern ist er deutlich größer als der Planet Merkur und ist als einziger Planetenmond von einer dichten Atmosphäre umgeben. Nun gelang es Forschern um Luciano Iess an der Universität La Sapienza in Rom, Hinweise auf einen Ozean aus flüssigem Wasser rund 100 Kilometer unter der fest gefrorenen Eiskruste zu finden. Dazu untersuchte das Team die Bahn der Raumsonde Cassini bei dichten Vorbeiflügen an Titan, bei denen sie Radiowellen mit exakt bekannter Frequenz aussandte. Durch die Bahnbewegung der Sonde, die durch das inhomogene Schwerefeld des Mondes beeinflusst wird, wird die Frequenz dieser Radiowellen durch den Dopplereffekt verändert. Diese feinen Schwankungen lassen sich dann analysieren.
(Bild: Der Saturnmond Titan ist in seinem Inneren komplex aufgebaut: Eine an organischen Stoffen reiche Stickstoffatmosphäre (hellbraun) umgibt eine rund 100 Kilometer dicke feste Eiskruste (hellblau). Darunter schließt sich ein mehrere 100 Kilometer mächtiger Ozean aus flüssigem Wasser an, der auf einem Kern aus wasserhaltigen Silikatmineralien aufliegt)
Aus den Messungen konnten die Forscher ermitteln, wie Titan auf die ständigen Gezeitenkräfte reagiert, die von seinem Mutterplaneten Saturn ausgehen. Er umrundet den Ringplaneten auf einer leicht elliptischen Bahn innerhalb von 16 Tagen. Dadurch wird der Mond periodisch in die Länge gezogen und wieder gestaucht. Titan rotiert wie der Erdmond gebunden, das heißt er wendet seinem Mutterplaneten stets die gleiche Seite zu. Je verformbarer ein Himmelskörper ist, umso stärker wird er unter dem Einfluss der Gezeitenkräfte beeinflusst. Je stärker Titan dabei seine Form verändert, desto stärker verändert sich auch sein Schwerefeld, dass von der Massenverteilung in seinem Inneren abhängt.
Die Forscher um Iess mussten das Schwerefeld Titans an unterschiedlichen Orten auf der Umlaufbahn bei Vorbeiflügen erfassen. Die Forscher verwendeten hierzu sechs Passagen zwischen 2006 und 2011. Durch die Bahnverfolgung der Raumsonde Cassini konnten sie deren Geschwindigkeit auf zehn Mikrometer pro Sekunde genau erfassen. Aus den Geschwindigkeitsveränderungen von Cassini berechnete die Forschergruppe das variable Schwerefeld des Mondes, das Aufschluss gibt über den inneren Aufbau des Himmelskörpers. Dabei zeigte sich, dass sich das Verhalten des Mondes am besten damit erklären lässt, dass sich rund 100 Kilometer unter der festen starren Eiskruste ein Ozean aus flüssigem Wasser über mehrere 100 Kilometer in die Tiefe erstreckt. Zudem zeigte sich, dass sich auch das Material im Zentrum des Mondes außergewöhnlich plastisch verhält.
Mit einem internen Ozean befindet sich Titan in guter Gesellschaft mit den Jupitermonden Europa, Ganymed und Kallisto, die ebenfalls Schichten aus flüssigem Wasser in ihrem Inneren beherbergen. Der interne Ozean des Saturntrabanten dürfte auch Auswirkungen auf die Geologie der Oberfläche und die Herkunft des in der Titanatmosphäre reichlich vorhandenen Methans (CH4) haben. Durch die ultraviolette Strahlung der Sonne wird das atmosphärische Methan ständig zu komplexeren organischen Molekülen verbacken, die schließlich aus der Lufthülle auf die Oberfläche regnen. Durch diesen Vorgang wird es so rasch aus der Atmosphäre entfernt, dass es nach wenigen zehn Millionen Jahren verschwunden wäre. Entweder ist das derzeit auf Titan vorhandene Methan erst vor kurzem auf die Oberfläche gelangt, oder es strömt ständig aus dem Inneren des Mondes nach.
Möglicherweise sind es Veränderungen im Wasserozean, zum Beispiel durch die Erwärmung und Ausdünnung der oberen Eiskruste, die bislang gefrorenes Methan freisetzen. Es würde dann mit „Eislava“ durch Vulkane an die Oberfläche gelangen. Hinweise auf solche Eisvulkane fanden sich in diversen Aufnahmen der Raumsonde Cassini. Eine aktive Eruption wurde allerdings bislang noch nicht gesichtet.
Quelle: Sterne und Weltraum vom 29.06.2012